Seewölfe - Piraten der Weltmeere 42. Roy Palmer

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Seewölfe - Piraten der Weltmeere 42 - Roy Palmer


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Die Seewolf-Crew wurde ihrer letzten Zweifel an der Identität dieses Mannes enthoben, als jemand neben ihm auftauchte – ein zweiter Bulle von Mann, verschwitzt, mit rotem Gesicht, roten Haaren und aufgeworfenen Lippen.

      Hasard ächzte. „John Malcolm Killigrew, mein verehrter Bruder. Das haut doch wirklich dem Faß den Boden aus.“

      „Dieses Ferkelgesicht“, stieß Carberry hervor. „Was, wie, ausgerechnet diesen beiden Scheißkerlen mußten wir unter die Arme greifen?“

      „O verdammt!“ brüllte Big Old Shane aus dem Vormars. „Ich würde mir am liebsten in den Hintern beißen.“

      „Ich auch“, sagte der alte O’Flynn erbittert.

      „Hört bloß auf“, versetzte der Seewolf. „Mir ist zum Kotzen zumute.“

      „Wir hauen einfach ab und überlassen diese Schweinepriester ihrem Schicksal“, schlug der Profos vor.

      Hasard wies nach Nordwesten, und Carberry begriff die Absurdität seiner Forderung. Die beiden Karavellen hatten südöstlichen Kurs genommen, segelten dicht hintereinander gestaffelt und schickten sich an, ihnen den Weg abzuschneiden. Die Spanier gingen aufs Ganze. Die dritte Galeere zog ebenfalls mit. Es waren drei ramponierte, aber durchaus noch aktionsfähige Gegner.

      „Ich wäre ein Lump, wenn ich jetzt kneifen würde“, sagte Hasard.

      Drüben auf der anderen Galeone reckte Sir John jetzt den Hals. Er hob beide Hände und winkte. Und dann bogen er und sein mißratener Sproß John Malcolm sich vor Lachen, denn sie hatten ebenfalls begriffen, mit wem sie es zu tun hatten.

      Die „Isabella V.“ segelte an der Killigrew-Galeone vorüber. Bei steifem Backstagswind nahm sie schnell Fahrt auf. Hasard ließ erst die beiden zerstörten Galeeren vorbei, dann gab er den Befehl zum Anluven. Die Geschütze waren wieder geladen. Er erteilte ein Zeichen. Die Steuerbordbreitseite donnerte. Ein zwölffacher Gluthauch huschte auf die Verfolger-Galeere zu. Es genügte, um sie auszuschalten.

      Hasard wartete auf die Karavellen. Den Besatzungen war es gelungen, das Feuer in den Takelagen teilweise zu löschen. Sie rüsteten zum Duell, und Hasard ließ sie ruhig heran. Er hatte keine Hast. Der größte Fehler war es, vorzeitig den Feuerbefehl zu geben.

      Der Kapitän der ersten Karavelle beging diesen Fehler. Er hatte offensichtlich die Nerven verloren. In einer erbitterten Attacke wollte er den tolldreisten Gegner abwimmeln, doch seiner Steuerbordbreitseite mangelte es wieder an der nötigen Präzision. Hasard ließ den Geschützböller verebben und den Pulverqualm verfliegen, dann schickte er ihm die halbe Backbordbreitseite hinüber. Auf der Karavelle ging der Großmast in Höhe der Großrah in die Brüche, zur selben Zeit war ein Treffer in der Bordwand knapp oberhalb der Wasserlinie zu verzeichnen.

      „Sieg!“ schrie Al Conroy. „Wir haben ihm ein Ding verbraten, von dem er sich nicht wieder erholt. Seht doch!“

      In der Tat, das Schicksal der Karavelle war besiegelt. Krachend schlug der obere Teil des Großmastes auf Deck nieder. Das Gewirr aus Spieren, Segeltuch, Fallen, Wanten, Schoten, Brassen und Stengen begrub einen Teil der Mannschaft, rutschte nach Steuerbord und hing schließlich über. Die Karavelle krängte gefährlich, Wasser trat in das Loch in der Bordwand.

      „Schlagen wir uns zum letztenmal in die Schanze!“ rief Hasard. „Laßt den fünften Don aufrücken, dann zeigen wir ihm die Krallen. Matt, was für ein Geschoß hast du in deinem 17-Pfünder?“

      „Stabkugel“, meldete Matt lakonisch.

      „Setze sie ihm mittschiffs in die Laderäume, dann haben wir ihn ein für allemal vom Hals.“

      „Aye, aye, Sir.“

      Etwas mehr als eine Minute verstrich. Der letzte Gegner steckte nicht auf. Er bewies Mut und Geschick. Sein Kapitän war derjenige, den Hasard von Anfang an am meisten im Auge behalten hatte – ein Mann, der seine Ehre zu verteidigen hatte. Wieder bewies er Besonnenheit. Trotz der heiklen Lage auf seinem Schiff ließ er sich zu keiner voreiligen Aktion hinreißen. Er segelte so weit wie möglich auf die „Isabella“ zu. Dann erfolgten die Geschützdonner beider Schiffe fast gleichzeitig.

      Einige Geschosse des Gegners waren gut gezielt. Eine Kugel riß eine Bresche ins Backbordschanzkleid der „Isabella“ und heulte dann quer über die Kuhl. Nur der Geistesgegenwart der Männer war es zu verdanken, daß es zu keinem Blutbad kam. Flach wie die Flundern preßten sie sich auf die Planken. Die Kanonenkugel fegte über sie weg. Manch einer schickte in diesem Augenblick ein stilles Stoßgebet zum Himmel. Geflucht wurde erst anschließend, als das Geschoß über die Steuerbordreling hinaus war und sich in der Ferne verlor. Die Männer hatten den Schreck überwunden und sahen zu, was sich auf der spanischen Karavelle zutrug.

      Die letzte halbe Breitseite der „Isabella“ traf das Gegnerschiff voll. Auch die Drehbassen auf der Back von Hasards Galeone spuckten nun Eisen, Feuer und Verderben. Batuti und Shane schossen ihre Pfeile in das Chaos aus Feuer und Rauch. Aber dann duckten sie sich, auf der Kuhl und den anderen Decks suchten die Männer Deckung.

      Matt Davies’ Stabkugel hatte ihr Ziel gefunden.

      Der Stab war mit brennendem Material gefüllt. Der geringste Funke beim Aufprall genügte, um diesen Zunder in Brand zu setzen. Und Matt mußte aus purem Zufall die Pulverkammer der Karavelle erwischt haben. Die Wirkung war verheerend.

      Eine Stichflamme stob aus der Karavelle hoch, dann wirbelten die Trümmer durch die Luft, und unter heftiger Rauchentwicklung jagte die Druckwelle auf die „Isabella V.“ zu. Beide Schiffe lagen zu diesem Zeitpunkt nur noch etwas mehr als eine Kabellänge voneinander entfernt. Hasard und seine Männer hatten den Eindruck, die Karavelle würde von einer Gigantenfaust aus der See gehoben und dann zerrissen. Der Luftdruck erreichte die „Isabella“ und rüttelte an ihr.

      Der Seewolf kauerte hinter dem Backbordschanzkleid des Quarterdecks. Er wartete den ersten Schub heißer Luft ab, dann hob der den Kieker, um zur Karavelle hinüberzuspähen. Ben Brighton und Ferris Tucker befanden sich oberhalb des Niederganges auf dem Achterdeck, Karl von Hutten, der Profos und der alte O’Flynn auf dem Quarterdeck, als es geschah. Auch Pete Ballie wurde Zeuge des Vorfalls.

      Eine halbe Rah, wahrscheinlich vom Großmast der Karavelle, segelte in rasender Geschwindigkeit heran. Sie sauste schräg von oben herab auf den Seewolf zu. Ben Brighton und Karl von Hutten stießen noch Warnrufe aus, aber es war zu spät.

      Die schwere Spiere schlug Hasard gegen den Kopf.

      Er kippte hintenüber. Der Kieker entglitt seinen Händen. Alle sahen, wie er fiel und reglos liegenblieb. Die Rah rollte von seinem Körper ab und polterte auf Deck. Ein einziger Aufschrei der Männer stieg in den Himmel.

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