Seewölfe Paket 29. Roy Palmer

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Seewölfe Paket 29 - Roy Palmer


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Rand. Es geschahen Zeichen und Wunder. Ja, so voll war der Fez in all den vielen Jahren noch nie gewesen. Richtig schwer war er.

      Als der kleine Jussuf erschien, um den Großvater heimzuführen, weinte der alte Mann wieder, aber es waren Tränen des Glücks.

      „Schau, was mir Allah heute geschenkt hat“, sagte der alte Mann und hielt dem kleinen Jussuf mit zitternden Händen den Fez entgegen. „Deine Mutter wird sich freuen, und wir werden morgen einen Lammbraten essen können.“

      „Oh!“ staunte der kleine Jussuf, nahm vorsichtig den Fez entgegen und leerte ihn in einen Beutel, den er sich um den dünnen Hals hängte. „Soviel Geld habe ich noch nie gesehen, Großvater. Es sind sogar Goldmünzen dabei!“

      „Goldmünzen“, flüsterte der blinde alte Mann, „o Allah, Goldmünzen! Ich weiß nicht, wie ich dir danken soll …“

      „Gib den Beutel her, du Lümmel!“ ertönte eine harte Stimme. „Hast du geklaut, was?“

      „Nein, Herr“, stammelte der kleine Jussuf und schaute zu dem Mann hoch, der fordernd die Hand ausstreckte. Er wußte nicht, daß dieser Mann mit dem Schnauzbart Muzaffer hieß und vor vielen Jahren einmal ein geschickter Jongleur gewesen war.

      „Mein kleiner Jussuf stiehlt nicht“, sagte der blinde alte Mann empört. „Wer bist du?“

      „Halt’s Maul, du alte Krücke“, sagte Muzaffer kalt. „Oder soll ich dir den Hals umdrehen?“

      Mehr konnte er nicht sagen. Etwas krachte ihm ins Genick, und er versammelte sich auf dem Kopfsteinpflaster.

      Der Turbanmann hinter ihm hatte eine junge Stimme, und er sagte: „Geht heim, ihr beiden, schnell! Und es ist besser für den alten Mann, wenn er morgen und später nicht mehr hierher zurückkehrt. Ich werde nicht immer eingreifen können.“ Und er half dem alten Mann hoch.

      „Allah sei mit dir“, sagte der alte Mann, faßte nach der Hand Jussufs und ließ sich von ihm fortführen.

      Philip Killigrew bückte sich, packte zu und warf sich Muzaffer mit einem kräftigen Schwung über die rechte Schulter. Minuten später deponierte er ihn in einem leeren Schuppen am Hafen, betäubte ihn noch einmal und durchsuchte ihn, obwohl er wußte, daß sich in Muzaffers Ledersack nur Kieselsteinchen befanden, denn er, Philip, war der unsichtbare Schatten des Jongleurs gewesen. Und was Muzaffer geräubert hatte, befand sich in Philips Taschen.

      Nein, es ging ihm um die Waffen, die von diesen Kerlen herumgeschleppt wurden. Sie deuteten auf Schlimmeres hin als die Langfingerei. War aus Kalibans Gauklertruppe eine Bande von Messerstechern geworden, die neben dem Taschendiebstahl auch Raubmord betrieb? Hier im Hafengebiet von Istanbul?

      Möglich war alles, und es schauderte Philip bei diesem Gedanken.

      Er und Hasard waren im Grunde in der Gauklertruppe kujoniert und ausgenutzt worden, aber sie hatten bei ihr gelebt, waren mit ihr herumgezogen, und es gab auch Bindungen.

      Fatima zum Beispiel war nie böse zu ihnen gewesen. Und ausgerechnet Baobab und Mehmed Bulba, diese Muskelriesen, hatten sich nie an ihnen vergriffen. Ja, Baobab hatte dem fischigen Hassan sogar einmal ein Ding gescheuert, daß der noch Tage später mit einem schiefen Kopf herumlief. Hassan hatte sie beide auspeitschen wollen, und Baobab war dazwischengetreten.

      „Verdammt!“ murmelte Philip, denn er förderte bei Muzaffer gleich zwei Stiletts und ein Wurfmesser zutage.

      Ein Schatten huschte in den Schuppen, und sofort hatte Philip eins der Stilette in der Hand und duckte sich. Aber es war das Bruderherz, und Philip stieß zischend die Luft aus.

      „Mann, hast du mich erschreckt!“ knurrte er.

      Hasard grinste. „Kann man das überhaupt?“

      „Und ob man das kann! Mir wird’s sowieso ziemlich mulmig. Dieser Schweinehund hatte gleich zwei Stiletts und ein Wurfmesser bei sich – bißchen viel für einen lausigen Beutelschneider, findest du nicht?“

      „Ich habe die Szene bei dem Blinden beobachtet“, sagte Hasard. „Dem hatte ich den Fez gefüllt mit dem, was Kaliban bereits geklaut hatte. Muzaffer forderte von dem kleinen Jungen das Geld, nicht wahr?“

      „Ja, und dem Blinden drohte er, ihm den Hals umzudrehen“, erwiderte Philip. „Da habe ich ihm die Handkante ins Genick gedroschen.“

      „Recht so. Aber um deine Frage zu beantworten: Wenn sie einen alten und blinden Mann bestehlen und bedrohen und ein Arsenal von Stichwaffen mit sich herumschleppen, dann spricht das dafür, daß sie auch noch härter vorgehen. Da ist die Langfingerei sogar das kleinere Übel, wie ich das sehe.“

      „Sehe ich genauso. Fragt sich noch, was unser Messerwerfer Achmed Ali alles bei sich hat. Du hast Kaliban ausgenommen?“

      Hasard nickte. „Total. Sein Ledersack ist voller Kieselsteinchen, da geht nichts mehr rein. Als er das selbst gemerkt hat, ist er erst mal zu der Bude mit den Weinen gegangen und hat sich gestärkt. Und dann hat er sich zu Baobab und Bulba gesellt und ihnen zugeflüstert, für ihn sei Feierabend. Soviel wie diesmal habe er noch nie eingesackt.“

      „Tanzt Fatima noch?“

      „Ja.“

      „Dann sollten wir uns noch Achmed Ali vornehmen, Bruderherz“, sagte Philip.

      „Einverstanden, wenn der nicht auch schon Feierabend hat“, meinte Hasard.

      Hatte er nicht. Achmed Ali, der frühere Messerwerfer der Truppe, war noch am schmutzigen Werk. Trotz seiner flinken Hände beim Werfen war er als Taschendieb allenfalls Lehrlingsklasse. Er brauchte lange, bis er die Hand in der fremden Tasche hatte, und noch länger, um sie wieder herauszuziehen. Da konnte man Schweißausbrüche und das große Zittern kriegen, wenn man ihm zuschaute.

      Achmed Ali selbst verriet Nervosität beim Klauen. Dem fehlte schlichtweg die kühle Gelassenheit, die ein Langfinger zum Erfolg braucht. Er war zögerlich und hatte keinen Biß, der Gute.

      Hasard und Philip räumten ihn abwechselnd aus und mit Kieselsteinchen ein. Viel war’s nicht, geradezu läppisch.

      Und dann genossen sie, wie der fischige Hassan herantorkelte und dem großen Zauberer verklarte, er sei überfallen worden.

      Kaliban brach diesen Abend ab, ohne noch Baobab und Mehmed Bulba in Aktion treten zu lassen. Kein Schwarzgucker wurde entlarvt. Mochte sein, daß er diesen Dreh nur einmal am Tage ausprobierte. Vielleicht dachte er aber auch, dieses Mal satt in die Vollen gegriffen zu haben. Oder es verwirrte ihn, daß Hassan überfallen worden war.

      Als sich die Zuschauer verliefen, wartete die Truppe auf Muzaffer. Hasard und Philip standen hinter einer Bude und beobachteten.

      „Der muß doch irgendwo sein!“ schimpfte Kaliban und blickte sich wütend um. „Wer hat ihn zuletzt gesehen?“

      Allgemeines Schulterzucken. Keiner hatte ihn „zuletzt“ gesehen.

      „Vielleicht ist er auch überfallen worden. Oh – mein Kopf!“ jammerte Hassan.

      „Quatsch!“ fuhr ihn Kaliban an. „Wo bist du überhaupt überfallen worden, he? Etwa hier auf dem Platz?“

      „N-nein, in einer Gasse“, log der fischige Hassan, „gleich vier Kerle sind über mich hergefallen und haben mich niedergeschlagen.“

      „Verdammt, ich habe euch hundertmal gesagt, nicht in die Gassen zu gehen – und niemals allein!“ schnauzte Kaliban. „Was hattest du in der Gasse zu suchen?“

      „Ich mußte mal.“

      „Idiot!“

      Hasard und Philip waren am Grinsen. Hassan, der fischige Bastard, wollte offenbar nicht eingestehen, daß er beim Klauen erwischt worden war.

      „Ich will jetzt wissen, wo Muzaffer steckt!“ fauchte Kaliban und stampfte mit dem Fuß auf. Richtig krötig wurde er. „Los, sucht ihn!“

      Bis auf Fatima zogen sie widerwillig los. Kaliban selbst hielt sich natürlich vornehm


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