Seewölfe Paket 16. Roy Palmer

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Seewölfe Paket 16 - Roy Palmer


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      Die dumpfe Ahnung, daß etwas nicht stimmen könnte, hatte Frieda beschlichen, sie spürte Wut in sich aufsteigen. Lüder, zur Hölle, wo steckst du? fragte sie sich im stillen, dann rief sie noch einmal nach ihm. Doch wieder erhielt sie keine Erwiderung.

      Sie lief die Stiege zum oberen Stockwerk hinauf, erstaunlich gewandt, erreichte die Tür von Gretes Zimmer und stieß sie auf, ohne anzuklopfen.

      Grete hatte sich hingelegt, aber sie schreckte sogleich aus dem leichten Schlummer hoch, in den sie nach ihrer Rückkehr vom Strand verfallen war. Die Bettdecke rutschte ein Stück weg. Frieda sah, daß sie splitternackt war. Grete riß die Augen weit auf und bewegte sich entsetzt. Ihre großen Brüste wackelten hin und her.

      „Was ist los?“ rief sie. „Kommen die Lütt-Jehans? Geht es los?“

      „Nein“, entgegnete ihre Mutter und blieb am Fußende des Bettes stehen. Sie stemmte die Fäuste in die Seiten und fragte: „War Lüder hier?“

      „Bei mir? Wieso das denn?“

      „Frag nicht so dämlich. Antworte.“

      „Nein, ich habe ihn überhaupt nicht ins Haus gehen sehen.“

      „Kannst du dir nicht ein Nachthemd anziehen? Ist dir heiß?“

      „Mir ist nicht kalt“, erklärte Grete. Dann zog sie die Bettdecke zu sich heran und raffte sie vor ihren Brüsten zusammen. „Außerdem – warte ich doch auf meinen Willem“

      „Das will ich dir auch geraten haben!“ fuhr Frieda sie an.

      Gretes Augen weiteten sich noch ein bißchen mehr. „Wie meinst du das?“

      Ihre Mutter trat ein Stück näher an sie heran, ihr Kopf senkte sich, sie musterte Frieda kalt und drohend aus schmalen Augen. „Tu nicht so, als ob du nicht bis drei zählen kannst. Du weißt, was ich meine. Wenn ich jemals Lüder bei dir erwische, hau’ ich dir den Hintern voll und schneide dir die Haare ab. Klar?“

      „Aber Mutter …“

      „Er ist hinter jedem Rock her, den er flattern sieht“, fauchte Frieda. „Paß also auf, du bist gewarnt. In meinem Hause dulde ich keine solchen Sachen.“

      Sie eilte hinaus und drehte sich nicht mehr zu ihrer Tochter um, sonst hätte sie vielleicht verfolgen können, wie deren entgeisterte Miene einem Ausdruck der Erleichterung wich.

      „Solche Sachen“ – Grete war jetzt überzeugt, daß es höchste Zeit war, auch Lüder zu warnen. Sie hatte insgeheim auf seinen Besuch in ihrem Zimmer gehofft, bevor Willem nach Hause zurückkehrte, doch zu ihrem Glück – das mußte sie sagen – war er nicht erschienen. Friedas Verdacht war geweckt, man mußte Lüder einen entsprechenden Hinweis geben. Doch wo steckte er?

      Frieda hatte inzwischen auch einen Blick in Lüders Zimmer geworfen. Es war leer. Wütend kehrte sie nach unten zurück, hastete zum Tor, ohne von Willem gesehen zu werden, und öffnete es. Sie schlüpfte ins Freie, geriet dabei fast mit Klusmeiers Leiche ins Gehege, fluchte leise vor sich hin und lief im blassen Licht des jungen Morgens zu dem Haus der Ostens hinüber.

      Diese Herma, dachte sie aufgebracht, das ist doch auch so ein Luder, vielleicht ist er bei der untergekrochen. Sie öffnete die Tür, die nicht verschlossen war, stürmte in den dahinterliegenden Raum – und stand plötzlich Lüder und Herma gegenüber, die sich eilends aus ihrer Umarmung lösten.

      Frieda zögerte keinen Augenblick. Sie trat dicht vor Lüder hin und gab ihm eine schallende Ohrfeige.

      „Du Dämel!“ fauchte sie ihn an. „Du willst wohl, daß hier auf Norderney auch eine Fehde ausbricht, was?“

      „Warte mal, Mutter“, sagte Lüder und rieb sich die brennende Wange. „Du siehst das falsch. Laß mich erklären, was …“

      Wieder knallte sie ihm die schmale, knochige Hand ins Gesicht, dann zischte sie: „Raus! Willem hat dir was zu sagen! Die Lütt-Jehans kommen zu uns herüber, vielleicht führen sie was im Schilde. Hau ab und laß dich hier nicht mehr blicken!“

      Lüder verließ mit hochrotem Gesicht das Haus, blickte sich nach allen Seiten um und stellte fest, daß er nicht beobachtet worden war. Er lief um das Groot-Jehan-Gebäude herum, stieg durch eins der hinteren Fenster ein und eilte zu Willem, der mit fragender Miene an der Tür auf ihn wartete. Gemeinsam eilten sie zum Strand hinunter, von dort aus liefen ihnen jetzt Onno Osten, Gode, Jan und Uwe entgegen, und Jan schrie: „Sie sind gleich hier, wir müssen was unternehmen!“

      Frieda hatte sich derweil zu Herma umgewandt und sagte mit vorgetäuschter Freundlichkeit: „So, nun laß uns mal einen kleinen Schnack halten, Herma, mein Mädchen.“

      Herma zupfte an ihrer Kleidung herum.

      „Sie haben das falsch aufgefaßt“, stotterte sie. „Ich – Lüder war ganz durchgefroren, und da wollte ich ihm einen – einen Grog zubereiten. Wir sind doch gute Nachbarn …“

      Weiter gelangte sie nicht. Frieda verpaßte ihr so blitzartig schnell eine Ohrfeige, daß an Gegenwehr nicht zu denken war. Herma wimmerte, hielt sich die Wange und wich vor ihr zurück.

      „Hure!“ zischte Frieda. „Laß dich nicht wieder erwischen, sonst kannst du was erleben. Solange ich nicht verreckt bin und hinterm Knick eingekuhlt werde, laß die Finger von meinem Lüder, oder ich jage dich ins Meer.“

      „Nein! Nur das nicht“, sagte Herma entsetzt. „Ich will ja alles tun, was Sie sagen.“

      „Gut. Also: Kein Wort über diese Angelegenheit.“ Frieda ging zur Tür, drehte sich dort aber noch einmal zu der jungen Frau um. „Und wenn ich Lüder noch einmal bei dir vorfinde, weihe ich Onno ein, verstanden?“

      „Bitte nicht.“

      „Hast du Angst vor ihm?“

      „Und wie. Er würde mich – umbringen, glaube ich.“

      „Dazu hätte er dann ja auch allen Grund“, sagte Frieda. „Aber ich schweige, wenn du dich an dein Versprechen hältst, wie ein Grab. Denk daran und benimm dich, wie es sich gehört.“

      Mit diesen Worten verließ sie das Ostensche Haus endgültig und marschierte zum Ostufer, wo sich Lüder und die anderen inzwischen versammelt und bewaffnet hatten. Sie warteten das Eintreffen des Lütt-Jehan-Bootes ab, das sich ihnen auf den Wogen schaukelnd näherte.

      Karl und Eberhard saßen achtern in dem Boot, Heino, Pit, Friedhelm und Brüne betätigten sich als Rudergasten. Als die Brandung die kleine Jolle emporhob und dem Strand entgegentrug, richtete Karl sich auf und rief: „Wir kommen als Freunde!“

      „Das wäre ja mal ganz was Neues!“ schrie Lüder zurück. „Aber ich habe kein Schiff gesichtet, das in die Passage segelt!“

      „Es gibt auch kein Schiff!“

      „Du willst mich also reinlegen, was?“ brüllte Lüder. „Nur zu, du alter Gauner, dann zeige ich dir, was ich von dir halte!“

      Eberhard schüttelte seinen Eichenholzstock und schrie: „Red doch keinen Mist, Lüder, laß uns erst mal vorbringen, was wir auf dem Herzen haben!“

      „Laßt sie landen“, sagte Lüder zu seinen Getreuen. „Aber wenn sie nur einen dummen Trick versuchen, hauen wir sofort auf sie ein. Hinters Licht führen, das lassen wir uns nicht.“

      Das Boot wurde in Empfang genommen und auf den Strand gezogen, die sechs Insassen stiegen aus. Eine Brandungswelle warf Eberhard fast um, er wurde von oben bis unten durchnäßt und fluchte fürchterlich. Die Groot-Jehans lachten schadenfroh. Karls Miene verfinsterte sich, und Lüder dachte: Jetzt geht’s wohl wirklich los.

      Aber Eberhard fuchtelte wieder mit seinem Stock herum und herrschte seine Gefolgschaft an: „Bleibt da ruhig stehen, ihr Heinis, jetzt rede ich!“ Er trat auf Lüder, Frieda, Willem, Gode, Jan und die anderen Norderney-Bewohner zu. „Das ist nämlich so. Bei uns ist ein Boot angespült worden. Es sieht ganz verdammt genauso aus wie Klusmeier sein Boot – und das ist der Beweis dafür,


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