Seewölfe - Piraten der Weltmeere 52. Burt Frederick

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Seewölfe - Piraten der Weltmeere 52 - Burt Frederick


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John grollend.

      Rory O’Connor war ein rothaariger Mann, drahtig und von fast zwergenhaftem Wuchs. Sein von Falten übersätes Gesicht, das sonst füchsische List ausdrückte, spiegelte in diesem Moment grenzenlose Verblüffung. Im Gegensatz zu den beiden bulligen Killigrews mit ihren hohen Stulpenstiefeln und den derben Lederwesten wirkte O’Connor in seinem maßgeschneiderten dunklen Stadtanzug wie ein Gnom.

      „Killigrew“, sagte er leise und ungläubig, als müsse er erst den Namen aussprechen, um die Wirklichkeit zu verdauen.

      „Ich denke, ich brauche dich nicht auf meinen Titel hinzuweisen, O’Connor“, fuhr Sir John ihn polternd an.

      Der Ire verzog das Faltengesicht, legte einen Federkiel beiseite und blickte den Generalkapitän über das Stehpult weg an.

      „Sir John Killigrew“, sagte er gedehnt. „O ja, ich erinnere mich gut an Sie. Sie haben sich kaum verändert.“

      „Im Gegensatz zu dir, O’Connor“, antwortete Sir John grinsend. „Du bist verdammt alt geworden.“

      Der Werftbesitzer schluckte es, ohne mit der Wimper zu zucken.

      „Darf ich den Grund Ihres Besuchs erfahren, Sir John?“

      „Ich wiederhole mich nicht gern, O’Connor. Schick deinen Schreiberling ’raus.“

      „Schon gut, schon gut.“ O’Connor nickte geduldig. „Laß uns allein, Chauncey. Sie draußen nach, wie weit sie mit der Barke sind.“

      „Jawohl, Sir, selbstverständlich, Sir“, sagte der Kontorgehilfe, ein blaßhäutiger Mensch mit strähnigem rotblondem Haar. Mit einer Serie von Verbeugungen schob er sich an den beiden Killigrews vorbei und schlüpfte hinaus.

      Simon Llewellyn stieß die Tür zu, und abermals gab es ein dumpfes Krachen.

      Sir John ging mit harten Schritten auf den Werftbesitzer zu und schob die Unterarme auf das Stehpult, an dem eben noch der Gehilfe gearbeitet hatte. Scheinbar beiläufig warf der alte Killigrew einen anerkennenden Blick auf die Kontobücher mit den langen Zahlenkolonnen.

      „Scheint so, als ob du dich über deine Geschäfte nicht beklagen kannst, O’Connor.“

      „Nein, allerdings nicht“, erwiderte der Ire beherrscht. „Was hat das mit Ihrem Besuch zu tun, Sir John?“

      Der alte Killigrew winkte lachend ab. Sein Lachen war so unecht wie sein freundlicher Gesichtsausdruck.

      „Oh, nichts, gar nichts, O’Connor. Ich bin hier, um mit dir über alte Zeiten zu reden.“

      Simon Llewellyn, der bei der Tür wartete, verzog sein Ferkelgesicht zu einem Feixen.

      „Es sind etliche Jahre vergangen, seit wir uns zuletzt gesehen haben“, sagte O’Connor nachdenklich. „Warten Sie, das war …“

      „Fünfzehnhundertsechsundfünfzig“, fiel ihm Sir John ins Wort und beugte sich weiter vor. „Erinnerst du dich an unser kleines Geschäft, das wir damals abgeschlossen haben?“

      „Aber ja, Sir John. Sie meinen die Hansekogge, die ‚Wappen von Wismar‘. Damals war es ein brauchbares Schiff, und ich bedaure unseren Handel nicht. Aber heute ist mit dem alten Kahn nicht mehr viel los. Die Kogge liegt schon seit einem Jahr bei mir in der Werft zum Abwracken. Aber Sie wissen, wie das ist. Arbeiten, die nicht unbedingt an einen Termin gebunden sind, muß man immer wieder wegen dringlicher Dinge verschieben. Auf jeden Fall ist die Kogge nicht mehr zu retten. Im Rumpf sitzt der Bohrwurm. Sobald es unser Arbeitsplan zuläßt, werde ich diesen Schandfleck von der Werft verschwinden lassen.“

      „Aber unser Geschäft von damals hat sich gelohnt?“ fragte Sir John lauernd.

      O’Connor runzelte mißtrauisch die Stirn. Er kannte den alten Killigrew, und er kannte auch die Geschichten, die über dieses Schlitzohr verbreitet wurden, das sich Generalkapitän von Cornwall nennen durfte. Es war keine große gedankliche Anstrengung notwendig, um zu vermuten, daß Sir John keineswegs mit lauteren Absichten Belfast angelaufen hatte.

      „Wie meinen Sie das?“ konterte der Ire mit einer Gegenfrage.

      Sir John hob die schaufelförmigen Hände ein Stück und ließ sie flach auf die Platte des Pults klatschen.

      „Nun – wie man so gehört hat, hast du die Kogge im Laufe der Jahre an verschiedene Kapitäne verchartert und damit einen anständigen Batzen Geld eingesackt.“

      O’Connor winkte ab und lachte unsicher.

      „Die Leute reden viel, und sie übertreiben leicht. Ich habe mit der Kogge mein Auskommen gehabt, aber es war nicht überwältigend.“

      „Soso“, sagte Sir John mit nachdenklichem Nicken. „Du hast dein Auskommen gehabt. Soll ich dir was sagen? Mir hat dieser verdammte deutsche Waschzuber nichts als Ärger bereitet.“

      Der Ire blinzelte verwirrt.

      „Verzeihung, Sir John, aber das verstehe ich nicht. Ich hatte doch die Kogge und …“

      Der alte Killigrew schnitt ihm mit einer Handbewegung das Wort ab.

      „Schluß mit der langen Vorrede, O’Connor. Ich habe dir damals die Kogge für achthundert Pfund verkauft. Leider hat es sich gezeigt, daß es für mich ein schlechtes Geschäft war. Ich will sagen, daß du mich absichtlich ’reingelegt hast. Aber es ist nicht mehr als recht und billig, wenn ich heute Schadenersatz verlange. Achthundert Pfund, O’Connor. Rück das Geld ’raus, und wir trennen uns als gute Freunde.“

      Der Ire erbleichte. Er glaubte, seinen Ohren nicht trauen zu können. Die offensichtlich wirren Gedankengänge des alten Schlitzohrs aus Cornwall waren ihm mehr als unverständlich.

      Selbst wenn O’Connor sich angestrengt hätte, wäre es ihm kaum gelungen, diese Gedankengänge zu entschlüsseln. Denn der Ire kannte die Hintergründe nicht, die Sir John bewegt hatten, hier in Belfast seine sogenannte Schadenersatzforderung zu stellen.

      Der alte Killigrew hatte es noch immer nicht verkraftet, daß Hasard, dieser dreimal verdammte Bastard, vor einem Monat wie ein Ungewitter mit seinen Leuten in der Feste Arwenack eingedrungen war und ihm haargenau jene achthundert Pfund abgenommen hatte, die Sir John seinerzeit für den Verkauf der Hansekogge erhalten hatte.

      Der überraschende Schachzug des verdammten Bastards hatte Sir John dazu gebracht, sich an O’Connor schadlos zu halten. Dem alten Killigrew erschien dies als absolut folgerichtig und logisch. Denn soviel stand für ihn fest: Der Bastard Hasard, der als Kleinkind auf der „Wappen von Wismar“ gefunden worden war, hatte ihm derart viel Ärger bereitet, daß er sich dafür rächen mußte. Und weil die elende Kogge nun einmal die Wurzel allen Übels war, war Sir John zu der Meinung gelangt, daß er damals, im Jahre 1556, zu wenig Geld für die Kogge erhalten hatte. Und genau betrachtet, war die „Wappen von Wismar“ seinerzeit wirklich mehr wert gewesen als läppische achthundert Pfund.

      „Das – das kann nicht Ihr Ernst sein, Sir John“, stammelte Rory O’Connor fassungslos. „Wie können Sie von mir verlangen, daß ich noch einmal zahlen soll, was längst beglichen ist? Die Kogge ist heute nichts mehr wert. Soll ich etwa für einen morschen Holzhaufen achthundert Pfund berappen?“

      „Allerdings“, sagte der alte Killigrew knurrend.

      Mit zwei, drei blitzschnellen Schritten umrundete er die Stehpulte und packte O’Connor am Kragen, bevor der Ire ausweichen konnte. O’Connor hatte der Körperkraft Sir Johns nicht das Geringste entgegenzusetzen. Hilflos zappelte er im brutalen Griff des bulligen Mannes.

      „Loslassen“, keuchte O’Connor und wand sich vergeblich. „Ich warne Sie, Sir John. Meine Männer …“

      „… werden keinen Finger rühren“, sagte der alte Killigrew höhnisch und zog den Iren näher zu sich heran. „Ich habe draußen einen Teil meiner Crew aufziehen lassen. Die Jungens werden deine Bastarde mit Blei spicken, wenn sie es wagen sollten, frech zu werden. Also was ist, O’Connor? Zahlst du freiwillig? Ich habe keine Lust, meine Zeit mit stundenlangem Geschwätz zu verplempern.“


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