Seewölfe - Piraten der Weltmeere 592. Fred McMason

Читать онлайн книгу.

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 592 - Fred McMason


Скачать книгу
an.“

      Seine kraftvolle Stimme klang ganz weit entfernt, als spräche er aus einer anderen Welt. Es ließ sich auch nicht feststellen, aus welcher Richtung seine Stimme ertönte.

      „Scheint aber doch noch eine ganze Weile zu dauern“, erwiderte der Decksälteste Smoky. „Man kennt das ja in dieser Ecke. Wenn der Nebel sich erst einmal festgesetzt hat, dann verschwindet er auch nicht mehr so schnell.“

      Smoky war für sein Gegenüber nur noch ein heller dunstiger Fleck, gesichtslos, zerfließend wie ein Geist, der sich unruhig bewegte, obwohl er ganz still saß. Seine Stimme schien aus einer tiefen Gruft an die Ohren der anderen zu dringen.

      Old O’Flynn schüttelte sich unbehaglich und sah sich in dieser „Geisterrunde“ immer wieder nach allen Seiten um. Ein bißchen fröstelnd zog er die Schultern hoch. Er gewahrte, daß etwas auf ihn zukroch und ihn mit kalten feuchten Fingern anzufassen schien. Nebelgeister, tanzende Kobolde und Gnome aus einer schattenreichen Welt, die ein normaler Mensch nicht begriff.

      Nach dem Essen standen sie auf und wanderten auf dem Schiff umher. Ein paar Arwenacks standen am Schanzkleid und starrten in die fast greifbare Suppe, die sie wie ein eisiger Hauch von allen Seiten berührte.

      Klamm und feucht war es. Selbst das Wasser war nicht zu sehen. Die Umgebung erweckte den Eindruck, als schwebten beide Schiffe irgendwo zwischen Himmel und Erde. Es gab kein Oben und Unten mehr, keine Richtung ließ sich bestimmen. Sie waren in einer Materie gefangen, die sie nie mehr freizugeben schien.

      Ein paar Stunden lang ging das so. Sie verharrten offenbar immer auf demselben Fleck, wurden von der Dünung nur leicht angehoben und dann wieder abgesetzt.

      Viel später war ein weit entferntes leises Winseln zu hören, das ebenfalls aus dem Nichts ertönte. Ein kaum spürbarer Hauch fuhr über sie hinweg, der das Frösteln noch verstärkte.

      „Wind“, sagte Don Juan leise. „Es kommt Wind auf, aber er scheint uns noch nicht zu erreichen.“

      „Jetzt wird es nicht mehr lange dauern“, erwiderte Hasard. „Wir sind nur noch nicht richtig in der Windzone drin.“

      Sie lauschten angestrengt in den Nebel. Das leise Winseln wiederholte sich. Dann glaubten sie, einen langgezogenen Seufzer zu hören, der klagend über der See verhallte.

      „Unheimlich ist das“, murmelte Old O’Flynn beklommen. „Als sei hier jemand ganz in der Nähe. Wenn mich nicht alles täuscht, dann habe ich eben sogar Stimmen gehört.“

      „Dich täuscht vermutlich alles“, meinte der Seewolf. „Oder hat noch jemand Stimmen gehört?“

      „Donegal hört immer Stimmen im Nebel“, versicherte der Profos mit einem schiefen Grinsen. „Wahrscheinlich haben sich ein paar Wassermänner unterhalten oder gefragt, ob sie an Bord aufentern dürfen.“

      Sie grinsten alle ein bißchen über Donegal, weil der immer was hörte oder sah, was kein anderer wahrnahm. Ganz besonders stark ausgeprägt waren seine Sinne bei Nebel. Da hörte er sogar die Seegurken husten.

      „Der Wind streicht in einiger Entfernung an uns vorbei“, murmelte Ferris Tucker. „Das haben wir schon oft erlebt. Hier die totale Flaute, etwas weiter ein frischer Wind, von dem wir nicht einmal berührt werden.“

      „Das ist richtig“, pflichtete Luke Morgan bei. „Aus eben diesem Grund haben wir das Schiff auch schon in die Windzone gerudert.“

      Als sie wieder schwiegen und in den Nebel horchten, knarrte irgendwo ein Block. Ein Windgeräusch war zu hören, als blähe sich ein Segel ganz plötzlich.

      „Das war nicht bei uns“, sagte Old Donegal heiser. „Das weiß ich genau.“

      „Wo soll es denn sonst gewesen sein?“

      Noch bevor der Alte etwas erwidern konnte, war wieder undeutlich ein Knarren zu hören. Wasser rauschte leise, aber die Richtung ließ sich nicht bestimmen.

      Jetzt wurde auch Hasard hellhörig.

      „Nein, das war nicht bei uns“, sagte er bestimmt. „Der Nebel verzerrt zwar die Geräusche, verfälscht sie und schwächt sie ab, aber das erklang aus einer anderen Richtung, da muß ich dir recht geben, Donegal.“

      „Aber es kann kein anderes Schiff sein“, protestierte Smoky leise. „Wenn wir nicht segeln können, dann kann es auch kein anderer.“

      „Da wäre ich mir nicht so sicher“, meinte Hasard, während er aufmerksam in die wabernden Schleier blickte und sie zu durchdringen versuchte. „Luke hat das doch gerade gesagt, daß wir das Schiff schon in die Windzone ruderten und sich diese Windzone nur ein oder zwei Meilen weiter weg befand. Möglicherweise weht in einer Meile Entfernung ein Wind, der uns nicht erreicht. Folglich kann es auch ein anderes Schiff geben, das noch bequem zu segeln vermag.“

      Smoky nickte gedankenverloren vor sich hin. Ihm war das irgendwie unheimlich, aber er sagte nichts.

      Nach einer Weile hatten sie alle das eigenartige Gefühl, als halte ein großes, unsichtbares Schiff genau auf sie zu. Sie stierten sich die Augen aus, doch sie sahen in der zähen Suppe nicht einmal die Andeutung eines Schattens.

      Dafür waren unheimliche und verzerrt klingende Stimmen zu hören. Old O’Flynn lehnte am Schanzkleid und bekreuzigte sich.

      „Ein Geisterschiff“, murmelte er. „Die tauchen immer im Nebel auf, man hört sie, aber man sieht sie nie. Und wenn der Nebel dann weg ist sind sie ganz plötzlich verschwunden.“

      „Erzähl keinen Stuß“, sagte Carberry grob. „Geisterschiffe gibt es nicht, auch nicht im Nebel.“

      „Gibt es doch. Ich bin solchen Schiffen schon mal begegnet, und jedes Mal gab es danach ein Unglück.“

      „Und warum tauchen die nur im Nebel auf?“ fragte Carberry.

      „Das weiß niemand. Aber es ist nun mal so.“

      Carberry zuckte leicht zusammen, denn jetzt war ganz deutlich ein lautes Knarren zu hören. Es schien sich direkt vor ihnen zu befinden. Und dann rauschte es, als segele ein Schiff unmittelbar neben ihnen vorbei.

      Dieses Geräusch war nicht zu überhören. Hasard stand gespannt und sehr aufmerksam am Schanzkleid und blickte in die wabernden Bänke, in das Wallen, Kochen und Brodeln, das aus tausend Kesseln dampfte.

      „Feuert mal einen Schuß aus einer Muskete oder Pistole ab“, sagte er laut. „In unserer Nähe befindet sich zweifellos ein Schiff. Ich möchte nicht, daß wir miteinander kollidieren.“

      Dan O’Flynn zog seine doppelläufige Radschloßpistole, hielt sie hoch und feuerte einen Schuß in die Luft ab. Gleich darauf folgte ein zweiter.

      Der Knall war sehr dumpf und klang matt und gedämpft, als ersticke das Echo in einem riesigen Berg aus Watte. Nicht einmal das Aufblitzen des Mündungsfeuers war zu sehen.

      Die Antwort erfolgte ein wenig später und bestand zur Verblüffung der Arwenacks aus einem verzerrten und ebenfalls sehr dumpf klingenden „Hohoho!“ Dann folgte noch ein Zusatz, der sich verblüffend nach „englischen Kanalratten“ anhörte.

      Die Arwenacks, die sich unmittelbar gegenüberstanden und sich schemenhaft in den Umrissen erkennen konnten, blickten sich entgeistert an.

      Der Seewolf holte tief Luft und stieß sie langsam wieder aus.

      „Ich habe mich wohl verhört“, sagte er verdutzt. „Aber der verdammte Nebel verzerrt alles. Habt ihr die Stimme auch gehört, oder bilde ich mir das nur ein?“

      Die anderen bestätigten, daß sie die Stimme ebenfalls gehört hätten.

      „An wen hat euch die Stimme erinnert?“ fragte Hasard.

      Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten.

      „An den Wikinger Thorfin Njal“, sagte Ferris Tucker entschieden. „Dieses ‚Hohoho‘ war unverkennbar, und dann vernahm ich noch etwas von ‚englischen Kanalratten‘.“

      Die


Скачать книгу