Seewölfe Paket 29. Roy Palmer

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Seewölfe Paket 29 - Roy Palmer


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ab, einmal mit Taschendiebstahl und zum anderen mit ihrer Gewaltmethode, für Fatimas billigen Bauchtanz Geld zu kassieren.

      Ja, das hatte Methode: sobald ein Bestohlener sozusagen als Zechpreller „entlarvt“ war wurde er von Baobab oder Mehmed Bulba zusammengedroschen, was bewirkte, daß die anderen Zuschauer fleißig zahlten.

      Und es stand fest, daß Baobab und Mehmed Bulba sehr genau beobachtet hatten, welche Zuschauer vom „König der Taschendiebe“, dem Obergauner Kaliban, bestohlen worden waren. Sie brauchten sich dann nur einen vorzunehmen, um ihn durchzumangeln. Und schon klingelten die Talerchen.

      Dieses miese Spiel war auch mit Mac Pellew und Old Donegal geplant gewesen, aber die hatten wenigstens schnell und hart reagiert und waren dann abgesaust.

      Klar auch, daß sich diese Langfinger – insbesondere Kaliban – Leute aussuchten, die von Aussehen und Kleidung her als Fremde zu erkennen waren, als ungläubige Christenhunde. Wenn die als Schwarzgucker entlarvt worden waren, dann konnte geschickt die Volkswut aufgestachelt und somit nutzbar gemacht werden. Nicht auszudenken, was mit Old Donegal und Mac passiert wäre, wenn sie nicht sofort hart und schnell reagiert hätten.

      „Sie sind zu miesen Beutelschneidern geworden“, sagte Philip erbittert. „Hättest du das für möglich gehalten?“

      „Wir haben damals auch schon klauen müssen“, erwiderte Hasard, „vergiß das nicht.“

      „Das schon, aber doch nicht in einem solchen Ausmaß. Die betreiben das ja richtig mit System.“

      Hasard lächelte hart. „Sie brauchen nicht mehr hart zu arbeiten. Das Klauen, wenn man es einmal beherrscht, ist bequemer, leichter und schneller. Denk mal daran, was wir haben trainieren und üben müssen, bis wir auftreten konnten. Und dann noch tägliche Übungsstunden vor der abendlichen Vorstellung! Was haben wir uns abgerackert!“

      Philip nickte. „Kann man wohl sagen.“

      Hasard drehte sich zu dem fischigen Hassan um. „Sag mal, ob er dich erkannt hat?“

      Philip schüttelte den Kopf. „Glaube ich nicht. Es ging zu schnell für ihn. Außerdem hatte ich den Ellbogen vorm Gesicht, bevor ich zuschlug.“ Jetzt grinste er. „Inzwischen sind wir ja auch ein bißchen größer geworden und haben uns verändert. War gut, daß wir uns kostümiert haben. Hassan und die anderen Kerle haben uns zehn Jahre lang nicht gesehen und nicht die geringste Ahnung, wo wir abgeblieben sind. Um uns hier zu vermuten, müßten sie Hellseher sein – und die gibt’s nicht.“

      „Laß das nicht Granddad hören“, sagte Hasard und grinste ebenfalls. Er spähte wieder über die Bruchmauer. „Sie legen ’ne Pause ein und hocken sich um ein Holzkohlenfeuerchen. Könnte sein, daß sie diesen Bastard hier vermissen. Am besten, wir verdrücken uns und beobachten weiter. Was meinst du?“

      „Ich würde gern tätig werden“, erwiderte Philip.

      Hasard blickte seinen Bruder aufmerksam an. „Du hast was auf der Pfanne, eh?“

      „Richtig.“ Philips Stimme klang ziemlich grimmig. „Ich finde, wir sollten den Spieß umdrehen.“

      Bruder Hasard schaltete nicht so rasch wie sonst und runzelte die Stirn. „Was für’n Spieß soll umgedreht werden?“

      „Mann! Wir klauen auch, aber bei Kaliban, Achmed Ali und Muzaffer. Was die bei den Zuschauern einsacken, fischen wir ihnen wieder aus den Taschen – Langfinger, die ihrerseits beklaut werden, verstehst du? Was meinst du, was bei denen los ist, wenn sie feststellen, daß ihre eigenen Taschen leer sind?“

      Hasards überraschte Miene wechselte zum entzückten Grinsen.

      „Das ist ein Ding!“ stieß er hervor. „Genial, Brüderchen! Jawohl, das tun wir, genau das! Wir beklauen die Langfinger. Aber halt! Die merken doch vom Gewicht her, daß ihre Taschen wieder leer sind – oder der Sack, den Hassan vorm Bauch hatte. Ich schätze, auch die drei anderen sind so ausgerüstet.“

      „Merken sie nicht“, entgegnete Philip grinsend, „weil wir ihnen im Gegenzug Kieselsteinchen hineinpacken werden, um das fehlende Gewicht auszugleichen. Klar?“

      „Ich merke schon, du hast heute deinen hellen Tag“, unkte Bruder Hasard. „Dann laß uns jetzt erst einmal Steinchen sammeln.“

      Der Ledersack Hassans wie dessen Messer verschwanden unter ihren Gewändern. Dann huschten sie aus dem Gemäuer und wandten sich einem Strandstreifen nördlich des Anlegers zu, wo Kiesel in Mengen herumlagen. Inzwischen hatte die Abenddämmerung eingesetzt.

      Der fischige Hassan weilte noch im Traumland – jenseits von Gut und Böse.

      Und wieder tanzte Fatima.

      Abgesehen von Batulas Tamtam und Kikis Gezupfe war sie die einzige aus der Truppe, die Schweiß vergoß und wie in früheren Zeiten noch etwas darbot, auch wenn es dazu diente, die Aufmerksamkeit des Mannsvolkes so weit zu fesseln, daß die Langfinger ans Werk gehen konnten. Baobab und Mehmed Bulba hatten den faulsten Job. Daß sie irgend so einen Unglücksraben verprügelten, konnte ja wohl schlecht als Arbeit bezeichnet werden.

      In Stangenkörben am Anleger und entlang des Kais brannten Pechfackeln und beleuchteten die Szenerie auf der Plattform. Zweifellos war Fatimas Tanz bei diesen Lichtverhältnissen effektvoller und aufregender als bei Tageslicht, bei dem man doch recht deutlich sah, daß die Blume von Istanbul ihren Frühling längst hinter sich hatte. Verwelkt war sie noch nicht, aber ihre Spätsommerzeit hatte begonnen.

      Immerhin hatte sie genug Routine, um das zur Geltung zu bringen, was Männeraugen gern zu sehen wünschten. Im Licht der Fackeln funkelte und gleißte der Rubin, er kreiste und wippte im schnellen Takt, und es war doch ein Wunder, daß er bei all der Wackelei nicht auf und davon hüpfte.

      Der blinde alte Mann saß noch am selben Platz und lauschte dem Tamtam und den Zupfklängen. Er war zutiefst verwundert, und Allah mochte wissen, wie es hatte geschehen können, daß die Münzen aus seinem Fez verschwunden gewesen, jedoch in dreifacher Menge zurückgekehrt waren. So viele Münzen hatte er noch nie in seinem Fez gehabt.

      O Allah, ich danke dir, dachte der alte Mann.

      Eine halbe Stunde später liefen Tränen aus den Augen des blinden Mannes, denn Allah hatte ihn wieder verlassen. Nichts mehr war in dem Fez, gar nichts mehr, nicht eine einzige Münze. Allah trieb Schindluder mit dem blinden alten Mann.

      Kaliban hatte den Fez geleert, der hartherzige Kaliban mit seinen schnellen und geschickten Spinnenfingern. Er grinste sogar, dieser Zickenbart, denn in der Gilde der Taschendiebe ging der Spruch um, man solle die Finger von Blinden lassen – nicht, weil sie die Ärmsten der Armen waren, o nein! Aber man sagte von ihnen, daß sie nicht zu übertölpeln seien.

      Ha! Er, Kaliban, war eben der Größte! Der König!

      Und was der Alte alles in seinem Fez hatte, viel zuviel für diesen Tagedieb!

      Ja, Kaliban war herzlos. Und habgierig. Früher hatte er wie ein Habicht ausgesehen, jetzt war sein Gesicht zu einer Geiervisage geworden. Es war immer ein listiges Gesicht gewesen, wie es Schlitzohren eigen ist und nicht unbedingt unsympathisch sein muß.

      Doch das war Vergangenheit. Kaliban fledderte, und das stand in seiner Geiervisage. Es hatte sich dort eingegraben, in den Mundwinkeln nistete es, die hämisch verzogen waren, in den flinken, kalten Augen war es ablesbar, die herumtasteten, abschätzten, lauerten.

      Nur eins bemerkten diese beschäftigten Augen nicht – den Schatten.

      Dieser Schatten verfolgte den Zickenbart auf Schritt und Tritt, auf lautlosen Sohlen und geschmeidig wie eine Raubkatze. Und sie raubte auch, diese Katze, denn sie hatte alles von eben diesem Mann gelernt, den sie so beharrlich verfolgte. Sie kannte alle Schliche und Kniffe und jeden Handgriff beim Wildern in fremden Taschen.

      Denkt ein Taschendieb daran, daß er beim Stehlen selbst bestohlen wird? Wohl kaum. Vielmehr konzentriert er sich auf sein Opfer – und ist abgelenkt. Das ist seine Schwachstelle.

      Die Raubkatze wußte das. Es fiel ihr leicht, den Zickenbart auszunehmen


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