Seewölfe Paket 18. Roy Palmer
Читать онлайн книгу.– das war die Insel, die sie haben mußte, von der aus sie die ganze Karibik beherrschen würde!
Die Black Queen gab sich keinen Illusionen hin – diese Insel war befestigt. Es würde nicht ratsam sein, zu dicht heranzusegeln. Sie winkte Caligula zu sich heran, nachdem sie einen letzten Blick auf das tintenschwarze Wasser vor dem unheimlichen Felsendom geworfen hatte.
„Segel bergen lassen, Caligula“, sagte sie. „Ankertiefe ausloten lassen. Hier dürften wir noch Ankergrund finden, dort vorne aber, wo das Wasser dunkel ist wie die Nacht, mit Sicherheit nicht. Beeil dich, Caligula, und vergewissere dich, daß der Anker gut faßt, denn es soll merkwürdige Strömungen vor dieser Insel geben. Merkwürdig und gefährlich!“
Caligula nickte. Er gab umgehend die notwendigen Befehle, und die Piraten enterten sofort auf, während eine andere Gruppe ans Ankerspill stürzte.
Dann aber wandte sich Caligula an die Rote Korsarin. Höhnisch blickte er sie an.
„Du hast wohl geglaubt, wir wären so dumm wie dieser Don Bosco, was? Sicher, eines Tages segeln wir durch diesen Dom dort hindurch, aber dann sind wir die Herren auf eurer Insel. Heute haben wir etwas anderes vor. Mal sehen, wie das Spielchen läuft, oder ob du am Ende dort oben an der Großrah baumelst, wenn ich nicht noch eine ganz andere, bessere Verwendung für dich habe!“
Caligula lachte dröhnend, aber die Rote Korsarin ignorierte ihn zu seinem Ärger völlig. Nur einmal, bei seiner letzten Bemerkung, blitzten ihn ihre dunklen Augen an. Es war ein Blick, unter dem er zusammenzuckte, wie unter einem Peitschenhieb, und der ihn ahnen ließ, wie unversöhnlich der Haß war, den er bei Siri-Tong geschürt hatte.
Der Anker rauschte aus – und die Black Queen hatte Glück. Sie erwischte noch festen Ankergrund, bevor sich der Meeresboden rings um die Schlangeninsel in unauslotbare Tiefen absenkte.
Das war der Moment, in dem die Schaluppe mit dem Boston-Mann im gähnenden Schlund des Felsendoms erschien. Wie eine Nußschale wirkte sie – aber trotzdem reagierte die Black Queen sofort. Sie gab Caligula ein Zeichen, und der verstand sie sofort und enterte zum Hauptdeck ab. Dort verschwand er in einem der Niedergänge, die zum unteren Geschützdeck hinabführten.
Siri-Tong preßte die Lippen zusammen, und Araua, die zwar gefesselt war, jedoch einige Bewegungsfreiheit besaß, tauschte mit ihr einen raschen Blick. Arkana, ihre Mutter, lag wie die anderen auf dem Hauptdeck, an Händen und Füßen gebunden.
Der Boston-Mann segelte näher heran. Siri-Tong, die vom Achterdeck der Galeone alles genau erkennen konnte, sah, wie er zusammenzuckte, denn er hatte sie erkannt. Ihre schlanke Gestalt mit der roten Bluse und den blauen Leinenhosen hob sich deutlich genug dazu vom Besanmast der „Caribian Queen“ ab.
Doch dann zuckte auch die Rote Korsarin zusammen. Sie hörte, wie die Geschützpforten des unteren Geschützdecks aufflogen und die schweren Kanonen ausgerannt wurden. Gleich darauf rollte der Donner einer Breitseite über die See. Lange Mündungsfeuer fuhren aus den Schlünden der 20-Pfünder hervor und dichter Pulverqualm wölkte auf.
Die Kugeln trafen nicht, denn die Schaluppe des Boston-Mannes befand sich außerhalb der Reichweite der Kanonen der „Caribian Queen“. Aber trotzdem schossen die Fontänen der einschlagenden neun 20-Pfünder doch schon bedenklich nahe an der Schaluppe aus der See.
Der Boston-Mann stieß einen ellenlangen Fluch aus, bei ihm eine Seltenheit: Aber er drehte nicht um und segelte nicht zurück. Er starrte zu der fremden Galeone hinüber und immer wieder zu jener Gestalt, die man auf diesem Schiff an den Besanmast gefesselt hatte, und von der er wußte, daß es die Rote Korsarin war.
„Da ist eine ganz verdammte Menge schiefgegangen, Arne“, sagte er zum Vetter des Seewolfs, der dem Seewolf fast wie ein Zwillingsbruder im Äußeren glich. „Aber warum verschwendet man eine ganze Breitseite auf uns, ganz abgesehen davon, daß man uns doch nicht für so dumm halten sollte, daß wir bis auf Schußentfernung heransegeln!“
Der Boston-Mann war wütend – und Arne von Manteuffel packte auch der Zorn.
„Wir müssen Siri-Tong da rausholen!“ sagte er. „Aber ich fürchte, sie haben Siri-Tong nicht allein. Du hast recht, Boston-Mann, da muß wirklich der Satan seine Hand im Spiel gehabt haben!“
Wieder blickten sie zur „Caribian Queen“ hinüber – und in diesem Augenblick zeigte sich die Black Queen am Schanzkleid ihrer Galeone.
Auch sie war zornig, daß ihre Breitseite auf diese Kerle da offenbar nicht den geringsten Eindruck gemacht hatte, und deshalb griff sie zu einem anderen Mittel.
„Die sollen das Winseln schon noch lernen, Caligula. Los, hoch mit den Gefangenen. Stellt sie auf das Schanzkleid, damit sie zu sehen sind. Aber laßt mir keinen entwischen, haltet sie fest und sichert vor allem diese Hohepriesterin der Araukaner mit einem Tau. Der traue ich alles zu. Auch diesen Riesen da, das ist ein gefährlicher Bursche!“ Sie zeigte auf Barba.
Die Männer führten ihren Befehl prompt aus, und wenige Augenblicke später standen alle Gefangenen in langer Reihe auf dem Schanzkleid des Haupt- und Achterdecks.
Und diesmal verfehlte die Aktion der Black Queen ihre Wirkung nicht. Denn Arne von Manteuffel und sogar der Boston-Mann erbleichten bis unter die Haarwurzeln. Eine Weile verschlug ihnen der Anblick, der sich ihren Augen bot, glatt die Sprache. Dann begann der Boston-Mann erbittert zu fluchen, und die Rote Korsarin hörte seine Flüche noch am Besanmast.
„Bei allen Teufeln der Hölle“, sagte Arne von Manteuffel und kniff die Augen ungläubig zusammen, „sie haben die Rote Korsarin, Arkana, Araua, die Schlangenkriegerinnen und einen großen Teil der Crew von ‚Roter Drache‘ als Gefangene! Da muß sich ein Drama abgespielt haben, denn weder Arkana, noch Siri-Tong noch Barba lassen sich so mir nichts dir nichts fangen …“
Der Boston-Mann nickte düster.
„Sie haben sie, und sie werden sie als Geiseln benützen. Das ist sicher, und keiner ist hier, der uns gegen diese verfluchte Piratin helfen kann. Wir haben es mit der ‚Black Queen‘ zu tun, Arne. Man hat mir dieses pechschwarze Satansweib auf Tortuga beschrieben. Und der da, der Riese neben ihr, das muß Caligula sein, ihr Unterführer!“
Der Boston-Mann kniff ebenfalls die Augen zusammen, um gegen die blendende Sonne besser sehen zu können.
„Verdammt, der Kerl sieht aus, als wäre Caligu persönlich aus seinem nassen Grab in der Windward Passage gestiegen …“, tobte der Boston-Mann, doch dann verstummte er. Denn in diesem Moment vernahmen sie die Stimme Caligulas.
„Sagt euren Freunden auf der Schlangeninsel, daß jeder der Gefangenen gegen Gold und Edelsteine aufgewogen werden muß. Die Rote Korsarin und Arkana, die Hohepriesterin der Araukaner, und der da“, er zeigte auf Barba, „ums Dreifache ihres eigenen Gewichts. Das fordern wir als Lösegeld. Ihr habt Zeit bis Sonnenuntergang. Sind dann die Schätze nicht an Bord, dann töten wir alle Gefangenen vor euren Augen.“
Caligula gab ein Zeichen – und wie ein Spuk verschwanden die Gefangenen wieder von der Bildfläche.
Erneut begann der Boston-Mann ganz gegen seine Gewohnheit lauthals zu fluchen.
Doch Caligula erschien noch einmal am Schanzkleid des Achterdecks.
„Sie sterben auch, wenn ihr irgendeine List versucht oder wenn ihr uns zu betrügen versucht. Daß wir die Wahrheit sprechen, beweise ich euch jetzt. Fragt diesen Mann!“
Caligula hob einen Mann der Besatzung von „Roter Drache“ empor und warf ihn kurzerhand über das Schanzkleid ins Meer.
„Holt ihn euch, wir erlauben es such!“ brüllte er und lachte dann dröhnend. „Aber bringt ihn wieder mit, wenn wir die Schätze auswiegen, denn dieser Mann gehört zu den Geiseln, die ihr auslösen müßt!“
Arne von Manteuffel und der Boston-Mann spürten den namenlosen Grimm, der sie wie eine rote Woge zu überschwemmen drohte. Aber dann ließen sie die Schaluppe anluven und segelten dem Mann entgegen, der, so schnell er konnte, auf sie zuschwamm.
Wenige Augenblicke später zogen sie