Seewölfe - Piraten der Weltmeere 403. Roy Palmer

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Seewölfe - Piraten der Weltmeere 403 - Roy Palmer


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im Nebel des 23. Juli frühmorgens an dem spanischen Verband auf der Höhe der Insel Gayo Coco vorbeigesegelt waren, ohne einander zu sehen.

      Die „Wappen von Kolberg“ und die „Empress of Sea II.“ indes waren noch unterwegs zur Koralleninsel der Timucuas, so daß auch mit ihrer Rückkehr bis zum Abend nicht zu rechnen war.

      Kämpfen, dachte Karl von Hutten, wir müssen kämpfen, kämpfen …

      Er wußte, daß sie es – trotz des ersten Erfolges – nicht leicht haben würden.

      Alles Unheil der Welt schien wieder einmal über Don Antonio de Quintanilla hereinzubrechen. In seinem grenzenlosen Selbstmitleid glaubte er, der einzige wirklich Betroffene und Leidtragende in diesem Unternehmen zu sein, das Opfer eines hinterhältigen Komplotts und menschlichen Wahnwitzes.

      Er wünschte sich, nie geboren worden zu sein, und er barg sein Gesicht verzweifelt in beiden Händen. Sein Puder war verschmiert, die Perücke verrutscht, seiner Kleidung mangelte es längst an der üblichen Pflege.

      Seit Gomez Guevara, sein Kammerdiener, tot war und die Lakaien in die Vorpiek gesperrt worden waren, kümmerte sich niemand mehr um sein Wohlergehen. Er bot ein Bild des Jammers, und doch wollte ihn keiner an Bord der „San José“ so recht bedauern.

      Aus gutem Grund: Don Antonio hatte seit dem Auslaufen des Verbandes aus dem Hafen von Havanna nur für Unruhe und Aufruhr an Bord des Flaggschiffes gesorgt. Das Badebaljen-Manöver war noch das geringste aller Übel gewesen. Dann aber hatte der dicke Gouverneur durch Guevara versucht, den Kommandanten ins Jenseits zu befördern, und zuletzt, in Remedios, war er seinem Kammerarrest entwichen, hatte mittels einer Pistole den Ersten Offizier der „San José“ als Geisel genommen und gemeinsam mit den Lakaien zu fliehen versucht, was jedoch vereitelt worden war.

      Harte Konsequenzen ergaben sich aus diesen Taten. Don Garcia Cubera war fest entschlossen, den Dicken in Havanna einem Gericht der spanischen Krone zu überantworten. Es würde einen regulären Prozeß geben, bei dem der Staat als Ankläger und Don Garcia Cubera als Kronzeuge auftreten würden. Dann hatte Don Antonio keine Chance mehr, sich zu retten, dann brach das Gebäude aus Intrigen, Korruption und Vetternwirtschaft, das er in vielen Jahren intensiver Bestrebungen errichtet hatte, wie ein Kartenhaus zusammen.

      Doch es war noch die Frage, ob dieser Prozeß jemals stattfinden würde. Eine andere Möglichkeit begann sich abzuzeichnen – die, daß man gar nicht erst nach Havanna zurückkehrte. Die Schlacht um die Schlangen-Insel drohte sich zu einem Kampf ohne Erbarmen, bis zum letzten Blutstropfen, auszuweiten, ganz anders, als er, Don Antonio, sich das anfangs ausgemalt hatte.

      Er hatte ursprünglich vorgehabt sich zum „obersten Befehlshaber“ zu ernennen und von seinem „Feldherrnhügel“, der „San José“, aus gelassen die Ereignisse zu verfolgen, die sich natürlich in entsprechender Entfernung abgespielt hätten. Anderenfalls wäre es ihm nie eingefallen, sich persönlich an Bord dieses Schiffes zu begeben.

      Doch es war alles ganz anders gekommen. Don Garcia Cubera, dieser Narr, hatte sich in den Kopf gesetzt, seinen Kapitänen als gutes Beispiel voranzugehen. Er kämpfte in der vordersten Linie, und er scheute weder Einsatz noch Verlust.

      Don Antonio hatte diese Entwicklung während der Überfahrt geahnt und versucht, den Verband zur Umkehr zu zwingen. Aber da war es schon zu spät gewesen. Cubera ließ sich nicht mehr beeinflussen, weder durch gute Worte noch durch Streit oder Drohungen. Er plante, den englischen Freibeutern den Garaus zu bereiten, und daran hielt er stur fest. Schließlich ging es um die Ehre und das Vaterland.

      Don Antonio war den Tränen nahe. Es knallte wieder, und eben hatte es diese dröhnende Explosion gegeben, bei deren Klang er sich unwillkürlich die Ohren zugehalten hatte. Was war geschehen?

      Er erfuhr es von dem Posten vor dem Schott der Achterdeckskammer. Eine Galeone die „San Gabriel“, hatte durch eine Felsenöffnung, offensichtlich die einzige Zufahrt zur Insel, ins Innere zur Erkundung vorstoßen sollen. Dabei hatte es sie zerfetzt. Offenbar waren es treibende Pulverfässer gewesen, die dazu geführt hatten, oder aber der Gegner verfügte über andere Geheimwaffen.

      Er arbeitete mit allen Tricks, dieser Feind. Don Antonio spürte, wie seine Knie weich wurden. Seine Hände zitterten. Er vermochte es nicht zu verhindern. Die Angst in ihm war übermächtig, sie siegte über seinen Haß auf Cubera und die Engländer, gegen seine Raffsucht und die Aussicht, doch noch den Schatz der Schlangen-Insel zu erbeuten.

      Überhaupt, Angst war das schlimmste Gefühl, das es gab. Sie fuhr in die Knochen und ließ einen nicht mehr los, sie saß würgend in der Kehle und trieb den kalten Schweiß aus allen Poren. Don Antonio gab eine Art erschüttertes Schluchzen von sich. Er malte sich aus, wie es gewesen wäre, wenn statt dieser „San Gabriel“ die „San José“ durch das Felsenloch in die Bucht der Teufelsinsel gesegelt wäre. Gräßlich – aber Cubera war zu jedem Wahnsinn fähig. Auch dazu. Würde die „San José“ das nächste Opfer dieser englischen Teufel sein? Ja, es war damit zu rechnen. Oben, auf den Decks, polterten die Schritte durcheinander, die Männer fluchten in allen Tonlagen. Sie schienen sich auf einen Vergeltungsschlag vorzubereiten. Vielleicht hatte sich dieser verrückte Kommandant sogar vorgenommen, auf der Insel zu landen.

      Don Antonio stöhnte auf. Er sah schon, wie sich die Piraten mit verzerrten Gesichtern über das Schanzkleid schwangen und die „San José“ enterten. Gräßliche Fratzen tauchten vor seinem geistigen Auge auf, und er glaubte zu sehen, wie sie reihenweise die Seesoldaten niedermetzelten.

      Dann rückten sie auch auf ihn zu, und einer von ihnen brüllte: „Du Fettsack, jetzt bist du dran! Wir schneiden dich in Stücke!“

      Don Antonio hob den Kopf und blickte aus weit aufgerissenen Augen auf die gegenüberliegende Kammerwand. Der Tod war ein Ungeheuer, das jetzt in allen Ecken und Winkeln des Schiffes zu nisten schien. Der Tod hatte lange, kalte Krallen, die sich durch die Ritzen des Schotts und der Planken zu schieben schienen.

      Tod – aber Don Antonio wollte nicht sterben. Nicht für den König, nicht für Cubera und nicht für die Nation. Eine Mannesehre hatte er ohnehin nicht, und das Vaterland konnte ihm gestohlen bleiben. Nur eins zählte für ihn: sein persönlicher Vorteil.

      Doch er war seinem Schicksal jetzt ausgeliefert. Er hatte keine Möglichkeit mehr, es in irgendeiner Weise zu beeinflussen. Zweimal hatte er es versucht, einmal durch einen Mordanschlag, einmal durch Geiselnahme und Erpressung. Beide Male war er kläglich gescheitert.

      Wieder bereute er, kein Gift mitgenommen zu haben. Mit einer winzigen Dosis eines weißen Pülverchens hatte er schon oft Probleme beseitigt, die sich anders nicht lösen ließen. Zuletzt hatte Don Ruiz de Retortilla, der Stadtkommandant von Havanna, dran glauben müssen, der ihm auf höchst bedenkliche Weise gefährlich geworden war.

      Doch er hatte kein Gift, und auch die doppelläufige Pistole, mit der er seinen Fluchtversuch unternommen hatte, war natürlich nicht mehr vorhanden. Er war machtlos und konnte nur noch abwarten, was weiter geschah.

      Gerade das stimmte ihn so verzweifelt. Cubera hatte ihn in der Hand: Wenn er wollte, konnte er dafür sorgen, daß Don Antonio de Quintanilla ums Leben kam. Auf diese Weise würde er sich rächen und gleichzeitig einen unbequemen Zeitgenossen aus dem Weg schaffen.

      Daß Cubera nicht der Mann war, der so üble Taten vollbrachte, vergaß Don Antonio in seiner panischen Angst. Cubera war es gewesen, der ihm zu dem Kammerarrest verholfen hatte, sonst wäre es längst um ihn geschehen gewesen, weil das Bordgericht, das Gomez Guevara zum Tod verurteilt hatte, mit Leichtigkeit auch ihn hätte hängen lassen können. Doch das vergaß Don Antonio völlig, und er empfand nicht die Spur von Dankbarkeit gegenüber dem Capitán Cubera, sondern nur tiefen Haß.

      Don Antonio fluchte und stöhnte. Wenig später, als die Kanonen zu donnern begannen, preßte er wieder die Hände gegen die Ohren und jammerte um sein erbärmliches Leben.

      Don Garcia Cubera hatte alles viel zu genau verfolgen können – das Eindringen der „San Gabriel“ in den Felsendom, dann die Explosion, bei der es die Pulverkammer des Schiffes mit einem enormen Getöse zersprengt hatte. In ohnmächtigem Entsetzen schloß Cubera die Augen, als es geschah,


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