Seewölfe Paket 6. Roy Palmer

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Seewölfe Paket 6 - Roy Palmer


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      Dan schüttelte den Kopf. „Denk an die anderen.“ Und etwas lauter: „Was heißt das – helfen? Was haben Sie vor?“

      Der Unbekannte grinste.

      Oder vielleicht sah es auch wieder nur so aus, weil ihm die schreckliche Narbe die Oberlippe von den Zähnen zog.

      „Ein Boot“, flüsterte er. „Ich brauche ein Boot, ich …“

      „Bist du von allen guten Geistern verlassen?“

      Dan wollte auffahren, aber er nahm sich sofort zusammen, als er sah, wie sich das ausgemergelte Gesicht zu einer Fratze verzerrte.

      Der Kerl war tatsächlich nicht bei Sinnen und fähig, hier ein Blutbad anzurichten, wenn es hart auf hart ging. Noch schien er ruhig. Von einer geradezu teuflischen Ruhe, die seine Besessenheit um so gefährlicher werden ließ. Er durfte nicht durchdrehen und mußte in Sicherheit gewiegt werden. Sollte er ruhig darauf bestehen, daß ein Boot abgefiert wurde! Er war ein Wrack und hielt sich nur mühsam auf den Beinen. Lange würde es ganz sicher nicht dauern, bis die beiden Seewölfe die Chance erhielten, ihn zu entwaffnen. Nach Dans Meinung war das wesentlich besser, als die Dinge hier und jetzt auf die Spitze zu treiben.

      „Ein Boot!“ fragte der blonde junge Mann sanft. „Was wollen Sie denn mitten in der Nacht mit einem Boot, Mister?“

      Ein scharfer Atemzug.

      Wieder hatte Dan das Gefühl, daß der Kerl ihn auf diese unheimliche, ausdruckslose Art angrinste.

      „Rache!“ flüsterte der Unbekannte mit zuckenden Lippen. „Vergeltung! Ich bin der Kapitän. Ich bin Philipp Montsalve! Ihr werdet ein Boot abfieren und mich zu der Insel pullen, damit ich über die Verräter Gericht halten kann.“

      Wie ein rotes Auge glomm das Feuer durch die Dunkelheit.

      Über der grasbewachsenen Senke zwischen den roten Felsen hing drükkende Schwüle. Die Nacht hatte keine Abkühlung gebracht, die Brise von der See drang nur schwach bis zu dieser von allen Seiten geschützten Stelle. Die schlafenden Männer hätten das Feuer nicht gebraucht, denn es gab weder Eingeborene noch wilde Tiere auf der Insel. Sie hätten auch die Wachen nicht gebraucht, die höher in den Felsen Ausschau hielten.

      Aber da war die dumpfe Furcht, die sich niemand eingestand. Da waren Bitterkeit, Hoffnungslosigkeit, Verzweiflung – und das Feuer bot mit seinem magischen Bannkreis Schutz, so wie die aufgestellten Wachen die Illusion boten, daß irgend etwas Unerwartetes eintreten könnte, um das Geschick der sechzehn Männer noch einmal zu wenden.

      Einige von ihnen waren trotz der späten Stunde noch wach, kauerten im Gras zwischen den Felsen und starrten in die Glut.

      Jean Morro, der Bretone, drehte einen schlanken, gefiederten Farnwedel zwischen den Fingern.

      In seinen harten steingrauen Augen spiegelten sich die kleinen Flammen wie winzige, tanzende Funken. Auch sein Haar war grau, obwohl der große, knochige Mann noch keine vierzig Jahre zählte.

      Neben ihm kauerten zwei schweigsame, vierschrötige Burschen, von denen nur bekannt war, daß sie aus Burgund stammten und die der Einfachheit halber „Burgunder“ und „anderer Burgunder“ genannt wurden.

      Der vierte Mann, der noch wachte, lehnte in einer Haltung selbstversunkener Ruhe an einem der Felsen. Sein kräftiges, schwermütiges Gesicht war tiefbraun wie poliertes Holz. Er trug zerfetzte Seemannskleidung genau wie die anderen, aber das lange blauschwarze Haar hatte er auf dem Oberkopf mit bunten Ringen zusammengebunden. Niemanden störte diese fremdartige Haartracht. Genausowenig, wie jemanden die dunklen Kehllaute störten, mit denen der Braunhäutige sprach. Jacahiro war Indianer, ein reinblütiger Maya aus den dichten Regenwäldern Nueva Españas.

      Jean Morro warf das graue Haar zurück und betrachtete seine Kumpane mit einem bitteren Lächeln.

      Jacahiro, der die Sprache der Maya sprach und ihr Land kannte! Der alte Valerio mit seiner fabelhaften Karte! Alles hatte sich so gut angelassen. Und sie waren ihrer Sache so sicher gewesen. Ein unermeßlicher Schatz – Reichtum für alle! Und dann von einer Stunde zur anderen das Ende, als habe das Geschick selber mit eiserner Faust zugeschlagen.

      Morro preßte die Lippen zusammen.

      Er dachte an den verrückten Kapitän, den sie zum Teufel gejagt hatten. War die Katastrophe die Strafe dafür gewesen, die Vergeltung, die ausgleichende Gerechtigkeit, von der Vorsehung geübt?

      Unsinn, dachte der Bretone angewidert. Der Kapitän hatte sein Schicksal tausendmal verdient. Drei Männer hatte er für Verbrechen hängen lassen, die nur in seinem Wahn bestanden, einen Offizier in den sicheren Tod gehetzt – zum Schluß war er nur noch eine reißende Bestie gewesen. Vielleicht war es der Gedanke an das Maya-Gold, der ihn hatte verrückt werden lassen.

      Jean Morro dachte an die letzten Tage, an den Topf mit dem griechischen Feuer, der die Macht des Kapitäns sicherte, obwohl die ganze Besatzung hinter dem Bretonen stand. Aber dann war das griechische Feuer ins Meer geflogen und achteraus getrieben, und der verrückte Kapitän war in dem kleinen Boot ausgesetzt worden, während die „Caribia“ weitersegelte, ihrem Schicksal entgegen.

      „Jean?“ ertönte eine halblaute Stimme aus dem Dunkel.

      Morro hob den Kopf. Der alte Valerio hatte sich auf die Ellenbogen gestützt. In dem bärtigen, verwitterten Gesicht brannten die Augen.

      „Hast du eine Ahnung, wie wir hier wieder wegkommen sollen, Jean?“

      Morro lachte auf. Ein hartes, bitteres Lachen.

      „Was weiß ich! Wir können ja ein Floß bauen. Oder wir warten, bis zufällig ein Schiff vorbeisegelt, und bitten den Kapitän, uns den Kahn zu schenken.“

      „Also hängen wir hier für alle Ewigkeit fest?“

      Der Bretone zuckte mit den Schultern. „Scheint so, oder?“

      Schweigen senkte sich herab. Nur das Feuer knisterte, und der Wind sang in den Federwipfeln der Palmen am Strand. Der braunhäutige Maya hob den Kopf und bewegte witternd die Nasenflügel.

      „Sturm“, sagte er mit seiner gutturalen Stimme.

      „Ja, wir kriegen Sturm.“ Der Bretone nickte. „Vielleicht haben wir Glück, und ein Schiff sucht im Windschatten der Insel Schutz. Oder Lucien und die anderen werden mit der Pinasse angetrieben.“

      „Die sind längst krepiert“, sagte der stämmige Burgunder düster. „Wer weiß! Wir müssen abwarten. Gib mir mal die Rumbuddel rüber!“ Jean Morro nahm einen tiefen Schluck aus der Flasche.

      Gerede, dachte er.

      Ihre Lage war hoffnungslos, und er glaubte längst nicht mehr daran, daß sich das ändern würde.

      „Mistvieh! Verdammte Bestie! Dir ziehe ich die Haut in Streifen von deinem verdammten Affenarsch!“

      Ed Carberrys Stimme dröhnte im Vorschiff wie Donnerrollen. Arwenack, der Schimpanse, brachte sich tunlichst außer Reichweite, aber er keckerte genauso laut und eindringlich weiter wie vorher.

      Neben dem Profos fuhren Stenmark und Matt Davies hoch. Blacky seufzte tief, weil er gerade von einem schönen strammen Hafenliebchen geträumt hatte. Arwenack hüpfte aufgeregt auf und nieder und kümmerte sich nicht darum, daß er Big Old Shanes mächtigen Brustkasten malträtierte.

      Der frühere Schmied der Feste Arwenack riß die Augen auf und starrte die zottige Erscheinung an, die da auf ihm herumhüpfte. Einen Moment glaubte er, sich noch in einem verrückten Alptraum zu befinden, dann zerstörte Ed Carberrys Donnerstimme diese Illusion.

      „Du karierter Decksaffe! Du von einem triefäugigen Wassermann im Suff gezeugte Mißgeburt!“

      „Seit wann säuft der Wassermann?“ fragte Smoky, der Decksälteste, schlaftrunken.

      „Halt dein Maul, verdammt! Der Affe muß den Veitstanz haben oder …“

      Big Old Shane richtete sich mit einem Ruck auf.

      „Donegal


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