Seewölfe Paket 18. Roy Palmer
Читать онлайн книгу.als habe das Meer sie verschluckt.
Die Black Queen erhob sich taumelnd. Sie war kaum imstande, einen einzigen klaren Gedanken zu fassen. Dann sah sie Caligula an Deck wie tot liegen und begriff, daß Arkana und Araua verschwunden waren. Sie sah auch den anderen Mann, der ebenfalls bewußtlos auf den Planken lag.
Da erlitt die Black Queen einen Wutanfall, wie ihn noch kein Mann ihrer Besatzung erlebt hatte – und schon glaubten alle, sie werde jetzt jeden der Gefangenen eigenhändig umbringen. Aber in diesem Augenblick erblickte sie die Segel der „Le Vengeur III.“ und die der „Tortuga“. Und noch weiter hinten wuchsen erst gewaltige Masten über der Kimm empor, die pechschwarze Segel trugen, und ihnen folgte ein ebenso gewaltiger pechschwarzer Rumpf.
Die Black Queen hielt vor Schreck den Atem an. Denn wenn sie jetzt auch nur den geringsten Fehler beging, dann nahte dort hinten bereits der Tod, der ihr prophezeit worden war.
Caligula rappelte sich ebenfalls fluchend auf. Auch er erkannte die Segel und dann auch den Schwarzen Segler.
„Thorfin Njal, der Wikinger!“ stieß er betroffen hervor – und er hatte recht.
Es war alles zu spät für die Black Queen. Weder würde es ihnen gelingen, noch rechtzeitig Segel zu setzen, noch konnten sie es schaffen, diesen schnell segelnden Gegnern zu entkommen. Selbst dann nicht, wenn sie die Ankertrosse kappten.
„Die Geiseln – paßt auf die Geiseln auf, nur sie sind jetzt unsere Rettung!“ brüllte die Black Queen, und gleichzeitig flog ihr Blick zur Roten Korsarin hinüber, die jetzt ihr kostbarstes Faustpfand war. Aber die stand immer noch gefesselt am Besan. Doch jetzt blickte sie die Black Queen höhnisch an.
„Es ist aus mit dir, Black Queen. Früher oder später, denn wir alle werden dich jagen, wie wir einst Caligu jagten. Und am Ende der Jagd war Caligu tot.“
Siri-Tong wandte sich ab. Sie blickte den drei Schiffen entgegen, die jetzt dabei waren, die „Caribian Queen“ einzukreisen und ihr jeden Fluchtweg abzuschneiden.
Als Thorfin plötzlich Arkana und Araua vor sich triefend naß auf dem Achterdeck erscheinen sah, glaubte er an Halluzinationen. Er griff sich völlig verstört an den Helm, kratzte sich dann ausgiebig und schüttelte den Kopf. Aber als er dann erfuhr, was sich ereignet hatte, und wen alles die Black Queen immer noch als Geiseln an Bord hatte, da bekam er fast einen Tobsuchtsanfall, den Gotlinde dann aber energisch zu stoppen versuchte. Doch diesmal hatte sie keinen Erfolg, denn Thorfin Njal, der Wikinger, blitzte sie an.
„Das ist eine so verdammte Sache“, brüllte er, „daß sie beflucht werden muß, und da lasse ich mir nicht dreinreden. Zum Donner, bei Odin und Thor, dem Gott des Blitzes – bin ich noch Herr auf meinem Schiff oder nicht?“ brüllte er dickköpfig.
Diesmal kroch sogar Gotlinde in sich zusammen und schwieg, denn das war im Moment der bessere Teil der Klugheit. So gut kannte sie ihren Thorfin inzwischen doch.
Aber Thorfin Njal hielt sich mit alledem nicht auf. Der Schwarze Segler drehte in den Wind, und der Wikinger sprang ans Schanzkleid. Er sah die Black Queen, und sie sah ihn.
„Black Queen“, brüllte er, daß es bis zur Schlangeninsel hinüberdröhnte. „Gib die Geiseln frei. Du hast keine Wahl, ich verhandle nicht. Ich zähle bis zwanzig, dann sind alle frei, oder wir schießen dich zusammen. Eins, zwei, drei …“
Die Black Queen spürte, wie ihr eiskalte Schauer über den Körper jagten.
„Du hast freien Abzug, Black Queen“, brüllte der Wikinger, „mehr biete ich dir nicht an, und das ist mein letztes Wort!“ Eiskalt zählte er weiter. Bei sieben flogen die Geschützpforten hoch. Bei zehn stieg zischend ein Brandsatz in die Höhe, und unweit der „Caribian Queen“ regnete Feuer in roter, grüner und blauer Farbe vom Himmel, das auf dem Wasser weiterbrannte, ohne je zu verlöschen.
Da begriff die Queen.
„Ich gebe auf, Wikinger“, brüllte sie zurück und bebte vor Wut. „Die Geiseln gegen freien Abzug!“
Der Wikinger atmete insgeheim auf, und er hörte auf zu zählen. Es dauerte nicht lange, bis sich alle einstigen Geiseln unversehrt bei ihm an Bord befanden.
Die Black Queen lichtete den Anker, die dunkelbraunen Segel bauschten sich im Wind. Sie passierte den schwarzen Segler in einer Kabellänge Abstand.
Die Black Queen starrte ihn an, und Thorfin Njal packte abermals die Wut.
„Wir werden um Tortuga miteinander kämpfen, Black Queen!“ brüllte er, und sogar sein Helm dröhnte dabei. „Dann werden wir sehen, wer der Herr der Karibik ist!“
„Ja, Wikinger“, schallte es zurück. „Wir werden miteinander kämpfen, du Ausgeburt der Hölle. Aber nicht um Tortuga, sondern um die Schlangeninsel. Und um alles, was sich auf ihr an Schätzen befindet. Ihr werdet sterben, alle. Heute war der Satan mit euch im Bunde, aber nächstesmal wird auch er nicht helfen können. Mir wird die Schlangeninsel gehören, Wikinger, ganz allein mir, der Black Queen, das schwöre ich!“
Der Schwarze Segler verlor keine Zeit. Nachdem die „Tortuga“ eine Reihe von Verletzten übernommen hatte, segelte der Wikinger sofort zu jener Bucht auf der Caicos-Insel, wo Siri-Tongs „Roter Drache“ sein Grab gefunden hatte. Thorfin Njal nahm die Überlebenden, die sich noch auf der Insel befanden, an Bord und segelte anschließend sofort zur Schlangeninsel zurück.
Aber an Bord des Schwarzen Seglers herrschte gedrückte Stimmung, der sich niemand zu entziehen vermochte, vor allem die Rote Korsarin nicht. Denn es hatte Tote gegeben. Fünf Männer ihrer Besatzung hatte „Roter Drache“ mit sich in die Tiefe genommen.
Der Wikinger legte der Roten Korsarin den Arm um die Schulter, und nicht einmal seine Frau Gotlinde erhob Einspruch.
„Uns steht ein schwerer Kampf bevor, Siri-Tong“, sagte er. „Diese Black Queen und dieser Caligula sind gefährlicher als alle, mit denen wir vorher gekämpft haben. Ich wünschte, der Seewolf käme bald zurück.“
Damit hatte er ausgesprochen, was in diesem Moment alle dachten.
„Aber jetzt, Rote Korsarin“, fuhr er fort, „spendiere ich ein Faß Rum, das wird uns allen guttun. Und ich will, bei Odin, von niemandem auch nur ein einziges Wort dagegen hören!“
Ihm entging, daß sich in Gotlindes Gesicht ein Lächeln stahl. So war er, ihr dickschädeliger Thorfin, dieser Bär von Mann. Aber genauso wollte sie ihn auch …
ENDE
Dieser Roman findet seine Fortsetzung in Seewölfe Band 361 von Fred McMason
DER KAMPF UM TORTUGA
Davis J. Harbord
1.
12. September 1593, morgens.
Die „Isabella IX.“ stand querab der Westküste von Florida. Zwei Nächte waren vergangen, seit die Seewölfe unter ihrem Kapitän Philip Hasard Killigrew mit mehr Glück als Verstand den Spaniern entwischt waren und die Insel des Schnapphahns Mardengo, Pirates’ Cove, verlassen hatten.
Ein feines Windchen wehte aus Südsüdost und trieb die „Isabella“ in Sichtweite der Küste nordwärts. Die Galeone segelte raumschots über Steuerbordbug, der Sektor voraus, an Backbord und achteraus war leer, nichts zeichnete sich an der Kimm ab. Die Sonne im Osten warf silbrige Reflexe über die See im Golf von Mexiko.
Von Edwin Carberry stammte der Ausdruck „Schmalzsegeln“. Er besagt, daß das Schiffchen wie auf Schmalz läuft, gewissermaßen wie geschmiert. Der Wind hat keine Mucken, er springt nicht um, er legt nicht zu, er schläft nicht ein. Nein, er weht dauerhaft,