Seewölfe - Piraten der Weltmeere 508. Burt Frederick
Читать онлайн книгу.der Rechten stopfte er ihm den Perlenbeutel in den Mund. Es knirschte, als der Kreole reflexartig zubiß. Im nächsten Moment konnte er nur noch ein Gurgeln von sich geben, da er keine Luft mehr kriegte.
Quebracho richtete sich auf, trat zwei Schritte zurück und wartete geduldig, bis der Kreole den Beutel mühsam herausgewürgt hatte und schließlich auf die Beine gelangte. Er holte Luft und ballte die mächtigen Pranken zu Fäusten. Die Wut und die Demütigung hatten seine Augen gerötet.
„Das wirst du mir büßen“, sagte er keuchend.
„Dann mal los“, entgegnete Quebracho grinsend.
Aus den Augenwinkeln sah er, wie sie in den Hütten nach und nach wach wurden. Wenn sich ein Kampf anbahnte, witterten sie es im tiefsten Schlaf. Dafür hatten die Kerle eine Nase. Mit dieser Nase vermochten sie Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden.
Malvina stand zitternd da und gab sich nicht einmal Mühe, ihre Blöße zu verdecken.
Dubuque stieß einen dumpfen Laut aus und stürmte auf seinen Gegner los. Quebracho schenkte es sich, ihm auszuweichen. Er ließ ihn einfach gegen seine eisenharten Fäuste rennen und steckte die dadurch gedämpften Hiebe des Kreolen ein, ohne mit der Wimper zu zucken.
Für Dubuque war es, als sei er gegen den Großmast der „Bonifacio“ gerannt, die dort draußen, im noch trüben Morgenlicht der Bucht vor Anker lag. Sein Mund öffnete sich vor Schreck und Staunen und wurde im nächsten Moment zugeknallt, denn der jäh unterbrochene Ansturm ließ seinen Kopf nach vorn fliegen.
Und dann waren es Quebrachos Hammerfäuste und sein geballtes Körpergewicht aus Muskeln und Knochen, die dem Kreolen das Gefühl gaben, eben jener Großmast erwache zu Leben und schicke sich an, ihn niederzuwalzen.
Bereits bei den ersten Fausthieben glaubte Dubuque, ihm werde jeder Knochen einzeln im Leib zertrümmert. Er versuchte noch, die Arme schützend hochzubringen, doch das half ihm nichts. Quebracho fegte sie zur Seite wie dürre Zweige von einem abgestorbenen Baum.
Dubuque wankte rückwärts – mit kleinen Schritten, die immer schneller wurden. Er sah das grinsende Gesicht des Kubaners wie durch einen Nebel. Aus dem Nebel heraus zuckten die Schläge wie schmerzhafte Blitze.
Die Ränder des Nebels färbten sich rot, und blutige Schwaden begannen zu wallen. Dubuque wollte schreien, wollte seinen Gegner anflehen, aufzuhören. Doch es war ein Rest von Stolz in ihm, der es ihm verbot.
Quebracho genoß unterdessen das beifällige Grinsen der Zuschauer. Erste anfeuernde Rufe wurden laut. Klar, daß er alle Sympathien auf seiner Seite hatte.
Er stolzierte vor dem Zurückwankenden her wie ein Adliger beim Lustwandeln in seinem Palastgarten. So, als täte er es ganz nebenbei, verdrosch er den Kreolen nach allen Regeln der Kunst.
Bei jedem Schlag schüttelte sich Dubuque wie ein Baum, der von Axthieben getroffen wird. Dann, scheinbar widerstrebend, ging er zu Boden, streckte Arme und Beine von sich und rührte sich nicht mehr.
Quebracho drehte sich um und verschränkte die Arme vor der Brust. Beifallsgebrüll brandete auf. Gleich darauf verstummte es, als eine schneidende Stimme aus der größten Hütte tönte.
„Ruhe jetzt, verdammt noch mal! Erst mal brauchen wir was Gutes zwischen die Kiemen, und dann veranstalten wir eine Gerichtsverhandlung!“
2.
Von diesem Augenblick an wurde es still auf der Lichtung am Rand der Bucht.
Della Rocca hatte nicht gesagt, wer bei der Gerichtsverhandlung Angeklagter sein würde. Malvina zog sich mit einem leisen Aufschrei in Quebrachos Hütte zurück, obwohl es ihre Pflicht gewesen wäre, sich an den Vorbereitungen für das Frühstück zu beteiligen.
Der Kubaner schaffte es nicht, seine braunhäutige Gefährtin zu beruhigen. Sein Hinweis, daß sie bestenfalls die Hälfte der Schuld träfe, fruchtete nichts.
„Das interessiert della Rocca einen Dreck!“ schluchzte sie und sprach damit aus, was alle in der kleinen Ansiedlung dachten.
Der Korse traf seine Entscheidungen nach Lust und Laune. Man durfte gespannt sein, wer diesmal in seiner Gunst stand und wer nicht. Bei allen, die nicht betroffen waren, entstand das Prickeln des Nervenkitzels und der gleichzeitigen Erleichterung, nicht in der Haut von Dubuque, Malvina und Quebracho zu stecken.
Aufgabe der Frauen war es, für della Rocca und seine Kerle eine Morgenmahlzeit zuzubereiten, die ihnen den Ärger darüber vertrieb, überhaupt aufstehen zu müssen.
Auf dem Platz zwischen den Hütten entstand eifrige Geschäftigkeit. Acht Frauen schleppten die beiden großen Bretter zum Strand, legten sie ins seichte Wasser und schrubbten die Essensreste vom vergangenen Abend ab. Eilends trugen sie die Bretter zurück und legten sie auf die von anderen Frauen inzwischen bereitgestellten leeren Pulverfässer.
Kleinere Fässer, die die Frauen ebenfalls aufzubauen hatten, dienten als Sitzgelegenheiten. Della Rocca liebte es, seine Speisen stilvoll einzunehmen. Nichts verabscheute er mehr, als barbarisch auf dem Erdboden hockend essen zu müssen.
Die Bretter, die als Tafeln dienten, waren aus mächtigen Pinienstämmen gesägt und stammten von einem Beutezug an der Küste bei Campeche.
Am Strand hatten andere Frauen inzwischen die Kochfeuer entfacht. Speck und Schinken brutzelten in großen Pfannen. In einem Kessel dampfte Tee, dessen Zubereitung und vor allem Bestandteile an getrockneten Kräutern und sonstigem Blattzeug della Rocca von Eingeborenen auf Hispaniola hatte.
Er und seine Männer glaubten jedenfalls fest daran, daß das Gebräu jeden Tag von neuem die Kräfte wecke, die tief in einem schlummerten.
Während die Frühstücksvorbereitungen noch in vollem Gange waren, erschien aus dem Bereich der westlich gelegenen Hütten eine Gruppe von vier Kerlen. Sie packten den immer noch bewußtlosen Dubuque und banden ihn an einen Baum am Rand der Lichtung, wo er von allen Plätzen der Frühstückstafel aus gut zu sehen war.
Noch ruhte sein Kopf mit dem Kinn auf der Brust, doch ein schmerzerfülltes Stöhnen zeigte an, daß er zu erwachen begann. Da sie ihm die Stricke lediglich um den Oberkörper geschnürt und die Arme freigelassen hatten, wurden die Auswirkungen von Quebrachos mörderischen Hieben deutlich erkennbar.
Dubuques rechter Arm hing merkwürdig verkrümmt nach unten. Er war offenbar gebrochen.
Die Frauen trugen das Essen auf. Nach und nach verließen die Männer ihre Hütten. Malvina war die einzige, die sich noch immer nicht blicken ließ. Quebracho war indessen ins Freie getreten, hochaufgerichtet und stolz.
Er ließ sich auf seinem angestammten Platz an der Tafel nieder und neigte sich seinem Nebenmann zu, einem krummbeinigen Glatzkopf, der wie della Rocca von der Insel Korsika stammte.
„Wenn er meine kleine Süße verhören will, werde ich sie an den Haaren herbeischleifen müssen.“
Der Glatzkopf wollte etwas erwidern, wurde jedoch durch wildes Gebrüll daran gehindert. Alle Köpfe ruckten herum.
Dubuque war erwacht und spürte die Schmerzen nun erst richtig. Mit hervorquellenden Augen stierte er auf seinen rechten Arm. Sein Schmerzensgeschrei wollte kein Ende nehmen.
Della Rocca, der in würdevoller Haltung und vollständig angekleidet aus seiner Hütte trat, verzog unwillig das Gesicht.
„Stopft ihm das Maul!“ befahl er schroff.
Zwei der Männer, die den Kreolen gefesselt hatten, sprangen auf. Einer drückte ihm den Kopf nach hinten, der andere stieß ihm einen ausgewrungenen Putzlappen in den Mund. Die Frauen hatten damit die Tafelbretter im Uferwasser geschrubbt. Dubuques Schmerzensbekundungen bestanden danach nur noch in einem dumpfen Gurgeln.
Jetzt erst setzte della Rocca seinen Weg fort und ließ sich am Kopfende der Tafel nieder, die seiner Hütte am nächsten stand. Respektvolle Stille war entstanden. Niemand wagte, etwas anzurühren, bevor der Korse mit dem Essen begonnen hatte.