Seewölfe - Piraten der Weltmeere 361. Roy Palmer

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Seewölfe - Piraten der Weltmeere 361 - Roy Palmer


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bleibt uns anderes übrig?“

      Schon kurze Zeit später gab es eine Überraschung. Raschelnde und knackende Laute im Unterholz verkündeten, daß sich jemand dem Fluß näherte. Die Männer duckten sich hinter das Schanzkleid und hielten ihre Musketen feuerbereit. Kein Wort wurde gesprochen oder auch nur geflüstert, es herrschte Totenstille. Von der „Le Vengeur III.“ war nicht einmal der Bugspriet zu sehen, sie lag sicher in ihrem Versteck und war für Außenstehende unsichtbar.

      „He!“ zischte eine Stimme am Ufer. „Jean, Siri-Tong!“

      „Wer da?“ fragte Ribault.

      „Rivero. Die Parole lautet Arwenack.“

      Die Männer an Bord atmeten auf.

      „Ihr habt uns einen ganz schönen Schrecken eingejagt“, sagte Jenkins und erhob sich neben dem Geschütz, an dem er gekauert hatte. „Was ist los? Warum seid ihr so schnell zurückgekehrt?“

      „Wir bringen jemanden mit“, entgegnete Carlos Rivero und zerrte einen zitternden, Unverständliches vor sich hinstammelnden Mann aus dem Gebüsch zu sich heran. „Er heißt Hinkle.“

      „Ach du liebe Güte!“ stieß Ribault hervor. „Der Schwerhörige! Was sollen wir denn mit dem anfangen?“

      „Er hat uns einiges zu berichten“, erwiderte der Spanier grimmig. Dann schickte er sich an, mit dem verstörten Hinkle, mit Doc Delon, Marty und dem zehnköpfigen Kommando an Bord zurückzukehren.

       2.

      Jaime Cerrana und eine Handvoll seiner Kerle hatten mit dem Boot der „Aguila“ an Land übersetzen wollen. Die Queen hatte sie zurück an Bord der Galeone geschickt. Es war taktisch nicht klug, die Spanier mitzunehmen. Wenn versprengte Siedler aus dem Busch auftauchten und auch nur ein einziges spanisches Wort vernahmen, konnte das zu unerwünschten Zwischenfällen führen. Ein solches Mißverständnis vermochte keiner rechtzeitig genug zu klären, deshalb mußte von vornherein verhindert werden, daß es böses Blut gab.

      Grenzenlos war der Haß der Siedler von El Triunfo auf die Spanier. Es würde ohnehin einige Zeit dauern, bis die Queen und Caligula sie davon überzeugt hatten, daß von den Männern der „Aguila“ keine Gefahr drohte.

      Die Black Queen verließ ihr Boot, das sich soeben auf den Sand des Ufers geschoben hatte. Caligula, Willem Tomdijk, Emile Boussac und sechs Piraten der „Caribian Queen“ folgten ihr. Ihr Weg führte von diesem etwas abgelegenen Landeplatz zum Zentrum der Siedlung. Die Queen war fest davon überzeugt, ihre Gefolgschaft doch noch vergrößern zu können. Sie wollte in El Triunfo und Umgebung nach Überlebenden forschen.

      Plötzlich war eine Bewegung im Dickicht – nur zwei Yards von der Black Queen entfernt. Eine Gestalt löste sich aus dem Dunkel und flog mit einem gewaltigen Satz auf die Queen zu. Die Klinge eines hoch erhobenen Messers blinkte im Mondlicht auf. Caligula stieß noch einen Warnlaut aus, aber es schien zu spät zu sein – die Queen konnte nicht mehr ausweichen.

      Willem gab ein entsetztes Keuchen von sich, Emile warf sich zu Boden. Die Piraten griffen zu den Waffen. Aber Rodrigo Alba Villas war bei der Queen und warf sie zu Boden. Zweimal stach er mit dem Messer zu, aber sie drehte sich wie eine Schlange unter ihm weg und entging den tödlichen Stößen. Dann riß sie ihr Knie hoch, kriegte etwas Luft und rollte sich zur Seite.

      Er folgte ihr, stieß eine Verwünschung aus und versuchte, sie durch hackende Messerhiebe zu treffen. Ihr Fuß schnellte vor, traf seine Schulter und warf ihn zurück. Blitzschnell war sie auf den Beinen, zückte ihren Säbel und führte drei wilde Streiche. Sie trafen den Spanier voll. Mit einem gurgelnden Laut sank er auf den Strand.

      Willem stöhnte, schlug beide Hände vor die Augen und mußte sich abwenden. Emile war kaum besser zumute. Caligula trat neben die Queen, gefolgt von den Kerlen, und wollte, ebenfalls mit seinem Säbel zustechen. Aber sie legte ihm die Hand auf den Unterarm.

      „Das ist nicht mehr nötig“, sagte sie. „Was ich tue, das tue ich gründlich.“

      Sie beugte sich über den sterbenden Mann. Er wollte die Faust gegen sie erheben, doch die Kraft wich aus seinem Körper. Er konnte kaum noch die Lippen bewegen.

      „Schwarze Teufelin“, murmelte er. „Ich verfluche dich. Fahr zur Hölle.“

      „Leider kann ich deinen Wunsch nicht erfüllen“, sagte sie kalt. „Wer bist du? Der Kapitän der ‚Bizarria‘?“

      „Ja. Rodrigo – Alba Villas.“

      „Ich wünsche dir eine angenehme Reise ins Fegefeuer.“

      „Meine Landsleute – werden dich hetzen – bis ans Ende der Welt“, flüsterte er. „Was du getan hast – bleibt nicht ungesühnt.“

      „Ich warte auf sie“, sagte die Queen. „Jedem Hundesohn von einem Don, der meinen Kurs kreuzt, ergeht es so wie dir und deinen Leuten.“ Sie stand über ihm und stemmte, nachdem sie den Säbel wieder weggesteckt hatte, die Fäuste in die Seiten. Ihr gemeines, hartes Lachen war das letzte, was Rodrigo Alba Villas vernahm.

      Willem Tomdijk hatte sich erhoben. Der Schock ließ nach, er konnte wieder klar denken und erlangte seine Fassung wieder. Allerdings verkannte er die Lage.

      „Herr Kapitän!“ stieß er entrüstet hervor. „Glauben Sie nicht, daß Sie so mit uns reden können! Sie vergessen, daß Sie und Ihre Landsleute es gewesen sind, die El Triunfo hinterhältig angegriffen haben! Hiermit verhafte ich Sie und erkläre Sie zu meinem Gefangenen! Ich bin der Bürgermeister und habe die. Vollmacht …“

      Der Rest blieb ihm im wahrsten Sinne des Wortes im Hals stecken. Er war etwas näher an den Spanier herangetreten, um ihn besser erkennen zu können. Jetzt sah er die toten Augen, die blicklos in den Abendhimmel gerichtet waren. Er verschluckte sich und begann zu husten.

      „Wie furchtbar das alles ist“, sagte Emile Boussac.

      „Nimm es nicht so schwer, Willem“, sagte die Queen mit einem spöttischen Seitenblick auf den Dicken. „Er hat deine Worte nicht mehr gehört. Mal sehen, vielleicht finden wir ja noch jemanden, der ein wenig aufmerksamer ist und dir gegenüber mehr Respekt zeigt.“

      Die Kerle lachten, dann packten sie den Toten an den Armen und Beinen und schleppten ihn ins Dickicht. Die Black Queen schritt weiter, erreichte die zerstörte Siedlung und blieb zwischen der ehemaligen spanischen Mission und der Kommandantur stehen. Aus schmalen, mißtrauischen Augen hielt sie nach allen Seiten Ausschau, während Caligula und die Kerle damit begannen, die Trümmer nach Überlebenden abzusuchen.

      Willem sank auf die Knie und schlug verzweifelt die Hände zusammen.

      „Du lieber Gott“, begann er zu jammern. „Das darf nicht wahr sein! Mein schönes Heim! Meine schöne Brauerei! Alles kaputt! Oh, was habe ich nur verbrochen, daß ich so bestraft werde?“

      „Fängst du schon wieder an?“ sagte die Queen verächtlich. „Langsam wird mir das zu bunt. Reiß dich zusammen, Mann. Das Jammern nutzt dir nichts.“

      Willem hörte überhaupt nicht hin, ebensowenig vernahm er die höhnischen Äußerungen der Piraten. Er war viel zu sehr mit sich, seinem Kummer und seinem unendlichen Selbstmitleid beschäftigt. Auf den Knien rutschte er zwischen den letzten Steinen der Mission herum und rang die Hände.

      Emile Boussac klagte theatralisch und mit südländischem Temperament. „Dieses Elend! Was soll aus mir werden? Alle meine Pläne sind zunichte! Ich werde nie mehr lachen, nie mehr glücklich sein! Meine Schenke, meine Räume, mein Wein – alles dahin! Mon Dieu, was für eine Tragödie!“

      „Queen“, sagte Caligula. „Soll ich den beiden das Maul stopfen?“

      „Laß es sein“, erwiderte sie. „Sie beruhigen sich von selbst. Wegen des Bieres und des Weines tut es mir ja auch leid, was geschehen ist.“

      „Und wegen des Schatzes, der im Keller der Mission lag, nicht wahr?“ sagte er leise und lachte.


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