Seewölfe Paket 9. Roy Palmer

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Seewölfe Paket 9 - Roy Palmer


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– o nein! Er hockte hinter einem Monstrum von Tisch, wie er in den Refektorien der Klöster üblich war, hatte vor sich Folianten wie eine Art Brustwehr aufgebaut und schwang nicht etwa einen Federkiel, sondern war damit beschäftigt, sein Office mittels Tonpfeife und Tabak in eine Nebellandschaft zu verwandeln.

      „Haben wir nicht“, sagte er zur Begrüßung, ohne daß Hasard oder Jean Ribault bereits etwas geäußert hatten. „Kahlschlag. Nichts geht mehr. Sie dürfen die Tür wieder von draußen schließen.“

      Hasard knallte sie zu – nicht von draußen, von drinnen. Dann wedelte er sich mit Jean Ribault durch die Nebelwolken zu dem Refektoriumstisch vor.

      „Was haben Sie nicht?“ knurrte er den paffenden Fettsack an.

      Der Dicke glotzte zu ihm hoch, seufzte, qualmte, schüttelte den Kopf und sagte: „Nichts mehr vorrätig, alles weg, kein Nachschub. In den Lagerhallen und Schuppen, Gewölben und Speichern gähnende Leere.“ Das letztere gefiel ihm besonders gut, und er wiederholte akzentuiert: „Gäh-nen-de Lee-re!“

      „Tabak haben Sie noch, wie?“ fragte Jean Ribault höflich.

      „Die letzte Pfeife.“ Der Dicke seufzte wieder und sah aus, als habe er vor, gleich zu weinen. Seine Augen tränten bereits. Aber das war wegen des Tabakrauchs.

      Hasard hätte den Kerl erwürgen können. Er zog den Kaperbrief Ihrer Majestät aus dem Wams und klatschte ihn vor dem Dicken auf den Monstertisch.

      „Lesen Sie!“ befahl er schroff.

      Der Dicke glättete das Pergament, nuckelte an der Tonpfeife, las, wiegte den Kopf, nickte, seufzte und sprach mit sich selbst. Viel war das nicht.

      „Soso“, sagte er. Und: „Hm-hm.“ Und: „Ja, ja.“ Und wieder: „Soso.“ Dann folgte: „Fein-fein.“ Er las den ganzen Kaperbrief von oben bis unten, dann noch einmal quer, und als er ihn von unten nach oben lesen wollte, nahm Hasard ihm das Pergament wieder weg.

      „Jetzt reicht’s“, sagte er. „Wir haben die Absicht, in den nächsten Tagen in die Karibik auszulaufen und daher keine Lust, noch nächste Woche Ihre Sprüche über gähnende Leere zu hören. Wir müssen ausrüsten, und Sie werden sich verdammt in Bewegung setzen, um das heranzuschaffen, was Kapitän Ribault und ich in unseren Listen aufgeführt haben. Hier sind sie!“ Hasard legte seine und Jean Ribaults Anforderungsliste dem Dicken vor den Bauch.

      Der begann von neuem zu lesen, zu schnaufen, zu seufzen und den Kopf zu schütteln. Dann kicherte er hysterisch und deutete mit dem tönernen Pfeifenstiel auf einen Posten in Hasards Liste.

      „Zwanzig Ballen Segeltuch!“ Er pumpte sich auf wie ein Ochsenfrosch. „Sind Sie verrückt, Kapitän Killigrew? Die kann ich mir doch nicht aus den Rippen schneiden! Und das Tauwerk erst! Soll ich mir das aus den Ohren spinnen …“

      „Mir egal!“ fauchte Hasard. „Ob aus den Rippen schneiden oder aus den Ohren spinnen – wenden Sie sich an Ihre Lieferanten, und setzen Sie Druck dahinter. Falls Sie sich überfordert fühlen, werde ich mich nicht scheuen, bei Ihrer Majestät um Ihre Ablösung zu bitten. Laut Kaperbrief unserer Königin sind Sie verpflichtet, mir jedwede Hilfe zu leisten. Oder meinen Sie vielleicht, ich segele wie ein Hungerleider in die Karibik – mit Palmenblättern als Segeltuchersatz und Lianen anstelle von Schoten, Brassen und Fallen?“

      „Ich hab aber doch nichts!“ jammerte der Dicke. „Und wenn Sie mich vierteilen, teeren und federn.“

      „Gar nicht mal so eine schlechte Idee“, murmelte Jean Ribault und fixierte den Dicken, als prüfe er, an welchen Stellen die Vierteilung am besten vorgenommen werden könne.

      „Eine ausgezeichnete Idee“, meinte auch Hasard.

      Jetzt wurde der Dicke doch etwas kribbelig. Im übrigen hatte er genug vom Seewolf gehört. Und der Franzose sollte ebenfalls eine ziemlich scharfe Nummer sein.

      „Lassen Sie doch Ihre dummen Witze, Gentlemen“, sagte er pikiert. „Admiral Drake war gestern hier und legte mir genau wie Sie eine Anforderungsliste vor …“

      „Neue Beiboote, wie?“ fragte Hasard höhnisch.

      „Ja, die waren auch darunter.“ Der Dicke zuckte zusammen und starrte zu Hasard hoch. „Stimmt das, daß Ihre Männer diese Beiboote in der Mill Bay versenkt haben?“

      Hasard zuckte mit den Schultern. „Die Leute reden viel. Haben Sie denn Drake mit Beibooten ausrüsten können?“

      „Nein.“

      „Und das hat er sich gefallen lassen?“

      „Getobt hat er“, erwiderte der Dikke seufzend. „Aber was soll ich tun? Seit den Armadakämpfen sind meine Lager geplündert. Ich weiß gar nicht, warum ich hier noch sitze.“

      „Das frag ich mich auch“, sagte Jean Ribault und grinste anzüglich. „Schließen Sie doch Ihren Saftladen, Mister Deventer.“

      „Ich verbitte mir es, mein Arsenal mit Saftladen zu bezeichnen“, sagte der Dicke giftig.

      „Ich hör immer Arsenal“, erklärte Jean Ribault. „Was ist denn ein Arsenal, das leer ist? Doch kein Arsenal mehr, oder? Also ist es ein Saftladen, ein Nichts, eine unnötige Angelegenheit mit Mauerwerk und Dach, aber ohne Inhalt. Abreißen sollte man diese Bude. Ihre beiden Schreiberlinge und die beiden Sekretäre hätten Sie längst feuern sollen. Die halten sich nur noch an ihren Stehpulten fest, statt Ihre Lieferanten vielleicht einmal persönlich aufzusuchen und für Nachschub zu sorgen. Anfang August war die Schlacht gegen die Spanier beendet, jetzt haben wir Mitte September. Man könnte beinahe meinen, Sie und Ihre Leute hätten in den letzten anderthalb Monaten weiter nichts getan als geschlafen. Führen Sie eigentlich Bestandslisten, Mister Deventer?“

      Der Dicke fuhr hoch. „Natürlich!“ Seine Pfeife war ausgegangen, und die Nebelwolken verteilten sich.

      „Dort in den Folianten?“ fragte Jean Ribault hinterhältig und deutete auf die schweinsledernen Werke, die John Deventers Brustwehr bildeten.

      „Ja.“ Und dann biß sich der Dicke auf die Zunge und wuchtete sich keuchend hinter dem Schreibtisch hoch. „Sie wollen doch nicht …“

      „Doch, wir wollen“, unterbrach ihn Jean Ribault. „Kapitän Killigrew und ich lesen so gerne. Jeden Abend lesen wir uns gegenseitig aus der Bibel vor, zu später Stunde auch die Werke von William Shakespeare, aber ganz besonders scharf sind wir auf Bestandslisten. Ganz trunken vor Glück sind wir, wenn wir die lesen können.“

      Jean Ribault grinste, Hasard grinste, nur der Dicke grinste nicht. Er war dem Heulen nahe, grapschte nach dem Folianten ganz links von sich und zerrte ihn zu sich heran.

      „Aha“, sagte Jean Ribault.

      „Soso“, sagte Hasard.

      „Wollen wir mal wetten, Freund Hasard?“ fragte Jean Ribault.

      „Aber gern, mein lieber Jean“, erwiderte Hasard. „Ich wette, daß in dem Folianten, den unser guter Freund Deventer so zärtlich umarmt, als sei er sein ganzes Glück, daß also in diesem Folianten die Bestände verzeichnet sind. Die Bestände, verstehst du? Nicht die gähnende Leere.“

      „Also du bist mir doch ein Schlauer“, sagte Jean Ribault und mimte den Empörten. „Dann wettest du ja genauso wie ich, das ist doch keine Wette.“ Er duckte sich etwas und drehte langsam den Kopf zu dem Dicken, auf dessen Stirn jetzt die Schweißtropfen glitzerten. „Aber da ist ja noch unser guter Freund Deventer“, fuhr er fort, „der wettet sicher dagegen, nicht wahr?“

      „Gegen – gegen was?“ fragte der Dicke und war sehr kurzatmig.

      „Paß auf, mein Guter“, sagte Jean Ribault vertraulich und beugte sich über den Monstertisch. „Mein Freund Hasard und ich behaupten, daß in deinem lieben Folianten die Bestände fein säuberlich aufgezeichnet sind, die sich noch auf Lager befinden. Und du wettest dagegen und sagst, laut deiner Bestandsliste sei nichts mehr da als gähnende Leere in Lagerhallen und Schuppen, Gewölben und Speichern. Klar, mein Guter?“

      „Und


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