Seewölfe Paket 16. Roy Palmer
Читать онлайн книгу.Lady“, sagte Hasard zu der blonden Herma mit den großen blauen Augen, die nicht aufhörte, ihn halb entsetzt, halb bewundernd zu mustern. „Ich bin Philip Hasard Killigrew, und dies sind meine Kameraden. Wir wollen dir nichts Böses antun und haben dich nur aus dem Wasser gezogen, damit du nicht ertrinkst. Es wäre denn doch zu schade um dich gewesen.“ Lächelnd blickte er zu Nils Larsen, der ebenfalls sehr froh über Hermas Rettung zu sein schien. „Übersetze das bitte, Nils.“
Nils gab sich alle Mühe, sich mit Herma zu verständigen. Sie lauschte ihm, nickte hin und wieder, stieß ein geseufztes „Oh“ und dann auch mal ein „Ach“ aus und setzte eine beinah andächtige Miene auf.
Wieder krachten die Kanonen der „Isabella“, dieses Mal waren es die schweren Stücke der Backbordseite. Dröhnend und wummernd rasten die Kugeln auf die Boote der Lütt-Jehans zu, und wieder hob es eine der Jollen wie durch Geisterhand hoch. Schreie gellten. Heino und Pit waren getroffen, Friedhelm und Brüne landeten im Wasser und klammerten sich an den Trümmern der ersten zerstörten Jolle fest. Eberhard und Karl lagen flach auf den Duchten ihres Bootes und verfolgten entsetzt, was geschah. Wie durch ein Wunder waren sie bisher verschont geblieben, aber sie hatten schon mehr als zehn Männer verloren.
Lüder Groot-Jehan sah, wie Gode und zwei andere seiner Sippe starben, und eine eisige Hand schien nach seinem Herzen zu greifen. Jetzt ist alles aus, dachte er.
Wieder krachten die Drehbassen der „Isabella“. Ben wollte die Kanonen der Steuerbordseite nicht gegen die Angreifer einsetzen, weil er fürchtete, das Boot des Seewolfs zu gefährden. Die viel kleineren Drehbassenkugeln lagen aber wieder im Ziel – noch ein Boot der Friesen kenterte und ging unter. Die Insassen versuchten, die übriggebliebenen Jollen zu erreichen.
Grete hatte sich inzwischen vom Strand erhoben und lief zu ihrer Mutter, die wie von Sinnen am Deich auf und ab rannte und schrille Schreie ausstieß.
„Mutter!“ rief Grete ihr zu. „Das muß ein Ende haben!“
Herma richtete sich zwischen den Duchten von Hasards Boot auf und blickte voll Grauen auf das Geschehen. Dann griff sie nach Hasards Hand.
„Vielen Dank für die Rettung“, sagte sie. „Und bitte – nicht mehr schießen.“
Nils dolmetschte wieder. Der Seewolf blickte zu den Booten der Friesen. Die Groot-Jehans hatten noch drei, die Lütt-Jehans nur noch zwei Boote.
Eberhard und Karl schickten sich bereits an, sich zurückzuziehen, sie begriffen, daß jede weitere Aktion sinnlos war. Lüder Groot-Jehan indes war von dem wilden Wunsch beseelt, wenigstens dem großen schwarzhaarigen Kerl, der der Kapitän der Engländer zu sein schien, alles heimzuzahlen. Schon hob er seine Muskete und richtete sie auf den Seewolf.
„Das Feuer einstellen!“ rief Hasard zur „Isabella“ hinüber.
„Aye, Sir!“ schrie Ben zurück. „Aber zieh den Kopf ein!“
Herma zerrte Hasard an der Hand zu sich herunter. Lüders Muskete krachte, die Kugel pfiff um etwa zwei Handspannen über Hasard weg. Carberry schrie: „Na warte, wenn ich dich erwische, du verfluchter Hund!“
Onno und Willem hatten die Jolle der Seewölfe erreicht. Onno versuchte, sich am Dollbord hochzuziehen und mit seinem Messer nach Hasards Beinen zu hacken, aber Roger Brighton hieb mit dem Riemen zu. Dan O’Flynn setzte Willem auf die gleiche Weise außer Gefecht.
„O Gott!“ stieß Herma hervor. „Nur das nicht!“
„Wer sind denn die Kerle?“ wollte Nils von ihr wissen.
„Der eine ist mein Mann“, sagte sie und begann zu jammern.
Hasard, Shane, Ed und Dan hatten zu den mitgebrachten Musketen und Tromblons gegriffen und schossen auf Lüder und dessen Kumpane. Damit hatten die Jehans nicht gerechnet. Sie stießen Flüche und entsetzte Rufe aus und duckten sich hinter das Dollbord.
Roger und Nils beugten sich weit aus dem Boot und zerrten Onno und Willem, die beide bewußtlos waren, zu sich heran, ehe diese ganz wegsinken konnten. Dann hievten sie sie in die Jolle.
Nils stand jetzt auf und rief den Friesen zu: „Wagt nicht, noch näher zu pullen! Wir haben drei Geiseln!“
„Lüder!“ schrie Frieda vom Ufer aus. „Aufhören! Dreh bei und kehr heim! Das ist ein Befehl!“
Endlich begriff Lüder, daß das Spiel aus war. Er ließ wenden und pullte mit seinen letzten Männern zum Ufer zurück. Mit gesenkten Häuptern landeten sie, stiegen an Land und schleppten ihre Verwundeten und die geretteten Schiffbrüchigen zu den wartenden Frauen.
Ben Brighton beobachtete alles, was geschah, mit scharfem Blick, und er ließ auch die Lütt-Jehans nicht aus den Augen, die inzwischen nach Baltrum zurückgekehrt waren.
Eberhard und Karl dachten jedoch nicht mehr an Gegenwehr. Sie traten vor Gerlinde und die anderen Frauen und Mädchen hin, die sie mit besorgten Gesichtern empfingen.
Es wurde eine Weile um die Opfer des kurzen Gefechts geweint, dann sagte Eberhard: „Schluß. Frieda hat recht, bei uns muß alles anders werden. Morgen schließen wir Frieden mit den Groot-Jehans, und ob wir uns wieder mit fremden Schiffsbesatzungen einlassen, muß gründlich geklärt werden. Mein Bedarf ist gedeckt, ich lebe lieber von der Fischerei und von der Gänse- und Entenjagd.“
Hasard gab seinem Ersten Offizier und Bootsmann ein Zeichen, dann ließ er anpullen, und sein Boot bewegte sich ebenfalls auf den Strand von Norderney zu. Ben und die Männer an Bord der „Isabella“ schnitten zwar verwunderte Mienen, aber Hasard hatte keine Bedenken, auf der Insel zu landen.
„Mach dir keine Sorgen“, sagte er zu Herma. „Wir bringen dich nach Hause.“
Sie seufzte wieder und dachte: Himmel, was für ein Mannsbild! Dann aber beugte sie sich mit kummervollem Gesicht über Onno und flüsterte: „Onno, sag doch was. Hast du Schmerzen? Oh, was haben wir beide bloß für ein Pech gehabt.“
Nils Larsen verstand jedes Wort. Er dachte sich dieses und jenes, grinste ein bißchen vor sich hin, äußerte sich aber nicht weiter zu dem, was sie sagte.
Knirschend schob sich der Bug der Jolle kurz darauf in den Sand von Norderney, die Brandungswellen setzten sie unerwartet sanft auf das Ufer. Die Seewölfe stiegen aus und schritten auf die wartende Gruppe zu, die sich auf dem Deich versammelt hatte. Ganz Norderney war zugegen – die Männer, die Frauen, die Mädchen, die Greise und die Kinder.
Als nur noch zehn Schritte die beiden Parteien voneinander trennten, ließ der Seewolf halten. Herma sah ihn von der Seite her an und fragte sich, was nun wohl geschehen würde. Onno war ins Bewußtsein zurückgekehrt und stützte sich auf ihren Arm. Willem, der auch wieder bei Bewußtsein war, wurde von Dan O’Flynn mit der Pistole in Schach gehalten.
„Nils“, sagte der Seewolf. „Du übersetzt bitte, was ich diesen Leuten mitzuteilen habe.“
„Aye, Sir.“
Hasard sah zu Lüder und zu Frieda und las den Haß in ihren Augen. Doch die anderen schienen ein wenig anders zu denken, sie blickten weniger angriffslustig drein.
„Wir könnten eure Häuser zusammenschießen“, sagte der Seewolf. „Aber darauf verzichten wir. Wir könnten die Geiseln mitnehmen und erst später irgendwo aussetzen, aber auch das tun wir nicht. Laßt euch das, was hier geschehen ist, eine Lehre sein.“
Nils übertrug jedes Wort ins Deutsche, und die Ostfriesen lauschten aufmerksam.
Friedas Züge entspannten sich ein wenig. Sie trat vor und erklärte: „Wir werden euch keine Schwierigkeiten mehr bereiten, wenn ihr Herma, Onno und Willem nur freigebt.“
Hasard nickte Herma Osten aufmunternd zu, und auch Onno und Willem durften zu den Ihren gehen. Keiner unternahm auch nur eine feindselige Geste – nur Lüder spielte plötzlich verrückt.
Er wollte sich auf Hasard stürzen.
„Du englischer Bastard!“ schrie er – und dieses Wort verstanden selbst