Seewölfe Paket 18. Roy Palmer
Читать онлайн книгу.den Carberry allerdings nicht hörte.
Juanita war ein bißchen entsetzt, weil sie auch zu dem Narbenmann Zuneigung verspürte. Der hatte so etwas Uriges. Schon in seiner Stimme war das drin. Da konnten einem wohlige Schauer über den Rücken rinnen.
Und schon toste diese Stimme wieder über die Back: „Mi-ster Pel-lew! Wird’s bald? Ich hol nur noch einmal Luft, aber danach bist du am Tanzen! Und den Takt zum Tänzchen wirst du auf deinem Affenarsch spüren – hiermit!“ Und Carberry ließ wieder den Tampen durch die Luft pfeifen.
„Ich hab noch nicht alle Ladys bedient!“ schrie Mac Pellew wutentbrannt zurück. „Wird hier schon die Sanduhr danach gestellt, wie lange man Omeletten verteilen darf?“
„Du verteilst seit mindestens einer Viertelstunde!“ brüllte der Profos mit Berserkerstimme; so daß Sir John von der Vormarsrah abhob und kreischend zum Besantopp hinüberflüchtete. Selbst ihm, dem Bordpapagei, dem Lauscher und begeistertem Nachplapperer der Carberry-Flüche, schien die Stimmlage des Profos nicht mehr geheuer zu sein. Da war Gefahr im Verzuge.
Edwin Carberry schaffte es mal wieder, die ganze „Isabella“ zum Zittern zu bringen.
Hasard enterte zur Kuhl ab, überquerte sie, klopfte im Vorbeigehen Carberry beruhigend auf die Schulter und stieg zur Back hoch.
„Schon gut, Mac, ich übernehm das“, sagte er ruhig und streckte die rechte Hand aus.
„Aye, Sir“, sagte Mac verdattert und übergab seinem Kapitän den Holzteller mit den Omeletten.
Hasard nahm ihn entgegen und winkte mit den Augen. Mac verschwand von der Back und flüchtete in die Kombüse. Nun ja, der verdammte Profos mochte zwar mit einem Tampen drohen, aber in den eisblauen Augen des Kapitäns war klar zu lesen gewesen, daß so etwas wie ein Weltuntergang bevorstand. Da war es klüger, sich zu verholen und die Piek als Liebeslaube schnell zu vergessen. Gegen Carberry konnte man noch anstinken, wenn’s sein mußte. Aber vor Philip Hasard Killigrew hatte Mac Pellew einen unheimlichen Respekt – seit jener Zeit auf der alten „Marygold“ Kapitän Drakes.
In der Kombüse kriegte Mac auch gleich Zunder.
„Du Blödmann!“ sagte der Kutscher mit Inbrunst. „Du dämlicher Blödmann …“
„Wieso?“ Mac brauste auf. „Was willst du denn jetzt noch? Ich hab die Schnauze voll, verstehst du? Ich will mal einen Tag vergessen, daß ich zur See fahre und dabei nichts anderes sehe als eure blöden Visagen! Einmal nur will ich das vergessen! Ich muß verrückt gewesen sein, bei euch anzuheuern, total verrückt Ihr karrt mit diesem verdammten Schiff nach Osten, nach Norden, nach Süden, nach Westen, prügelt euch mit anderen Idioten, die ihr trefft, schlagt euch die Köpfe ein – ach, Scheiß!“ Und Mac Pellew kriegte das heulende Elend. Dabei hatte er doch so gern in der Piek ein Schäferstündchen abhalten wollen.
„Mac!“ sagte der Kutscher bedächtig. „Ich möchte das alles nicht gehört haben. Du hast einen Hau! Und vergiß nicht, daß du jetzt noch im Schuldturm von Plymouth vor dich hinsterben würdest, wenn dich unser Kapitän nicht ausgelöst hätte. Vergiß das bitte nicht! Du hast bei uns nicht angeheuert, sondern warst froh, in diese Crew aufgenommen zu werden. Auch das solltest du nicht vergessen. In dem verdammten Schuldturm hätten sie dich verfaulen lassen. Statt dessen bist du zu einem freien Mann geworden. Wenn du willst, kannst du abmustern. Sag’s dem Kapitän, daß du keine Lust mehr hättest und aussteigen wolltest. Sag’s ihm! Der reißt dir nicht den Kopf ab. Der sagt: Gut, Mac, wenn du das möchtest, dann tu’s, ich zwinge keinen, bei mir an Bord zu fahren. Genau das wird er sagen. Gut, wenn das so sein soll, dann pull ich dich vielleicht sogar an Land. Und wenn wir uns verabschieden, werde ich sagen: Hau ab, du Blödmann! Schieß in den Wind! Sieh zu, wie du jetzt klarkommst! Natürlich wird dir unser Kapitän deinen Anteil an der bisherigen Beute auszahlen. Die kannst du dann auf den Kopf hauen und mit verluderten Weibern verprassen. Bitte sehr! Aber aus dem nächsten Schuldturm holt dich keiner raus, du Blödmann!“
Mac Pellew holte einen sauberen Holzteller aus dem Geschirrschapp, packte die nächsten Omeletten drauf und verließ die Kombüse. Im Schott drehte er sich aber noch einmal um und sagte: „Hab’s kapiert, Mister! Aber mit den Weibern würde ich doch ganz gern …“
„Verzieh dich“, sagte der Kutscher sanft. „Bei den Weibern deiner Sorte wirst du nie die richtige Frau finden.“
Mac Pellew stand schon mit einem Bein auf der Kuhl, drehte sich aber noch einmal um. „Wie meinst du das?“
Der Kutscher deutete mit dem Daumen nach oben.
„Die da auf der Back sind nichts für dich, Junge“, sagte er. „Jedenfalls nichts auf Dauer. Da hatte Hasard junior ganz recht, obwohl er nicht wußte, von was er sprach. Das sind Flitzer. Du kannst sie auch, gewählt ausgedrückt, Schmetterlinge nennen. Die sind hübsch anzusehen, aber eben flatterhaft – mal dies, mal das. Na, du weißt schon. So was ist nichts für unsereinen, wenn er beschließt, für immer an Land zu bleiben und Rüben anzubauen oder den eigenen Herd anzuheizen.“
Mac Pellew zog das andere Bein nach, schloß das Schott und starrte auf die Omeletten.
Da ist was dran, was der Kutscher sagt, dachte er tiefsinnig. Und er blieb auch in sich gekehrt, als er die Omeletten verteilte. Irgendwo sah er den anderen Mac Pellew, der Holzscheite in die Glut schob – in den eigenen Herd der eigenen Hütte, wo auch eine Frau sein würde. Und Kinder …
Hasard reichte indessen den Holzteller mit den Omeletten herum und schaute lächelnd zu, wie die Ladys, etwas verlegen, wie ihm schien, sich bedienten. Ein bißchen rot waren sie alle, und sie knicksten, wenn sie sich ein Omelette vom Holzteller nahmen. Und sehr manierlich hielten sie gleich eine Hand unter die andere, damit kein Fett auf die Planken tropfte.
Daß sie ihn anhimmelten, übersah er keineswegs, auch wenn ihm das nicht so ganz geheuer war. Einen Kapitän, dachte er, himmeln die immer an, das ist nun mal so. Er wußte zu wenig von sich selbst, um zu erkennen, daß die sechs Ladys in diesem Fall bei ihm auf etwas ganz anderes reagierten. Er hätte auch ein Bettler sein können, kein Kapitän oder Admiral oder gar König. Nein, es waren schlicht sein Charme, die Anmut seiner Ungezwungenheit, die Geradheit seiner Haltung, die so stark auf die Ladys wirkten.
Das ist ein Mann! dachten sie alle. Ein Mann ohne Fehl und Tadel – ein Herr. Daß er dabei auch noch gut aussah mit seinem verwegenem, scharfgeschnittenem Gesicht und den Augen von diesem intensiven Blau, das durch das Tiefbraun der Haut noch gesteigert wurde, das verwirrte die Ladys noch mehr, zumal ihnen Männer dieser Art auf der Pirateninsel oder früher im heimatlichen Spanien noch nicht begegnet waren.
„Ich wünsche allerseits guten Appetit“, sagte Hasard lächelnd und verneigte sich leicht.
Die Ladys verneigten sich ebenfalls und knicksten wieder. Das bißchen Rot auf ihren Gesichtern vertiefte sich. Auch der Glanz in ihren Augen wurde stärker.
Auf dem Achterdeck murmelte Ben Brighton, der das alles beobachtete: „Sie schmelzen dahin wie Schnee in der Sonne.“
„Du sagst es“, bestätigte Old O’Flynn und grinste vor sich hin. Das war schon ein Kerl, sein Schwiegersohn. Aber er würde sich eher die Zunge abbeißen, als das laut zu verkünden.
Vorn auf der Back sagte indessen Hasard: „Nun eßt schon, Kinder, und laßt die Dinger nicht kalt werden.“ Er nahm sich selbst ein Omelette und biß hinein, weil er gemerkt hatte, daß sich die Ladys zierten, in seiner Gegenwart zu futtern.
So wurde denn geschmaust, und das Eis war gebrochen. Jetzt auch konnte er das Problem ansprechen, das durch die Anwesenheit der Ladys an Bord entstanden war und irgendwie gelöst werden mußte.
Er blieb bei der Anrede „Kinder“, die nicht so förmlich klang und auch mit Kichern quittiert worden war. Im übrigen unterstrich das seinen Status als „Vater“, um nicht von vornherein als Liebhaber betrachtet zu werden. Das war Diplomatie.
„Sagt mal, Kinder“, eröffnete er das Gespräch, „habt ihr schon über eure Zukunft nachgedacht? Ich meine, ihr seid ja keine Seeleute, sonst könnten wir euch in die Crew übernehmen, nicht