Seewölfe Paket 17. Roy Palmer
Читать онлайн книгу.englische Galeone längsseits gegangen war. Daß dies keine Stärkung ihrer eigenen Reihen bedeutete, war ihnen klar.
So blieb ihnen nichts weiter übrig, als eine neue Front zur Backbordseite des Schiffes hin zu bilden. Doch bevor das gelang, befanden sich die meisten Seewölfe schon an Bord.
„Jetzt wird Reinschiff gemacht, Leute!“ rief der sonst so ruhige und besonnene Ben Brighton. „Und daß ihr mir ja das Deck schön sauber aufwischt!“ Er donnerte dem ersten Soldaten, der ihm in die Quere geriet, mit solcher Wucht die Faust unter das Kinn, daß dieser fast aus den Stiefeln gehoben wurde.
Auch die anderen Seewölfe hatten keine „Kontaktschwierigkeiten“, und im Handumdrehen war auf der „Wappen von Kolberg“ erst richtig der Teufel los. Der Kampf wurde teils mit Blankwaffen, teils mit nackten Fäusten oder Schlaginstrumenten geführt.
Arne von Manteuffel und seinen dreizehn Männern gelang es vom Achterdeck aus, die Polen zurückzudrängen, so daß sich das Getümmel mehr und mehr zur Kuhl hin verlagerte, wo die Seewölfe für Ordnung sorgten.
Sie alle kämpften wie die Löwen – Bill, Jeff Bowie, Matt Davies, Big Old Shane, Bob Grey, Batuti und all die anderen. Und die Polen begriffen sehr rasch, daß sie es mit eisenharten Männern zu tun hatten, die sich nicht einschüchtern ließen, am allerwenigsten durch lautes Gebrüll oder wüste Drohungen.
Big Old Shane, der schon als Schmied von Arwenack Castle in Falmouth gelernt hatte, kräftig zuzupacken, hielt eine Radschloßpistole am Lauf, und wer mit dem harten Kolben der Waffe Bekanntschaft schloß, brauchte sich hernach über mangelnde Beulen nicht zu beklagen.
Batuti, der schwarze Riese aus Gambia, ließ seinen gefürchteten Morgenstern kreisen, und Dan O’Flynn war in ein hartes Degenduell mit einem Soldaten verwickelt. Bill hieb mit einem Belegnagel drein und Ferris Tucker, dessen Kreuz so breit wie ein Rahsegel war, ließ das stumpfe Ende seiner gefürchteten Zimmermannsaxt durch die Luft zischen.
Edwin Carberry schien seinen entdeckungsreichen Tag zu haben. Irgendwo in der Nähe der Nagelbank des Großmastes stieß er auf die herumliegenden Utensilien, mit denen für gewöhnlich Reinschiff gemacht wurde. Dazu gehörte eine Pütz, die halb mit Sand gefüllt war, außerdem ein sogenannter „Holystone“ – ein weißer Sandstein, mit dem sich auch grobe Verunreinigungen der Planken wegscheuern ließen –, und einen Dweil, bei dem es sich um ein schrubberartiges Gebilde mit langem Stiel handelte.
„Ho!“ rief Ed, sichtlich erfreut über seinen Fund. „Kommt nur herbei, ihr Läuseknacker! Ich werde euch hübsch aufpolieren, damit eure Affenärsche glänzen wie Speckschwarten!“
Da er gerade mit einigen Ruderknechten beschäftigt gewesen war, schüttelte er mit Schwung den Sand in die Menge, was ein lautes Aufheulen derer zur Folge hatte, die die Sandkörner in die Augen kriegten.
Dem Kerl, der ihm am nächsten war, stülpte er die leere Pütz über den Schädel und setzte dann eine Faust obendrauf. Das hohle Geräusch, das er damit erzeugte, erinnerte an eine Trommel, mit der man auf Galeeren den Takt für die Ruderknechte vorgab.
Einem vierschrötigen Burschen, der mit einer Spake auf ihn losgehen wollte, schleuderte der Profos den „Holystone“ entgegen. Der kantige Sandstein traf den Polen voll am linken Fuß und verfehlte trotz der festen Lederstiefel seine Wirkung nicht.
Der Kerl stimmte ein markerschütterndes Geschrei an und hüpfte auf dem heilgebliebenen rechten Fuß im Kreis herum, wie einer jener tanzenden Derwische des Ibrahim Salih, die die Seewölfe einst an der türkischen Südküste kennengelernt hatten.
Um dem Geheule ein Ende zu bereiten, hieb Ed noch mit dem Dweil zu. Da dieses Putzwerkzeug, an dem noch einige Scheuertücher befestigt waren, naß war, gab es ein klatschendes Geräusch, dann krachte der Ruderknecht mit verdrehten Augen gegen die Nagelbank.
„Merk dir das, du Rübenschwein“, stieß Ed hervor, „am frühen Morgen wird noch nicht gesungen und getanzt, so was gehört sich nicht!“
„Recht so!“ rief der bullige Paddy Rogers. „Außerdem gehören Kanalratten ins Wasser!“ Er sammelte die Kerle auf, die ihm vor die Füße gepurzelt waren und beförderte sie – schön einen nach dem anderen – über Bord.
Edwin Carberry trennte sich vorerst nicht von dem Dweil, mit dem man so richtig schön zulangen konnte. Und so mußte sich noch so mancher Pole die nassen Lumpen mit lauten Klatschen um die Ohren hauen lassen.
Auch die beiden „Hakenmänner“ unter den Seewölfen waren voll in ihrem Element. Matt Davies räumte vor der Back auf, und Jeff Bowie, der stämmige Liverpooler, fegte gerade wie ein Wirbelwind über die Kuhlgräting hinweg. Sein linker Arm, dessen Hand durch eine Hakenprothese ersetzt worden war, weil er einst unliebsame Bekanntschaft mit Piranhas geschlossen hatte, zuckte vor – direkt auf einen polnischen Offizier zu. Sekunden später hing die Uniform des Mannes in Fetzen. Nachdem Jeff ein weiteres Mal zugelangt hatte, stand der Kerl fast nackt auf den Planken. Er vergaß vor Entsetzen, seinen Degen zu gebrauchen, deshalb prellte ihm Jeff Bowie mit einem dritten Hieb die Waffe aus der Hand.
Der Profos, der das gesehen hatte, grinste von einem Ohr zum anderen.
„Mach langsam, Jeff!“ brüllte er. „Sonst kämpfen wir am Ende nur noch mit einer Horde nackter Affen!“
Der Kutscher, der gerade einem Messerstich ausgewichen war, bedankte sich bei seinem Gegner, indem er ihm einen Belegnagel über den Scheitel zog. Dann deutete er plötzlich nach Steuerbord.
Die Blicke der anderen Männer folgten seinem Zeigefinger. Und selbst die Polen hielten einen Moment inne und starrten wie gebannt auf das Bild, das sich ihnen bot.
Die Galeere, die ein Stück von der „Wappen von Kolberg“ weggetrieben war, ging über das Heck auf Tiefe. Mit einem lauten Gurgeln, Schmatzen und Zischen versank das wracke Schiff der Polen in den Fluten. Kurze Zeit später erinnerten nur noch treibende Planken, Holzstücke und Wasserfässer an die Galeere.
Der Untergang ihres Schiffes ließ blanken Haß in den Polen auflodern. Mit lautem Wutgeheul und verzerrten Gesichtern stürzten sie sich erneut auf die kleine Mannschaft Arnes und die Seewölfe.
Wie es aussah, strebte das Kampfgetümmel seinem Höhepunkt zu.
„Das Rübenschwein veranstaltet Krawall“, meldete Philip junior, der gerade das Achterdeck der „Isabella“ betrat.
Der Seewolf blickte seinen Sprößling verständnislos an.
„Wen meinst du damit?“
„Na, den plattfüßigen Räucherhering!“
Hasard schüttelte den Kopf.
„Zum Donnerwetter, kannst du dich nicht etwas deutlicher ausdrükken? Außerdem habe ich dir und deinem Bruder schon hundertmal gesagt, daß ihr solche Ausdrücke nicht benutzen sollt!“
„Na ja, Sir“, erklärte Philip ungerührt. „Ich hab dieser Miesmuschel von einem Generalkapitän gleich gesagt, daß Mister Carberry ihm die Haut in klitzekleinen Streifchen von seinem verlausten …“
„Jetzt reicht’s aber!“ sagte der Seewolf mit schneidender Stimme. „Wenn du dich nicht sofort in einer gesitteten Sprache ausdrückst, ziehe ich dir den Hosenboden stramm, aber so, daß du die nächsten drei Tage auf dem Bauch schläfst, mein Sohn!“
„Dann müßte der Profos schon seit Jahren auf dem Bauch schlafen, Sir“, sagte Philip mit unschuldigem Gesicht.
„Willst du dich etwa mit dem Profos vergleichen?“ fuhr ihn Hasard an. „Mister Carberry und sein Wortschatz – nun ja, die gehören ganz einfach zusammen, die bilden, wie man so sagt, eine geschlossene Einheit. Deshalb braucht ihr euch diesen Wortschatz noch lange nicht anzueignen, verstanden?“
„Ja, Sir!“ Philip junior schlug züchtig die Augen nieder, aber wer genau hinsah, bemerkte deutlich, daß der Bengel innerlich lachte und kicherte. Dennoch hätte er es nicht gewagt, in seinem anfänglichen Tonfall fortzufahren.
„Was war also?“ fragte Hasard.
„Mister