Seewölfe - Piraten der Weltmeere 597. Sean Beaufort

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Seewölfe - Piraten der Weltmeere 597 - Sean Beaufort


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      „Du und deine Crew“, sagte Ferris und schlug ihm auf die Schulter, „ihr schuftet, als wäre morgen der Weltuntergang. Ruht euch aus, trinkt einen Becher, legt eine Pause ein – wir müssen nicht morgen fertig sein.“

      „Hochherziges Angebot. Nehmen wir gern an“, erklärte Francis und winkte seinen Leuten. „Hierher! Der Meister gibt einen aus.“

      Die Männer, die an den Decksplanken, an verschiedenen Stellen des ramponierten Schanzkleides und den Stufen der Niedergänge arbeiteten, ließen ihre Leimtöpfe, Pinsel und Hobel stehen und richteten sich ächzend auf.

      Es waren, dachte der Kutscher, im Grunde bedauernswerte Kerle, die für einen Hungerlohn schufteten und sichtlich über die kleinste Vergünstigung höllisch froh waren.

      Er hielt die Becher unter den Zapfhahn des Weinfasses und verteilte die Gefäße.

      Etwas verlegen standen die Handwerker herum und betrachteten das Schiff und die Unordnung an Deck. Sie tranken so, wie sie arbeiteten – viel zu schnell.

      Achtern arbeitete Will Thorne mit drei Londoner Segelmachern und kontrollierte jeden einzelnen Stich. Erst jetzt, in der Ruhe des kühlen Maitages, hatten die Seewölfe erkannt, wie viele kleine Ausbesserungsarbeiten notwendig geworden waren – fremde Küsten, verschiedene Häfen und eine Menge scharfer Gefechte hatten überall Spuren zurückgelassen.

      „Leute“, sagte er, „setzt eure Stiche gründlich und solide. Es hat keine Eile.“

      „Aber“, murmelte einer der Gehilfen, „wollt ihr nicht bald ablegen?“

      „Es steht noch nicht fest, wohin und wann“, antwortete Will, der sich seine eigenen Gedanken darüber machte, wo wohl das nächste Ziel der Schebecke liegen mochte. Er tippte auf Falmouth.

      Die Lateinersegel, in London kein alltäglicher Anblick, waren zum Teil von spanischen Drehbassen und Culverinen durchlöchert worden. Das Großsegel wurde an Deck ausgebreitet, verkleinert und entlang von Plankenkanten geradegeschnitten, bevor die Säume und die unterschiedlichen Tauwerkverbindungen, Augen und Bändsel eingenäht wurden. Eine mühsame Arbeit mit viel Garn, vielen Stichen und nur dann zu gebrauchen, wenn sie gewissenhaft ausgeführt wurde.

      Die Leinwandreste schnitt Will Thorne selbst klein, verstaute sie oder warf die Reste auf den Haufen von Abfall, der schon auf den rissigen Planken des Steges lag.

      Die Schebecke brauchte mindestens zwei komplette Sätze guter Segel und genügend Material, um bei Gelegenheit jede denkbare Reparatur der Segel durchführen zu können. Will Thorne setzte seinen Ehrgeiz daran, daß sich daran nichts änderte.

      „Ihr braucht mit dem Garn nicht zu sparen, Oliver“, sagte er. „Wir haben genug eingekauft. Schließlich sind wir nicht die ärmliche Flotte der Königin.“

      „Schon gut, Mister Thorne. Je besser wir nähen, desto länger brauchen wir“, erklärte der Segelmacher aus Chatwick. „Wenn’s dir recht ist …?“

      „Es ist der Befehl unseres Kapitäns“, bestätigte Will Thorne. Immerhin hatten sie mit den bisher benutzten Segeln noch die Wettfahrt themseab und themseauf gewonnen – mit riesigem Vorsprung und zum maßlosen Ärger des Günstlings der Queen.

      „Also denn“, brummte Oliver und stichelte weiter, schlang einen Knoten nach dem anderen und wartete darauf, daß die Sonne wieder zwischen den Regenwolken hervorkriechen würde.

      Thorne lehnte sich zurück und griff nach dem Bierkrug. Die Segeltuchjacken, nicht alle immerhin, die er seinen Kameraden genäht hatte, waren in der Wäscherei. Zu seiner Freude sollten sie in einer Näherei auch ausgebessert und verschönert werden, mit neuen Knöpfen und festen Säumen.

      Die Seewölfe würden staunen, wenn das Zeug zurückgebracht wurde und in den Kammern unter Deck hing. Die Jacken und Hemden hatten ebenso gelitten wie das Schiff und seine Segel.

      „Das wird sich alles ändern“, brummelte Will und nahm einen tiefen Schluck. Auf englisches Bier hatte er sich gefreut seit … Er wußte es nicht mehr, so lange war das schon her. Besonders auf das bittere, dunkle, mit dem weißen Schaum. Das gab es sonst nirgendwo auf der Welt. Er starrte in den Krug, ob nicht etwa eine Kakerlake oder eine Schabe darin den Tod des Trunkenboldes gestorben war. Er sah nur den feinen Schaum.

      Er lachte und rief zu Tucker hinüber: „In ein paar Tagen paßt die Crew nicht mehr zum Schiff. Von Stunde zu Stunde wird die Schebecke teurer und schöner.“

      „Als erstes wirst du abmustern müssen“, erwiderte der Schiffszimmermann grinsend und tappte vorsichtig zwischen den Culverinen nach achtern.

      In der Zwischenzeit waren die Geschütze längst an ihre alten Plätze zurückgebracht worden. Jetzt befanden sie sich mittschiffs in einer unregelmäßigen Reihe, weil auch die Stückpforten und das beschlagene Holzwerk drumherum ausgebessert wurden. Auch Teile einiger Lafetten brauchten eine energische Durchsicht.

      Tucker winkte unauffällig. Will Thorne stand auf und ging mit ihm bis zum achterlichsten Punkt des Grätingsdecks.

      „Du ziehst ein Gesicht, als sei dir die Suppe verhagelt“, sagte Will Thorne leise. „Was ist los?“

      „Unsere Truhen“, flüsterte Ferris. „Den Arbeitern mißtraue ich nicht direkt, aber sie wissen, daß wir nicht arm sind.“

      „Das stimmt. Es gilt praktisch für jeden, der an Bord war und sich etwas umsehen konnte.“

      Die Schebecke war alles andere als ein Schatzschiff, vergleichbar der Galeone „Fidelidad“. Aber jeder einzelne Mann der Crew besaß aus der langen Zeit der Abenteuer erhebliche Mengen an Münzen und Wertgegenständen. Nachdem genügend Münzen in englische Währung umgetauscht worden waren, bewahrte jeder seine kostbaren Habseligkeiten in einer Seemannskiste auf, die natürlich unter Deck in den Kammern standen, mehr oder weniger gut versteckt. Es gehörte nur wenig Phantasie dazu, sich vorzustellen, daß davon das Diebsgesindel angelockt wurde.

      Ein Arbeiter brauchte nur in einer Schenke ein falsches Wort zu verlieren, und das genügte, um ein paar Schnapphähne auf gefährliche Ideen zu bringen.

      „Nicht nur unsere Kisten“, sagte Ferris Tucker. „Auch alles andere. Die venezianischen Gewürze ebenso wie die Waffen. Oder die Brandsätze. Oder Conroys feines Pulver. Die verwahrlosten Kerle ziehen uns auch die Nägel aus den Planken, wenn wir nicht aufpassen.“

      Sir John, der Aracanga, klammerte sich an die leere Rahrute und schien trotz des kühlen Windes zu schlafen, denn er versteckte den Kopf unter dem linken Flügel und war seit Stunden völlig still.

      „Wir lassen heute nacht eine bewaffnete Wache aufziehen und bringen genügend Lichter aus“, sagte Will Thorne. „Warten wir, bis unsere Landgänger wieder zurück sind.“

      „Gönnen wir ihnen den Ausflug“, brummte Ferris und kratzte sich gewohnheitsmäßig im Genick. Er hatte den zweiten Landgang dazu benutzt, sein rotes Haar schneiden und sich, wie er versicherte, rasieren und den Kopf mit viel Seife waschen zu lassen. Es würde einige Zeit dauern, bis sein Schädel wieder den gewohnten Anblick bot.

      „Sie bringen, vermutlich einige Neuigkeiten mit“, meinte der Segelmacher. „Und sie werden uns erzählen, wohin wir gehen müssen, wenn wir was erleben wollen.“

      „Und wohin nicht“, sagte Ferris Tucker und kehrte zurück zum Bug, um die Arbeiten zu beaufsichtigen. Wenn er ungeduldig wurde, konnte er immer noch mit seinem eigenen Werkzeug eingreifen.

      Aber die Kerle verstanden ihr Geschäft fast so gut wie er selbst.

      Von der Galion bis zum Heck sägten, leimten, zapften und hämmerten die Arbeiter. Sägemehl und Späne flogen über Bord und trieben im schmutzigen Wasser abwärts. Zwei leere Boote hatten von der Backbordseite vertäut. Von ihnen aus würde morgen der Rumpf außen ausgebessert, stellenweise abgehobelt und neu gepönt werden. In ein paar Tagen würde die Schebecke so gut wie neu aussehen. Auch unter Deck gab es einiges aufzuklaren.

      Eine halbe Stunde später kehrten die Zwillinge entlang des Ufers zurück, wichen einem


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