Seewölfe Paket 28. Roy Palmer

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Seewölfe Paket 28 - Roy Palmer


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der Kurde“, erwiderte der Pirat. „Werdet ihr mich jetzt töten?“

      Branco Fernan lächelte aus dem Dunkel seines Helmes auf den Kurden hinunter. Güner fand, daß sein verschrumpeltes Gesicht dem einer Schildkröte glich.

      „Überlege doch mal“, sagte der selbsternannte Ritter des Herrn. „Das würde doch keinen Sinn ergeben. Erst retten wir dich, dann töten wir dich? Nein. Du lebst. Es ist ein Wunder geschehen. Danke deinem Schöpfer.“

      „Allah sei Dank“, murmelte der Flußräuber.

      „Falsch“, sagte Branco Fernan tadelnd. „Gott sei Dank.“

      „Wer ist das, Gott?“

      „Der einzige Gott, der wirklich existiert.“

      „Also Allah. Na gut, Gott sei Dank, meinetwegen“, sagte Güner. „Wo habt ihr mich gefunden?“

      „Im Fluß. Du mußt Ludmilla danken.“ Branco Fernan wies auf das Mädchen.

      Nie in seinem Leben hatte sich Güner derart geschämt. „Verdammt, es tut mir leid.“

      Natürlich übersetzte Branco Fernan alles, was er sagte, ins Holländische. Und umgekehrt übertrug er die eigenen Worte und das, was Ludmilla und Ton de Wit äußerten, so gut es ging, ins Arabische.

      „Ist nicht so schlimm“, erwiderte Ludmilla lächelnd. „Mir geht es ja gut.“

      „Es war alles Ebel Schachnams Idee“, erklärte Güner. Irgendwie war es richtig, die ganze Schuld auf den Hundesohn von einem Bärtigen zu schieben. Es stimmte ja auch, er hatte den Plan gehabt, das Mädchen zu vergewaltigen. „Er hetzte uns los, Beute zu holen. Dabei stießen wir durch Zufall auf dich.“ Er sah dem Mädchen in die Augen. „Die Kerle hielten dich für eine Hexe.“

      Ton de Wit mußte unwillkürlich lachen, als Branco Fernan das Wort „Hexe“ übersetzte. Ludmilla fixierte ihn. Hätten Blicke töten können, wäre der Riese jetzt mausetot umgekippt, ohne noch einen Laut von sich zu geben.

      Branco Fernan, der Riese und das Mädchen hörten sich an, wie der Kurde die ganze Geschichte noch einmal aus seiner Sicht erzählte – bis zu dem Punkt, an dem die Flußräuber vergeblich nach dem Trio gefahndet hatten.

      „Wir haben eben in der falschen Richtung gesucht“, schloß er seinen Bericht ab. „Ebel Schachnam glaubte nicht, daß ihr hier unten am Ufer sein könntet. Dennoch wird er weitersuchen. Ich kenne ihn. Der gibt nicht auf. Der hält durch bis zum Umfallen, und er bringt jeden um, der ihn zu bremsen versucht. Sein Haß ist grenzenlos.“

      „Er ist überzeugt, daß du tot bist“, sagte Branco Fernan nachdenklich. „Sonst hätte er dich nicht in den Fluß werfen lassen.“

      „Ich werde ihn als Gespenst heimsuchen“, sagte der Kurde mit verzerrtem Gesicht.

      Der Ritter bewegte sich, die Rüstung klapperte. „Das bleibt dir überlassen. Aber erst brauchst du Ruhe. Du mußt dich von uns pflegen lassen. Deine Wunden könnten wieder aufbrechen.“

      „Dieser Hund muß sterben!“ preßte Güner hervor, doch die jäh wieder einsetzenden Schmerzen brachten ihn zum Verstummen.

      „Wie leicht hätte die Klinge des Gegners dein Herz treffen können“, sagte Branco Fernan. „Oder sie hätte deine Eingeweide zerfetzt. Hast du daran gedacht?“

      „Ja.“

      „Sei froh, daß du lebst.“

      „Das tue ich“, erwiderte Güner. „Und ich kann eure Großherzigkeit immer noch nicht fassen.“

      „Nicht alle Menschen sind schlecht und gemein“, sagte Ludmilla. „Kapierst du das?“

      „Es fällt mir schwer“, entgegnete der Kurde wahrheitsgemäß. „Aber ich bin jetzt froh, daß ich nicht mehr bei der Bande bin. Von Ebel Schachnam wollte ich schon lange weg.“

      Aber ein Schnapphahn war und blieb er. Auch das Verlangen, das wieder in ihm aufstieg, als er das Mädchen betrachtete, ließ sich kaum bezwingen.

      „Wir werden speisen“, sagte Branco Fernan. „Das wenige, was wir haben, teilen wir gern mit dir. Wenn der Proviant alle ist, sind wir auf die Datteln angewiesen, die an diesen Palmen wachsen.“

      „Pfui, Teufel“, sagte Ludmilla.

      Güner mußte grinsen, obwohl ihm nicht danach zumute war. „Magst du Datteln auch so gern?“

      „Mir steigt gleich der Magen hoch.“

      „Das geht den meisten so“, entgegnete der Pirat. „Sie hängen uns allen zum Halse raus, weil wir in der letzten Zeit kaum noch etwas anderes gegessen haben. Ebel, dieser Schurke, wird noch seine liebe Not haben, die Kerle im Zaum zu halten, wenn er ihnen nichts zu beißen besorgt. Dann kuschen sie nicht länger. Hungrige Wölfe fallen ihren eigenen Leitwolf an, heißt es in meiner Heimat.“

      Ludmilla schauderte zusammen, als sie es vernahm.

      „Gibt es hier Wölfe?“ fragte sie mit zitternder Stimme.

      „Nein“, antwortete der Kurde. „Aber weiter oben im Norden, in meinem Land, im wilden Kurdistan.“

      „Da will ich nicht hin“, sagte sie.

      „Beruhige dich, dorthin führt uns unser Weg auch nicht“, sagte Branco Fernan. „Laßt uns nun essen und trinken.“

      Es war hell geworden. Sie entfachten ein flaches Feuer, das in der Ferne nicht zu sehen war, wärmten etwas Fleisch auf und bereiteten einen Trank aus Wasser und Honig. Noch war es kühl. Aber der Tag würde wieder warm werden. Keine Wolke trieb am Himmel über Mesopotamien.

       5.

      Mit finsterer Miene kauerte Ebel Schachnam am Ufer des Tigris. Der Hunger setzte ihm zu. Sein Magen knurrte. Nicht mal Wein konnte er trinken, um sein Gemüt ein wenig zu besänftigen.

      Güner, diese räudige Schakal, hatte den Krug fallen lassen. Es geschah ihm ganz recht, daß er tot war. Ein Meuterer und Versager wie er hatte nichts mehr bei ihnen zu suchen.

      Von viel Erfolg konnte aber auch Ebel Schachnam in den letzten Tagen nicht reden. Alles ging schief. Kein Schiff zeigte sich. Es gab keine Beute. Nirgends ein Dorf, wenigstens eine miese Hütte oder ein Fischerboot, das man überfallen und ausplündern konnte.

      Zu allem Unheil fingen die Kerle nicht einmal einen lächerlichen Fisch. Es war wahrhaftig so, als schwebe ein Fluch über der Bande der Flußräuber.

      Es mußte etwas geschehen. Lange konnte er die Kerle nicht mehr bei der Stange halten. Das wußte der Bärtige. Wenn wenigstens das verfluchte Weibsbild nicht getürmt wäre! Sie hätte für etwas Abwechslung gesorgt, und die Hundesöhne zumindest für eine Weile aufgeheitert.

      Abhilfe muß her, dachte Ebel Schachnam. Er hatte selbst die Morgenwache am Fluß übernommen, um als erster unterrichtet zu sein, falls sich irgend jemand oder irgend etwas zeigte.

      Doch seine Geduld wurde auf eine harte Probe gestellt. Die Flußlandschaft war wie ausgestorben. Nur Insektenschwärme tanzten durch die Luft. Moskitos setzten dem Bandenführer zu. Er klatschte sich mit der Hand in den Nacken und fluchte.

      Hin und wieder zog Ebel das alte Spektiv auseinander, das er einem portugiesischen Seefahrer abgenommen hatte. In einer Höhle bei Korna war er diesem Mann begegnet. Die Höhle war ein Geheimtip für alle Giaurs, die aus der alten Welt kamen und im Orient darunter litten, daß es keinen Schnaps gab.

      In der Höhle wurde illegal Wein, Bier und Schnaps ausgeschenkt. Der Inhaber, ein Bulle von Kerl, riskierte sein Leben bei dem Geschäft. Aber er nahm gewaltige Summen ein, denn seine Getränke waren teuer.

      Schlug man ihm eines Tages wegen Verstoßes gegen die heiligen Gesetze des Korans den Kopf ab, dann hatte er sein Leben wenigstens genossen. Er hatte immer die hübschesten Weiber


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