Seewölfe Paket 16. Roy Palmer

Читать онлайн книгу.

Seewölfe Paket 16 - Roy Palmer


Скачать книгу
den bloßen Händen!“ schrie Hasard. „Wir haben ja schließlich keine Kanonen an Bord, oder?“

      Jetzt schwieg der Alte beleidigt. Er kehrte auf das Quarterdeck zurück und rührte sich von dort vorläufig nicht mehr fort. Hasard nahm sich seine Warnung aber trotzdem zu Herzen. Immerhin – es konnte etwas Wahres daran sein, denn letzten Endes war wohl niemand so selbstlos, daß er in Sturm und Eis stundenlang Lichtzeichen gab, damit die armen, verirrten Seefahrer nicht ihrem Untergang ausgeliefert waren.

      Auch der Seewolf war nicht so unbedarft, blindlings in eine mögliche Falle zu tappen. Bei nüchterner Überlegung gelangte er nur zu dem Schluß, daß er keine andere Wahl hatte, als die Inseln anzulaufen. Tatsächlich würde die „Isabella“ dieser Sturmstärke auf die Dauer kaum standhalten, und ein Nachlassen des Wetters kündigte sich vorläufig nicht an.

      Darum ließ er zwar Kurs auf die Feuer nehmen, blieb vorläufig aber auf der Hut. Die ganze Zeit über hielt er sich bei Dan und Bill auf der Back auf und ließ die Lichter nicht aus den Augen.

      Allmählich rückten sie näher, und wahrhaftig schienen sie auf eine Passage hinzuweisen, in die man auf der Suche nach Schutz vor dem Sturm verholen konnte. Die „Isabella IX.“ steuerte die Durchfahrt zwischen den Inseln Norderney und Baltrum an – dies hatten Hasards zwischenzeitliche Berechnungen deutlich ergeben –, und nach und nach schien der Seegang tatsächlich ein wenig nachzulassen.

      Dann aber trat die Überraschung ein, auf die Old O’Flynn mit all seinen Flüchen und Rufen hatte hinweisen wollen. Urplötzlich verloschen die Feuer, die an den Ufern der Inseln flackerten, und auch die Lampen, die von eifrigen Händen hin und her geschwenkt wurden, sandten auf einmal kein Licht mehr aus.

      Schlagartig herrschte tintenschwarze Finsternis.

      Die Groot-Jehans und die Lütt-Jehans, die auf ihren Uferposten auf der Lauer lagen, hatten sich zu ihrem heimtückischen Spielchen eine neue Variante einfallen lassen. Größer noch mußte die Verwirrung an Bord des in die Passage segelnden Schiffes sein, wenn jählings kein Licht mehr zu sehen war. Diese Galeone würde ein noch leichteres Angriffsziel für sie sein als die holländische „Eendracht“ – so dachten sie.

      Als sich für Augenblicke jetzt jedoch der Mond durch eine Wolkenbank schob, erkannte Dan O’Flynn ganz dicht voraus etwas, das aus dem Wasser aufragte.

      „Hölle!“ stieß er hervor. „Bill – das ist ein Schiffsgerippe!“

      „Ja“, sagte auch Bill entsetzt. „Von dem Kahn sind nur noch die Spanten übrig.“

      Dan hatte sich inzwischen bereits umgedreht und schrie der Crew eine Warnung zu. Hasard richtete sich zu seiner vollen Größe auf, sprang an die nach achtern weisende Balustrade der Back und rief: „Weg mit den Segeln! Fallen beide Buganker! In den Wind mit dem Kahn, Pete! Ben, kümmere dich um die Segel!“

      „Aye, Sir!“ schrie Ben Brighton, und dann stand er auch schon selbst an den Fallen des Besams und brüllte seine Befehle.

      Hasard, Dan und Bill sprangen sofort in das Spill auf der Back, unterstützt von vier Männern. Der eine Buganker rauschte aus und klatschte ins Wasser. Die Trossen flogen ihnen fast um die Ohren. Dann folgte der andere Anker. Als die Anker griffen, lief durch die „Isabella“ ein heftiger Ruck, der sie bis in die letzten Verbände erbeben ließ.

      Schleunigst wurden bereits die Sturmsegel geborgen. Die „Isabella“ wiegte sich auf den Wogen, vollführte im Wind einen schlingernden Tanz und schwojte im Bogen an ihren beiden Ankertrossen. Hasard beobachtete die Umgebung, konnte im letzten Streifen Mondlicht, der sich noch durch die Wolken stahl, das Steifkommen der Trossen verfolgen und atmete auf, als die Anker hielten.

      Die Wolkenbänke schlossen sich wieder, es herrschte Finsternis.

      „Klarschiff zum Gefecht!“ rief der Seewolf.

      Seine Männer stürzten an die Geschütze, rissen das gewachste Segeltuch herunter und lösten die Zurrings.

      Jan Ranse verließ die Back, sprang den Niedergang zur Kuhl hinunter und lief zu Piet Straaten und Nils Larsen, die mit Blacky, Batuti und einigen anderen bereits an den Geschützen arbeiteten. Big Old Shane und Al Conroy kümmerten sich um die achteren Drehbassen.

      Jetzt stand es fest: Sie waren in eine ganz üble Falle geraten, in die anscheinend schon andere Schiffe gelaufen waren.

      Die „Isabella“ aber, so schwor sich der Seewolf grimmig, würde hier nicht ihren Geist aufgeben.

      8.

      Die „Isabella IX.“ war 550 Tonnen groß und zweiundvierzig Yards über Kiel sowie zweiundfünfzig Yards vom Bug bis zum Heck lang, den Bugspriet nicht mitgerechnet. Ihre Breite betrug zehn Yards. Sie war mit vierzehn 25-Pfündern und zwölf 17-Pfündern armiert, außerdem verfügte sie vorn und achtern noch zusätzlich über je zwei Drehbassen. Sie hatte überhohe Masten und war bis auf den Besan mit Rahsegeln getakelt. Am Bugspriet konnten zwei Blinde gesetzt werden. Ihre Konstruktionsweise war sehr fortschrittlich für das Ende des 16. Jahrhunderts. Sie hatte flachere Kastelle als die anderen Galeonen ihrer Zeit, und ihre Decks waren geräumiger.

      Lüder Groot-Jehan und Karl Lütt-Jehan, die einen kundigen Blick für Schiffe hatten, erkannten all dies, als sie sich in ihren Booten der „Isabella“ näherten. Sie waren ihr jetzt zum Greifen nah.

      Dieser Kahn, so befand Lüder im stillen, ist ein gefundenes Fressen für uns. Mag der Teufel wissen, was er geladen hat und woher er stammt – es ist bestimmt etwas Wertvolles.

      Gold vielleicht, Silber oder Diamanten? „Isabella“ – Lüder konnte den Namen jetzt entziffern. Anscheinend handelte es sich um ein spanisches oder portugiesisches Schiff, das sich bis hier herauf verirrt hatte. Oder täuschte er sich? Hatte er eben, als so plötzlich die Anker ausgerauscht waren, nicht englische Wortfetzen vernommen?

      Nun er konnte sich täuschen. Der Kapitän war offenbar ein kluger und vorsichtiger Mann, er hatte die Pfahlfalle noch rechtzeitig genug entdeckt. Das bewahrte ihn aber nicht vor dem Schicksal, das auch die Holländer von der „Eendracht“ getroffen hatte.

      Schon gingen die Boote der Friesen längsseits, schon enterten die Jehans, die nun wieder ein Herz und eine Seele waren, und der Angriff begann.

      Was immer diese „Isabella“ auch geladen haben mochte, Lüder und Karl sahen es bereits als ihr sicheres Eigentum an. Sie gaben ihren Männern ein Zeichen. Gode, Jan, Uwe, Willem, Onno, Heino, Pit, Friedhelm und Brüne warfen die Enterhaken.

      Im selben Moment öffneten sich knarrend die Stückpforten der Galeone. Doch zu spät rannten die Seewölfe die Geschütze aus, schon hingen die Gestalten der Friesen wie Kletten an den Bordwänden. Sie kletterten an den Berghölzern hoch, erreichten die Rüsten, schoben sich über die Schanzkleider und sprangen auf die Decks.

      „Die Waffen raus!“ schrie der Seewolf. „Ed – Musketenfeuer!“

      „Aye, Sir!“ brüllte der Profos.

      Dann gab er Gary Andrews, Sam Roskill, Luke Morgan, Jack Finnegan, Paddy Rogers, Jeff Bowie und Matt Davies ein Zeichen, und diese hoben ihre Musketen und Tromblons.

      Lüder und Karl waren als erste Angreifer mitten auf der Kuhl der „Isabella“, sie warfen ihre Knüppel von sich und griffen sogleich zu den Handfeuerwaffen, als sie die Musketen und Tromblons auf sich gerichtet sahen.

      Die komplette Friesenmeute schwang sich von beiden Seiten des Schiffes an Deck, ein paar Schreie wurden auf beiden Seiten ausgestoßen, dann brach die Hölle los. Lüder und Karl ließen sich fallen und feuerten ihre Pistolen ab, Gary, Sam und die anderen Seewölfe schossen zurück. Die Ladungen der Tromblons, die aus gehacktem Blei und Eisen bestanden, ließen gleich mehrere Friesen zusammenbrechen, zwei oder drei Musketenkugeln fanden gleichfalls ihr Ziel.

      Doch die Zahl der Gegner war groß, immer mehr Kerle kletterten über die Schanzkleider. Hasard, Ben, Shane, Ferris, Old O’Flynn und Roger Brighton stürzten sich vom Quarterdeck aus in das wilde Handgemenge,


Скачать книгу