Seewölfe Paket 10. Roy Palmer

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Seewölfe Paket 10 - Roy Palmer


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die See spuckte.

      Er hatte zwar die Arbeit an Deck eingeteilt, und die Seewölfe waren auch fast alle beschäftigt, aber das waren reine Routinearbeiten, bei denen der Profos sich schlecht hinstellen und brüllen konnte, weil es etwas zu bemängeln gab.

      Nach einer Weile sahen sie ihn, wie er sich vom Schanzkleid abstieß und zum Vordeck ging. Dort besprach er etwas mit dem Decksältesten Smoky.

      Siri-Tong warf ab und zu einen Blick auf den Kompaß, blickte dann fast gleichzeitig nach dem Stand der Segel und korrigierte kaum merklich den Kurs. Dann verlor sich ihr Blick wieder fast träumerisch in der blauen Ferne.

      Hasard sah sie von der Seite an und fragte sich, was wohl in ihrem hübschen Köpfchen für Gedanken spazierengingen.

      „An was denkst du?“ fragte er schließlich.

      Ihr Blick kehrte aus der Ferne zurück und suchte seine Augen.

      „Ich dachte an die Schlangen-Insel“, sagte sie. „Ich habe in letzter Zeit oft an die Insel gedacht, und ich würde gern wissen, wie es dort wohl zum jetzigen Zeitpunkt aussieht. Wie mag es Thorfin Njal oder Jean Ribault ergehen? Was tun die anderen? Das alles sind Fragen, die mich beschäftigen.“

      „Der Wikinger“, sagte Hasard und mußte lächeln, als er sich den Nordmann mit dem blinkenden Kupferhelm vorstellte. Vor seinem geistigen Auge erschien der Franzose Jean Ribault, der draufgängerische Haudegen aus der Karibik, und all die anderen.

      Ja, er hätte auch gern gewußt, wie es dort wohl aussah, nur so, aus reiner Neugier, und was sie alle so trieben.

      „Hast du Sehnsucht nach der Schlangen-Insel?“ fragte er leise.

      „Ja“, gab sie ehrlich zu. „Dort zieht es mich stärker hin als zu meiner eigentlichen Heimat, dem Land des Großen Chan.“

      Hasard runzelte leicht die Stirn. „Es gefällt dir nicht mehr an Bord?“

      „Du hast mich falsch verstanden, Hasard. Es war nur ein Gedanke, du denkst doch auch ab und zu mal daran.“

      „Ja, das ist richtig. Ich habe immer vor, die Schlangen-Insel einmal zu einer uneinnehmbaren Festung auszubauen, aber bei dem Vorsatz blieb es bisher immer. Meist kam etwas dazwischen. Nun, bis wir die Insel wieder anlaufen, wird noch viel Zeit vergehen, aber wir werden sie wieder anlaufen, das steht fest.“

      Während er sprach, hatte er weiterhin auf die Kuhl geblickt, und dort hatte der Schimpanse Arwenack jetzt endlich die begehrte, blitzende Segelnadel erwischt.

      Er zog daran, packte blitzschnell zu und wollte türmen. Aber Will Thorne hatte noch den starken Faden im Segel hängen, und als der Schimpanse losrannte, wurde er jäh gestoppt, ließ die Nadel fahren und überschlug sich vor Schreck.

      Zeternd und keckernd stand er da. Seine Wut und Enttäuschung waren ihm deutlich anzusehen. Außerdem nutzte der karmesinrote Aracanga Arwenacks Verwirrung und flog einen Sturzangriff auf ihn, was den zeternden Affen erneut erschreckte.

      Das war das Signal für die Zwillinge, und gleich darauf balgten und tobten sie herum, bis Arwenack kreischend in den Großmars nach oben flüchtete und Sir John seinen Protest von der Rahnock auf das Deck schrie.

      Auch Siri-Tong verfolgte amüsiert das Geschehen, und damit war das Thema Schlangen-Insel wieder so gut wie vergessen.

      Hasard wollte etwas später noch einmal daran erinnern und auch noch von den gewaltigen, fast unvorstellbaren Schätzen sprechen, aber dann gab es eine Unterbrechnung.

      „Deck!“ schrie Gary Andrews aus dem Großmars. „Schiff drei Strich Steuerbord voraus!“

      Weit und breit war ihnen bisher kein Schiff begegnet. Das letzte Mal hatten sie einen Segler gesichtet, als sie an einer unbekannten Insel mitten im Pazifik vorbeiliefen. Die Identität war immer noch nicht geklärt, denn der Fremde war nur für kurze Zeit am Horizont aufgetaucht.

      An der Kimm Steuerbord voraus hob sich ein winziger Strich ab. Seine Masten waren gerade noch durch das Spektiv erkennbar, aber es stand außer Zweifel, daß der Segler in spitzem Winkel ihren Kurs kreuzen würde. Vermutlich weit achteraus, das stand noch nicht fest.

      Der Seewolf wurde neugierig.

      War es ein Engländer, ein Franzose oder vielleicht ein Spanier, der sich hier herumtrieb?

      „Vielleicht ist es ein Don“, sagte Ben Brighton. „Wir hatten schon lange keinen mehr vor den Rohren. Aber die treiben sich doch kaum in dieser Gegend herum.“

      „Die sind überall zu Hause, um zu plündern“, sagte Hasard. „Wir werden uns den Burschen mal ansehen. Wir gehen einen Strich nach Steuerbord. Laß unsere Flagge einholen, Ben.“

      „Aye, aye, Sir!“

      Inzwischen war der junge Dan O’Flynn aufgeentert. Jetzt hing er auf halber Höhe in den Wanten und blickte auf den Strich, der langsam Konturen annahm und größer wurde.

      Er enterte wieder ab und erklomm das Achterkastell.

      „Scheint ein ganz schöner Brocken zu sein“, sagte er zu Hasard. „Wenn mich meine Augen nicht täuschen, dann ist es eine dickbauchige Galeone.“

      „Und der Kapitän trägt eine Augenklappe und hat eine Narbe auf der Stirn“, setzte Brighton hinzu.

      „Darauf habe ich nicht geachtet“, erwiderte Dan grinsend.

      Was eine Begegnung zwischen einem Spanier und einem Engländer auf See bedeuten konnte, das hatten sie schon oft erfahren. Mitunter verlief sie sehr reizvoll, aber oft genug gab es auch Kleinholz und treibende Schiffstrümmer. Das brachte immer die jeweilige Situation mit sich. Man beschnüffelte sich kurz, und dann ging es zur Sache.

      Hasard wandte sich an Carberry, der händereibend auf dem Quarterdeck stand und es wieder mal nicht erwarten konnte.

      „Gefechtsbereitschaft, Sir?“ fragte er erwartungsvoll, noch ehe Hasard etwas sagen konnte.

      „Ja, das wollte ich gerade sagen, Ed. Laß auch sofort die englische Flagge einholen. Al Conroy soll die Culverinen überprüfen, aber die Stückpforten bleiben vorerst geschlossen.“

      Auf der „Isabella“ begann eine emsige Aktivität. Jeder kannte seine Handgriffe, jeder wußte was zu tun war, tausendmal hatten sie die gleichen Griffe getan, und sie konnten sie bereits im Schlaf. Die Flagge war schon eingeholt worden, die spanische lag ebenfalls bereit, falls sich erweisen sollte, daß ihnen ein Don entgegensegelte.

      Sollte das der Fall sein, so überlegte Hasard, würden sie ihr Spielchen mit ihm treiben, und daran würde er ganz sicher keinen großen Spaß haben. Er entschied sich blitzschnell, und die Seewölfe sahen ihm an, daß er wieder etwas ausheckte, das nicht gerade zum Ruhme Spaniens beitragen würde.

      „Wir sind spanische Handelsfahrer“, sagte Hasard. „Wir fahren auf eigene Rechnung für das altbekannte Kontor in Sevilla. Alle Blondhaarigen verschwinden unter Deck. Na, ihr kennt das Spiel ja noch. Es wird bestimmt wieder sehr lustig.“

      „Nur für den Don nicht“, sagte der Profos grinsend. „Die sehen anschließend immer verdammt alt aus.“

      Gelächter brandete auf, das jedoch schnell wieder erstarb.

      „Und wenn er uns gar nicht beachtet?“ fragte Smoky.

      „Dann segeln wir weiter“, sagte Hasard achselzuckend. „Was soll’s also! So oder so, etwas wird geschehen, ich bin ganz sicher, daß er uns beachtet.“

      Inzwischen war der Brocken größer geworden, und die Bauweise ließ keinen Zweifel daran, daß es ein Spanier war. Es war eine dicke, etwas träge wirkende Galeone, die sich durch die See wälzte, als hätte sie irgendwelche Beschwerden.

      Hasard griff wieder zum Spektiv. Die Galeone rückte sprunghaft näher heran.

      Ferris Tucker blickte ebenfalls durch das Spektiv, das der Seewolf ihm reichte. Ein paarmal nickte er vor sich hin.

      „Ja, ein Spanier“, sagte er, „obwohl


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