Seewölfe - Piraten der Weltmeere 74. Roy Palmer

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Seewölfe - Piraten der Weltmeere 74 - Roy Palmer


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      Luke wurde gegen das Schanzkleid geworfen. Hart schlug sein Rücken gegen die Kante der Handleiste. Er stöhnte auf und krümmte sich.

      Carberry war wieder bei ihm, so flink, so katzenhaft gewandt, wie es ihm nicht einmal die eigene Crew zugetraut hätte. Wieder landete er einen Hieb. Luke Morgan hörte Glokken dröhnen und glaubte, es würde ihm glatt die Brust zerreißen.

      „Aufhören“, japste er. „Das – das kannst du nicht tun …“

      „Ich kann noch viel mehr“, dröhnte Carberrys Baßstimme. „Du Mistfresser, dich hat wohl der Esel im Galopp verloren, was, wie? Was bildest du dir eigentlich ein, dich hier wie ein Irrer aufzuführen? Dir bring ich Vernunft bei und den anderen auch. Und wenn ich euch einzeln die Haut von euren verfluchten Affenärschen abziehen muß!“

      „Hau ihm die Hucke voll!“ rief Old O’Flynn. „Er hat’s verdient.“

      Luke Morgans Miene spiegelte plötzlich blankes Entsetzen. „Ed, tu das nicht. Schlag mich nicht tot …“

      Carberrys Faust sauste auf ihn zu. Luke versuchte auszuweichen, aber ihm fehlte es an Reaktionsschnelligkeit, und der Profos war schnell, unheimlich schnell. Der Hieb traf Lukes Kinn. In diesem Augenblick hatte der hitzköpfige Engländer das Gefühl, außenbords und in einen gähnenden schwarzen Schlund geschleudert zu werden, während Feuerblitze vor seinen Augen zuckten und etwas in seinem Schädel zu zerspringen schien.

      Luke Morgan sank schlaff am Schanzkleid zu Boden. Der alte O’Flynn johlte Beifall, Arwenack keckerte und klatschte in die Hände. Carberry wirbelte auf dem Stiefelabsatz herum. Das Haupt leicht gesenkt, das Rammkinn vorgestreckt, so stapfte er auf die Crew zu.

      Matt Davies hatte das Pech, gerade in seiner Nähe zu stehen. Der Profos holte aus. Matt duckte sich, aber die Ohrfeige erwischte ihn trotzdem. So wuchtig knallte sie gegen seinen Kopf, daß er umfiel und auf seinem Hintern landete.

      „Ihr Versager!“ brüllte Carberry. „Bastarde, Saftsäcke, Scheißkerle! Euch werde ich zeigen, wer hier den Ton angibt, ich bring euch die Flötentöne bei!“

      Er sagte ihnen die Meinung und prügelte dabei wie ein Berserker um sich. Bob Grey fing einen Hieb gegen die Schultern ein. Batuti empfing einen Tritt. Einen Moment sah es so aus, als würde sich die Crew auf ihren Profos stürzen, aber dann gaben die Männer doch klein bei.

      Carberry zog vom Leder, wie es noch keiner an Bord der „Isabella“ erlebt hatte. Zwischen einem Schlag und dem anderen machte er diesen „Hurenböcken‘ und „Kanalratten“ klar, was er von ihnen hielt. Und das wog weitaus schwerer als die ganze Prügelei. Denn dieses Mal war es dem Profos bitter ernst. Das war nicht die übliche Standpauke, das ewige Gemecker und Gefluche, das bei ihm dazugehörte wie das Salz in die Suppe.

      Nein: jedes Wort war Anklage und Urteil zugleich. Edwin Carberry behauptete seinen Stand, er war die Exekutive an Bord, und niemand durfte ihm auf die Füße treten. Gleichzeitig berief er sich auf den Moralkodex aller Korsaren. Was war das für eine Mannschaft, die nur an ihre eigenen Belange dachte, während der Kapitän und zwei andere mittendrin im schlimmsten Verdruß steckten!

      Na schön, der Aberglaube war in jedem Seemann tief verwurzelt. Den kriegte man aus ihm nicht ’raus. Und er war es eben, der die Seewölfe zu jenen Äußerungen verleitet hatte.

      Dennoch: „Ich treibe euch die Unkerei und das Gemotze aus, darauf könnt ihr euch verlassen, ihr Holzköpfe!“ schrie Carberry. Mit diesen Worten trieb er die Männer quer über die Kuhl. Jawohl, sie flüchteten, rasten die Niedergänge zur Back hinauf, verkrochen sich ins Vorschiff. Sie nahmen Reißaus, weil sie begriffen hatten, daß Widerstand gegen den tobenden Profos nur zum völligen Untergang führen konnte.

      Ein neuer Zeuge des Geschehens tauchte am Außenrand des Steuerbordschanzkleides auf. Es war der Boston-Mann, der soeben mit seinem Beiboot längsseits gegangen und aufgeentert war. Entsetzt verfolgte er, wie Carberry hinter seinen Männern herjagte und dem einen oder anderen einen Tritt in den Hintern verpaßte,

      Dann verhielt Carberry. Bis ins Vordeck oder auf die Back verfolgte er die Männer nicht. Er stand jetzt einfach nur noch da und stemmte die Fäuste in die Seiten. Sein Gesicht gewann allmählich die normale Färbung zurück.

      Sein Blick wanderte über Deck. Er wandte den Kopf und sah Dan ’Flynn und Arwenack, die sich vorsichtshalber über die Hauptwanten in den Großmars zurückzogen. Wenn sie auch klar für den Profos Partei ergriffen hatten, man wußte ja nicht, wo er noch hinschlug, wenn er so gewaltig unter Dampf stand.

      Carberry grinste hart. Sein Blick schweifte nach Steuerbord, erfaßte das Gesicht des Boston-Mannes und verharrte darauf.

      „Na, du Pflaume“, sagte er. „Auf was wartest du? Komm schon, hier beißt dich keiner.“

      Der Boston-Mann grinste jetzt auch. Er sah nach unten, stieß einen Pfiff aus und winkte seine Begleiter herauf. Wenig später hatten sie sich alle auf der Kuhl eingefunden, sieben Männer der Roten Korsarin, darunter auch Juan und Bill, the Deadhead, der Mann mit dem Totenkopf.

      „Alle Mann an Deck!“ rief der Profos.

      Die Seewölfe erschienen. Ihre betretenen Mienen glätteten sich etwas, als sie aus Carberrys Gesicht ablasen, daß der Sturm sich gelegt hatte.

      „Smoky“, sagte der Profos. „Ich hoffe, daß hier jetzt wieder alles klar ist.“

      Hasards Decksältester trat zwei Schritte vor. „Wir haben darüber gesprochen, Ed. Alles wieder in Ordnung. Und, ehern, ich glaube, Luke tut die Sache leid.“

      Damit war das Eis gebrochen. Es bedurfte keiner weiteren Worte über die Angelegenheit. Carberry sprach denn auch mit keiner Silbe mehr darüber. Luke Morgan war zu sich gekommen und hatte sich, wenn auch lädiert, der Gruppe auf Deck angeschlossen.

      „Boston-Mann und Juan“, sagte der Profos. „Schließt euch unserem Suchtrupp an. Wir müssen auf der Insel nach dem Seewolf, nach Siri-Tong und dem Wikinger forschen. Das hattet ihr doch auch vor, oder?“

      „Ja. Nur wollten wir uns vorher mit euch abstimmen“, erwiderte der Boston-Mann.

      „Wir nehmen am besten zwei Boote.“ Carberry wies auf das an Backbord liegende Beiboot der „Isabella“. „Luke und Batuti, ihr fiert den Kahn ab. Boston-Mann, Juan, Bill, ihr entert mit eurem kompletten Haufen wieder ab. Smoky, Batuti, Blacky, Luke, Matt und Shane, ihr stellt die Besatzung für mein Beiboot und den Trupp. Los, beeilt euch mit dem Abfieren und Abentern, oder soll ich euch Feuer unter euren Achtersteven machen?“

      Widerworte gab es nicht mehr.

      Luke Morgans Bedenken wegen des Jonas’ waren natürlich nicht ausgeräumt, aber er wagte nicht, wieder etwas davon zu sagen. Er murrte nur ein wenig, als er mit den anderen über die Jakobsleiter nach unten mußte. Carberrys Blick traf ihn, da verstummte er sofort wieder.

      Beide Boote bewegten sich kurz darauf auf das Ufer zu. Keine Skeletthand schob sich aus dem Wasser, um die Männer zu packen und in die Tiefe zu reißen. Die Gespenster, die die Crew schon überall gesehen hatten, erwiesen sich eben doch nur als der reine Mummenschanz.

      Die dunklen, verwüsteten Felsen der Insel entboten einen finsteren Gruß. Die tödliche Drohung, von der Stille noch unterstrichen, wich nicht, sie wuchs mit jedem Yard, den sich die Boote dem Strand näherten.

      Carberry und die anderen spürten es. Ihre Nervosität wuchs. Sie konnten ihre Gefühle einfach nicht ignorieren und abwerfen. Die Stimmung war deshalb alles andere als rosig, als sie sich an den beschwerlichen Aufstieg machten.

      Sie quälten sich die Felsen hoch, denn der Pfad war von den Wassermassen ebenfalls zerstört worden.

      Weit oben schwärmten sie aus. Von Hasard, Siri-Tong und Thorfin Njal war trotz allen Rufens und Fahndens aber nach wie vor nichts zu entdecken.

      Batuti war es schließlich, der durch seinen Schrei die anderen alarmierte. Es dauerte eine Weile, bis sie sich an dem Standort des Gambia-Negers getroffen hatten. Sie scharten sich um ihn und schauten bestürzt auf das, was er ihnen durch


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