Seewölfe Paket 8. Roy Palmer
Читать онлайн книгу.spuren, ihr Lahmärsche!“ grollte der Profos in altgewohntem Ton. „Klar Schiff überall, habt ihr das jetzt gehört, oder soll ich euch die Ohren mit dem Marspieker auskratzen? Hopp-hopp, ihr Rübenschweine, sonst ziehe ich euch die Haut in Streifen …“
„Hasard!“
Es war Ben Brightons Stimme, die den Seewolf herumfahren ließ.
Der breitschultrige dunkelblonde Bootsmann stand am Steuerbordschanzkleid und hatte das Spektiv auseinandergezogen. Sein sonst so unerschütterlich ruhiges Gesicht war angespannt. Jetzt reichte er Hasard den Kieker, und der spähte aufmerksam nach Süden, wo alle Verwünschungen die spanische Küste nicht wegzaubern konnten.
Der Seewolf preßte die Lippen zusammen.
Sie waren dichter unter Land, als er befürchtet hatte. Deutlich konnte er die dünne weiße Linie des Strandes erkennen, das verschwommene Grün und Braun des Küstenstreifens, über dem noch die dunklen Wolken im Stau vor den Kantabrischen Bergen hingen. Die spanischen Kriegsgaleonen, die hier vielleicht unterwegs gewesen waren, hatten sicher in den Häfen Schutz vor dem Sturm gesucht. Im Landesinneren mußte jetzt Regen fallen. Wenn die Wolken die schroffen Gipfel des Gebirgszugs freigaben, würde Dunst die Flachküste verhüllen.
„Schiff ho!“ schrie Bill, der wieder in den Großmars geentert war. „Zwei Strich Backbord voraus!“
Hasard wirbelte herum.
Eine Stahlfeder schien sich in seiner Haltung zu spannen, als er mit dem Spektiv die nordöstliche Kimm absuchte. Drei dünne Nadeln tanzten in der Dünung, wurden größer und ließen ihre weißen, geblähten Segel erkennen.
„Dan!“ rief der Seewolf.
Der junge O’Flynn enterte über den Niedergang auf. Er hatte die schärfsten Augen der Crew und konnte schon die Kanonen einer Galeone zählen, wenn andere sie gerade erst entdeckt hatten. Schweigend nahm er das Spektiv entgegen, enterte ein Stück in die Besanwanten und spähte in die angegebene Richtung.
„Dreimastige Galeone“, meldete er wenig später.
„Ein Spanier?“
Dan zögerte und zog die Lippen zwischen die Zähne.
„Sieht nicht so aus“, meinte er schließlich. „Jedenfalls führt sie kein Kreuz unter dem Bugspriet.“
„Vielleicht ’n unfrommer Spanier!“ brummte Smoky, der Decksälteste, von der Kuhl.
„Bill!“ rief Hasard zum Großmars hinauf. „Die Galeone im Auge behalten, klar?“
„Aye, aye, Sir! Im Augenblick segelt sie mit halbem Wind Südwestkurs.“
Hasard nickte und schwang herum.
Er wollte Dan auf die Schulter tippen, der immer noch durch das Spektiv spähte, dann verharrte er mitten in der Bewegung. Seine Lider kniffen sich zu schmalen Schlitzen zusammen, scharf sog er die Luft durch die Zähne.
Er brauchte das Spektiv nicht.
Was da Steuerbord voraus hinter einer felsigen Landzunge auftauchte, war auch mit bloßem Auge zu erkennen. Galeonen! Schwer bestückte spanische Kriegsgaleonen! In Kiellinie und gestaffelt liefen sie am Wind nach Norden, drei massige, drohende Schatten. Das vierte Schiff folgte etwas zurückhängend – und noch während der Seewolf tief Luft holte, schob sich ein fünfter Bugspriet hinter den Felsen hervor.
„Meine Fresse“, murmelte Ben Brighton erschüttert.
„Spanischer Verband Steuerbord voraus!“ schmetterte eine Stimme vom Vorkastell her – und nach Lage der Dinge wirkte diese zackige Meldung fast komisch – falls ein vernunftbegabter Mensch in dieser Situation überhaupt noch etwas komisch finden konnte!
Hasard warf das Haar zurück. Seine Lippen bildeten einen harten, blutleeren Strich, ein kalter Glanz lag in seinen eisblauen Augen.
„Klar Schiff zum Gefecht!“ peitschte seine Stimme. „An die Kanonen! Batuti, Shane – klar bei Brandpfeile! Vielleicht holt uns heute der Teufel, aber er soll sich die Finger dabei verbrennen!“
2.
Schwerfällig rumpelten die beiden Wagen über die unbefestigte Straße.
Zügel klatschten, die Hufe der Maultiere stampften. Ringsum trieften die Büsche, Dampfschwaden stiegen auf und zogen sich als weißer, wabernder Nebel über den Hügelkuppen zusammen. Bilbao lag unter einer Dunstglocke. Der gleiche Dunst, der das enge Tal des Nervión füllte, der das Rauschen des Flusses dämpfte und der in einer halben Stunde schon wieder von der gierigen Sonne aufgesogen sein würde.
Der drahtige schwarzhaarige Mann auf dem Kutschbock lauschte aufmerksam in den Nebel.
Seine Fäuste umspannten die Zügel, die dunklen, tiefliegenden Augen glitten unstet umher. Er trug eine runde, weiche Mütze auf dem Kopf, genau wie der stiernackige Hüne neben ihm, wie die beiden Männer auf dem Bock des Planwagens, der dem flachen Bauernkarren folgte. Der Stiernackige hielt eine Arkebuse zwischen den Knien. Sein Kiefer bewegte sich, ab und zu spie er einen Strahl braunen Tabaksaft zur Seite.
„Läuft ja besser, als wir dachten“, murmelte er.
Der Baske neben ihm zog die Schultern hoch. Gian Malandrès glaubte nie daran, daß eine Sache gutging, bevor er sie zu Ende geführt hatte. Vor jedem Unternehmen prophezeite er, daß sie alle zur Hölle fahren würden. Trotzdem war ihm keine Übermacht zu groß, kein Bravourstück zu frech, kein Plan zu tollkühn. Gian Malandrès, der jüngere Bruder des großen, legendären El Vasco, ließ sich durch nichts und niemanden schrecken. Seit Jahren kämpfte er für ein freies Baskenland und gegen die Spanier – seit Seine Allerkatholischste Majestät, der König von Spanien, immer deutlicher zeigte, die Sonderrechte, die traditionellen „fueros“, der baskischen Provinzen einzuschränken. Sie waren keine Spanier, diese braunhäutigen, zähen Männer mit den runden Tellermützen. Sie hatten ihr eigenes Land, ihre eigene Sprache, ihre eigene Art zu leben – und die wollten sie behalten.
Gian Malandrès dachte an die Waffen, die sich auf den beiden Wagen stapelten.
Er grinste in sich hinein, um seine Augen und Mundwinkel enstanden winzige Fältchen. Sie waren vorsichtig geworden, die spanischen Herren. Nacht für Nacht kontrollierten sie die Straßen um Bilbao und den Außenhafen unten an der Flußmündung, seit die Waffentransporte zu den Rebellennestern in den Bergen überhandnahmen. Aber das konnte keinen El Vasco und keinen Gian Malandrès schrecken. Wenn die Spanier nachts ihre Fallen bauten, rollten die Wagen eben tagsüber ihren Zielen entgegen. Natürlich war so etwas Wahnsinn. Natürlich stand für Gian Malandrès jedesmal schon vorher fest, daß es eine Katastrophe geben würde. Aber am Ende ging es dann doch irgendwie gut – und heute halfen ihnen der Sturm, der Regen und jetzt der geisterhafte weiße Dunst.
Dennoch sollte El Vascos Bruder gerade heute mit seinen düsteren Prophezeiungen recht behalten.
Der Nebel wurde dünner, und die Sonne bohrte sich durch den Dunst wie ein zorniges Auge. Schwer legte sich die schwüle Hitze über das Land. Gian Malandrès spähte voraus, wo die Hügelflanken dichter zusammentraten, bis sie eine Art Hohlweg bildeten. Der Baske glaubte, eine Bewegung zwischen den Sträuchern gesehen zu haben, doch er kam nicht mehr dazu, seine Kameraden darauf hinzuweisen.
Jäh wurde es im Dickicht lebendig.
Waffen klirrten, rauhe Stimmen schrien Befehle. Spanische Befehle! Die beiden Basken zuckten zusammen, strafften sich – und da blühten im grauen Dunst schon die roten, strahlenden Feuerblumen auf.
Gian Malandrès spürte einen harten Schlag an der Schulter.
Wie ein Stoffbündel wurde er vom Bock geschleudert, verlor die Zügel und prallte schwer auf die Wegsteine. Mit einem schrillen, fast menschlichen Laut sprangen die Maultiere an und gingen durch. Schüsse knallten, Manner schrien, und wie durch ein dickes, weiches Polster hörte Malandrès den schmetternden Krach, mit dem der Wagen umstürzte.
Blindlings versuchte der Baske,