Seewölfe - Piraten der Weltmeere 537. Burt Frederick

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Seewölfe - Piraten der Weltmeere 537 - Burt Frederick


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Mantaka und die anderen Dreckskerle so gern taten. Immer wieder dachten sie sich neue Gemeinheiten aus.

      Später, bei ihren abendlichen Gelagen, gaben sie die Geschichten dann zum besten und brüsteten sich voller Stolz damit. Und Mantaka war der schlimmste von allen.

      Borracho atmete tief durch.

      „Ich bin kein Feigling“, sagte er und strengte sich dabei an, seine Stimme fest und entschlossen klingen zu lassen. „An mir soll’s nicht liegen, verdammt noch mal!“

      Die Kerle vor der Gittertür kicherten und spendeten Beifall, indem sie mit den freien Händen gegen die Eisenstäbe klatschten. Der Baske brummte zufrieden.

      „Dann mal los“, sagte er. „Du wirst sehen, Rattensuppe schmeckt bestens.“

      Borracho nickte, stolz jetzt auf seine bevorstehende besondere Leistung. Er schob beide Hände gleichzeitig vor und schloß sie um den Napf. Langsam hob er ihn an. Sein Zittern hatte fast völlig aufgehört.

      „Halt!“ Jorge Vero klatschte mit der flachen Hand auf den Tisch, daß der Säufer zusammenzuckte und beinahe die graue Suppe verschüttete. „Laß es sein, Borracho. Wir werden alle davon kosten.“

      Der Mann mit dem Furchengesicht blinzelte verwirrt und sperrte den Mund auf.

      Mantaka zog unwillig die Brauen zusammen. Die beiden anderen stellten ihr Kichern ein, ihre Mienen wurden erkennbar wachsamer.

      „Was soll das?“ knurrte der Baske. „Ihr könnt euch nicht einfach über meine Anordnung hinwegsetzen.“

      „Das tun wir auch nicht“, entgegnete Vero freundlich, während er aufstand und die anderen seinem Beispiel folgten. „Wir wollen nur für Borracho vorkosten. Wenn es uns allen schmeckt, wird er es leichter haben, sich unvoreingenommen ein genaues Urteil zu bilden. Genau das ist es doch, was der Comandante möchte, nicht wahr?“

      Mantaka preßte die Lippen aufeinander. Seine Aufseherkameraden kriegten es nicht mit, doch er selbst begriff sehr wohl, daß er hier mit den Waffen seiner eigenen lächerlichen Argumentation geschlagen wurde. Er beschloß, darüber erhaben zu bleiben, sich nichts anmerken zu lassen und das Spiel mitzuspielen.

      „Gut, meinetwegen“, sagte er mit einer wegwerfenden Handbewegung. „Dann probiert ihr eben alle die Rattensuppe.“

      Die beiden Bewaffneten auf der anderen Seite der Gittertür kicherten wieder. Mantaka, so schien es, vervielfachte den Spaß.

      Jorge Vero und die vier anderen schoben sich auf die Stirnseite des Tisches zu, um an den Napf zu gelangen, den Borracho noch vor sich stehen hatte. Niemand, am allerwenigsten die Aufseher draußen, beachtete Veros beiläufige Bewegung, als er im Vorbeigehen den Arm hob – offenbar, um sich am Hinterkopf zu kratzen.

      Vero griff nach dem Napf, seine Zellengefährten bauten sich hinter ihm auf, wie, um Schlange zu stehen, und sie verbauten dadurch den beiden Bewaffneten vorübergehend den Blick auf Mantaka.

      Als das Blickfeld wieder frei war, traf der Schreck die Aufseher wie ein Hieb.

      Mantaka hatte sich zu ihnen umgedreht. Er starrte sie an, und dabei wölbten sich seine Augen hühnereigroß aus den Höhlen.

      Mit beiden Händen griff er sich an die Brust, riß den Mund weit auf und ließ doch nicht den leisesten Ton hören.

      Jorge Vero und die anderen schienen nichts von der merkwürdigen Veränderung zu bemerken, die mit dem Basken vor sich ging.

      „Dann wollen wir mal“, sagte Vero und hob den Napf an die Lippen.

      Ein Röcheln drang plötzlich aus Mantakas Kehle.

      Vero hielt inne und wandte sich zur Seite. Die Mitgefangenen folgten seinem Beispiel.

      Die Aufseher im Korridor standen noch immer wie erstarrt.

      Borracho riß die Augen auf und blinzelte heftig.

      Mantakas Röcheln riß ab. Statt dessen ging sein Atem stoßweise, doch seine Standhaftigkeit schien unerschütterlich. Er erinnerte die Männer an einen mächtigen Baum, der nicht einmal im Sturm schwankte.

      „Was ist denn das?“ sagte Jorge Vero gedehnt und mit gut gespielten Erstaunen.

      Es war, als hätten die Aufseher auf seine Worte gewartet, um aus ihrer Fassungslosigkeit zu erwachen.

      „Keiner rührt sich!“ brüllte der eine, ein schwarzbärtiger Klotz von einem Kerl. „Zurück, an die Wand mit euch!“

      „Was denn nun?“ fragte Jorge Vero freundlich. „Nicht rühren oder an die Wand?“

      Mantaka stand starr wie zuvor und schien sich eher in die Höhe zu schrauben, statt umzustürzen.

      Der zweite Aufseher, ein schlanker Mann mit glattem Gesicht, riß den Riegel der Gittertür zurück.

      Der Schwarzbärtige lief rot an.

      „An die Wand!“ schrie er.

      Vero wechselte einen Blick mit seinen Gefährten und zuckte mit den Schultern.

      Sie schoben sich hinter Borracho an dem Tisch vorbei, so daß sie nicht in Mantakas Nähe gelangen mußten. Nacheinander bauten sie sich an der Stirnwand der Zelle auf, unter dem Fenster, durch das das Sonnenlicht quadratisch gebündelt fiel. Auch Borracho erhob sich und folgte dem Beispiel seiner Mitgefangenen.

      Wieder ertönte ein Röcheln. Der Baske erzitterte jetzt. Eine unsichtbare Gewalt schien seinen Körper durchzuschütteln.

      Der Schwarzbärtige stürmte als erster in die Zelle. Er hielt die Pistole schußbereit und vergewisserte sich mit einem raschen Seitenblick, daß der andere ebenfalls zur Stelle war. Der Schwarzbärtige streckte die Linke aus, als wollte er Mantaka berühren.

      „Was ist los mit dir, Mantaka? Himmel, so sag doch was!“

      Ein erneutes tiefes Röcheln ließ den Schwarzbärtigen zurückzucken.

      „Zuviel Sauferei, zuviel Hurerei“, sagte Jorge Vero trocken, „das haut den kräftigsten Kerl aus den Stiefeln.“

      „Ruhe!“ rief der Glattgesichtige, der sich in der Nähe der Gittertür aufgebaut hatte.

      Auf den Röchelnden wirkte es wie ein Kommando.

      Schlagartig, als habe jemand einen letzten haltenden Faden abgeschnitten, kippte er vornüber. Der bärtige Aufseher mußte zur Seite springen. Steif wie ein Brett schlug der Baske mit dem Gesicht auf den Steinboden der Zelle.

      Erneuter Schreck befiel die Aufseher wie ein lähmendes Gift. Nur die Pistolen hielten sie unverändert im Anschlag, instinktmäßige Wachsamkeit bewirkte dies.

      Jorge Vero und seine Gefährten hüteten sich indessen, auch nur an einen Angriff zu denken. Gewalt war nicht das geeignete Mittel für einen Ausbruch aus dem Gefängnis auf der Insel „Sangre del Diablo“. Auf die Weise hatten es schon viele versucht, und sie waren alle gescheitert.

      Vero und die anderen wußten, daß ihre Chancen vor allem in einer sorgfältigen Planung lagen. Aber selbst dann war das Risiko noch mörderisch hoch.

      Jetzt, nach Mantakas Tod, waren sie gezwungen, ihren langgehegten Plan in die Tat umzusetzen. Es gab kein Zurück mehr. Das begriffen sie alle – bis auf Borracho, der mit seinem umnebelten Hirn nie mehr als ein willenloses Anhängsel gewesen war und es auch bleiben würde.

      Die Aufseher überwanden ihren Schreck erst nach Sekunden.

      „Er braucht sofort Hilfe“, sagte der Glattgesichtige gehetzt. „Soll ich …?“ Er wollte sich umwenden und in den Korridor hinaus.

      „Narr!“ fauchte der andere ihn an. „Hier braucht keiner Hilfe, Mantaka am allerwenigsten. Halte die verfluchten Hundesöhne in Schach. Wenn sich einer bewegt, schießt du. Klar?“

      Der Aufseher mit dem glatten Gesicht nickte. Sein Compadre beugte sich über den reglosen Körper des Basken. Langsam und vorsichtig drehte er ihn auf den Rücken, ohne dabei die Pistole aus der Hand


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