Seewölfe Paket 18. Roy Palmer

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Seewölfe Paket 18 - Roy Palmer


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ersten Männer stiegen in die Jolle hinunter, legten ab und pullten zum Ostufer des Flusses. Mardengo, Oka Mama und die Kerle lachten triumphierend. Carberry schloß in ohnmächtiger Wut die Augen. Er wollte aufbrausen, von neuem explodieren, wurde sich aber klar, daß es keinen Sinn hatte. Er gefährdete dadurch nur seine Kameraden, die sich eben anschickten zu landen. Es war besser, wenn er schwieg und sich ruhig verhielt, was immer auch geschah.

      Die Piraten empfingen die Männer und nahmen ihnen die Waffen ab. Sie durchsuchten sie, bis sie sicher waren, daß auch das kleinste versteckte Messer ihrer Aufmerksamkeit nicht entgangen war.

      So begaben sich alle an Land. Vier Bootsfahrten waren erforderlich, dann blieb die „Isabella“ verlassen in der Flußmündung zurück. Die Seewölfe wurden einer nach dem anderen gefesselt. Ihre Hände waren auf dem Rücken zusammengebunden, ihre Füße durch kurze Tauenden so umschlungen, daß sie sich nur mit kleinen Schritten vorwärts bewegen konnten. Unter der scharfen Bewachung der Piraten und unter Mardengos scharfen Kommandorufen begann die traurige Prozession durch den Urwald von Pirates’ Cove. Sie führte an den Fallen vorbei, die von den Piraten geschickt umgangen wurden, bis tief ins Innere der Insel – zum Lager der Bande.

      Die Seewölfe durften kein Wort miteinander wechseln. Wer sprach, wurde durch einen Hieb mit dem Kolben einer Muskete zum Schweigen gebracht.

      Ferris Tucker atmete trotzdem auf. Im allgemeinen Durcheinander und in der Eile, zu der vor allem Oka Mama drängte, war es Mardengo und seinen Kerlen nicht aufgefallen, daß er eine Perücke trug und nicht der Seewolf war. Sie hatten die Täuschung auch diesmal übersehen und ahnten nicht, daß sich der echte Hasard frei auf der Insel bewegte.

      Carberry hatte keine Möglichkeit, sich mit seinen Kameraden zu verständigen. Die Blicke, die sie ihm immer wieder zuwarfen; wußte er nicht richtig zu deuten. Seine Wut und die aufsteigende Verzweiflung brachten ihn fast um. So hilflos hatte er sich noch nie gefühlt. Ja – ihn packte fast das heulende Elend, als er seine Mannschaft dahinziehen sah. Wie sollte das alles enden?

      Keiner wußte eine Antwort darauf.

       4.

      Hasard stieg zu diesem Zeitpunkt in den Felsen der Insel auf, die sich im nördlichen Bereich des Westufers erhoben. Er hatte das Geschrei an der Flußmündung recht deutlich vernommen und einzelne Worte verstehen können. Kein Schuß war gefallen – das war für ihn die Hauptsache.

      Mardengo hatte Carberry, Roger und Sam als Geiseln genommen, soviel schien inzwischen festzustehen. Er nutzte sie als Faustpfand aus – und Ferris, Ben und die anderen hatten sich an die Anweisungen gehalten. Die Gefangennahme aller Seewölfe, der Marsch zum Lager – all das mußte Mardengo täuschen und von Hasards eigentlichem Vorhaben ablenken.

      Hasard hielt im abklingenden Licht des Tages von den Felsen aus Umschau. Im Norden konnte er das Riff mit der „San Carmelo“ und den beiden Einmastern sehen, weiter die Flußmündung und das schmale, tiefblaue Band des Flusses, der sich durch das Grün des Dschungels zu ihm heraufschlängelte. Praktisch war er dem Verlauf des Gewässers gefolgt, um es an einer geeigneten Stelle zu überqueren.

      Die „Isabella“ lag nach wie vor in der Flußmündung – jetzt wieder vor Anker, wie er sie verlassen hatte. Einen Kieker hatte er nicht mitgenommen, weil er ihn nur behindert hätte, die beiden Waffen waren bereits genug Ballast. Doch mit dem bloßen Auge konnte er verfolgen, wie ein Boot der Piraten auf die „Isabella“ zuhielt und bei ihr längsseits ging.

      Die Seewölfe waren gefangengenommen worden. Auch durch die Verzögerungstaktik, die Hasard Ben, Ferris, Shane und allen anderen empfohlen hatte, hatten sich Mardengo oder seine Kerle nicht lange hinhalten lassen. Jetzt war die „Isabella“ herrenlos geworden, und die Piraten, die als Wachtposten an der Mündung des Flusses zurückgeblieben waren, verließen ihre Deckung im Dickicht und gingen an Bord.

      Hasard preßte die Lippen zusammen. Er mußte sich beeilen, wenn er noch etwas ausrichten wollte. Sein Blick wanderte weiter. Er sah die Bucht im Osten, erspähte Skull-Eiland, dessen kahler Felsen einem liegenden Totenschädel ähnelte, und erkannte auch, daß am Ufer der Bucht eine Werft liegen mußte. Auf der Werft befand sich ein Schiff im Bau, das Spantengerüst des Rumpfes war fertiggestellt.

      Im Zentrum der Insel, das konnte der Seewolf jetzt ebenfalls sehen, gähnte mitten im Dschungel – am Fuß der Felsen – ein kreisrunder Kahlschlag. Die Dächer von Hütten bildeten einen Ring, Gestalten bewegten sich auf und ab.

      Er hatte das Lager der Piraten entdeckt und wußte jetzt, wohin Mardengo aller Wahrscheinlichkeit nach seine Gefangenen bringen würde. So schnell wie möglich mußte er wieder in den Dschungel hinuntersteigen.

      Er hatte Fallgruben, Schlingen, spitze Gatter und Giftfallen geschickt orten und umgehen können, aber er wußte, daß er es im Dunkeln schwerer haben würde. Lange dauerte es nicht mehr, und die Dämmerung setzte ein. Es folgte rasch die Finsternis – und wenn er in eine Falle stolperte, war alles verloren.

      Er vernahm das Rauschen von Wasser, nicht weit entfernt. Warum war er nicht schon vorher darauf aufmerksam geworden? Plötzlich grinste er. Der Wind hatte gedreht – und er bemerkte es erst jetzt. Er wehte nicht mehr aus Norden, sondern aus Westen. Unberechenbar war die See, das Wechseln von Wind und Wetter konnte von einem Augenblick zum anderen erfolgen. Falls der Wind aus Westen andauerte, würde er ihnen bei der Flucht – falls alles klappte – dienlich sein, denn sie brauchten nicht mehr zu kreuzen, um die Mündung des Flusses zu verlassen.

      Er kletterte noch ein Stück höher und sah sich plötzlich einem Wasserfall gegenüber, der aus einer Höhe von etwa zweieinhalb Yards herabrauschte. Einem unbestimmten Gefühl folgend, watete er durch das flache Wasser des Flusses, der hier oben nur noch ein Bach war.

      Er wußte nicht, was es war, das ihn wie eine magische Kraft anzog. Aber wenig später begriff er, daß es der nahezu untrügliche Instinkt des erfahrenen Korsaren war. Er trat unter den Wasserfall, schritt hindurch und blieb abrupt stehen.

      Hinter dem Wasserfall war der Eingang einer Höhle verborgen. Hasard betrat sie, ohne zu zögern. Nirgends war ein Wächter zu sehen, alle Posten, die die Bande über die Insel verteilt hatte, schienen für den Kampf gegen die „Isabella“ abgezogen worden zu sein. Jedenfalls war er bisher nicht behelligt worden, und auch jetzt trat keine unerfreuliche Überraschung ein, die ihn in seinen Nachforschungen behinderte. Er war ungestört.

      Etwa zehn Yards weit schritt er voran. Es wurde fast stockdunkel. Er stolperte um ein Haar über einen halbhohen, harten Widerstand, verharrte und betastete ihn mit beiden Händen.

      Eine Truhe. Ihr Deckel ließ sich öffnen. Hasard war kaum noch erstaunt, als er in leise klirrenden Schmuck griff, mit dem die Truhe bis zum Rand gefüllt war. Er hatte keinen Zweifel daran, daß es sich um Gold, Silber und kostbare Juwelen handelte.

      Er arbeitete sich weiter voran und entdeckte immer mehr Truhen und Kisten. Da hatte er also Mardengos geheimes Schatzversteck gefunden – und Little Ross hatte recht gehabt. Ein Abstecher zu diesem Schlupfwinkel lohnte sich, sie gingen nicht leer aus, sondern würden die Stauräume der „Isabella“ bis unter die Luken vollstopfen.

      Das aber nur, wenn es ihm wirklich gelang, die Kameraden zu befreien. Er pirschte vorsichtig weiter, und wenig später stieß er auf einen natürlichen Stollen, der in die Tiefe führte. Gebückt konnte er sich darin bewegen, und wieder scheute er sich nicht, auch diesen Weg zu nehmen.

      Der Boden wurde abschüssiger, er mußte jetzt aufpassen, nicht auszugleiten. Stockfinster war es, er konnte nicht mehr die Hand vor Augen erkennen. Es hätte ihm aber auch nichts genutzt, wenn er eine Fackel gehabt hätte. Er hätte sie nicht entfacht, denn irgendwo mußte der Tunnel zu Ende sein, und dort, am Ausgang, würde ihn die Flamme sofort verraten haben.

      Er war sicher, daß der Stollen eine zweite Mündung hatte, denn ein leichter Luftzug umfächelte sein Gesicht. Hätte es sich um einen geschlossenen Schacht gehandelt, wäre dieser feine Durchzug nicht möglich gewesen.

      Tatsächlich – plötzlich sah er vor sich, nicht weit entfernt, einen blassen


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