Seewölfe Paket 10. Roy Palmer
Читать онлайн книгу.dort. Sie hatten ja schon erste „Kontakte“ hergestellt.
Zwei weitere Burschen tauchten auf. Einer warf die Muskete in den Sand und hatte die Frechheit, Carberry zu fragen, ob sie ihre Waffen auf die andere Insel mitnehmen dürften.
Ed platzte fast der Kragen.
„Ihr kriegt sogar unsere Culverinen!“ schrie er. „Und alles an Pulver, was wir an Bord haben. Am besten lassen wir euch Rübenschweinen gleich das ganze Schiff da, oder wir gehen auf die Insel, und ihr könnt abhauen, wohin ihr wollt!“
Er befahl Sinona, endlich in das verdammte Boot zu klettern und die restlichen Leute nochmals zu warnen.
Dann durfte der spanische Kapitän wieder pullen, bis ihm die Zunge zum Hals heraushing, unerbittlich von Ed angetrieben.
Als das Boot anlegte, enterte der Profos auf.
„Du kannst gleich warten“, sagte er zu Sinona. „Deine anderen Kerle folgen sofort.“
Hasard war noch einmal auf der Kuhl erschienen. Er würdigte den im Boot hockenden Spanier keines Blikkes.
„Was geben wir den Lausekerlen mit?“ fragte Ben Brighton.
„Gar nichts“, erwiderte Hasard kalt. „Kein Werkzeug, keine Messer. Nur das, was sie auf dem Leib tragen. Die Vegetation ist überreichlich. Sie sollen sich von Kokosnüssen, Tomaten, Zuckerrohr und wilden Bananen ernähren, dann werden sie auch nicht so übermütig. Das Boot, das ihnen gehört, wird wieder mitgenommen, ich möchte nicht, daß diese Kerle noch einmal hier landen und die Insulaner vertreiben oder sich an ihnen rächen.“
„Ohne Boot können sie von der Insel nicht weg“, sagte Ben Brighton. „Und schwimmen – na ja, ich würde es nicht riskieren, bei den Korallenatollen wimmelt es doch von Haien.“
„Eben deshalb“, sagte der Seewolf. „Laß die Kerle jetzt an Deck bringen und dann ab mit ihnen. Die zwei Boote reichen. Suche ein paar Leute aus, Ben, für jedes Boot zwei oder drei. Und vergeßt die Lampen nicht, es wird bald dunkel.“
„Aye, aye, Sir. Sollen wir Pistolen mitnehmen?“
„Nehmt keine Waffen mit, sie können nichts unternehmen. Wir würden sie in jedem Fall kriegen, aber das werde ich dem Häufchen Elend im Boot besser selbst sagen.“
Hasard beugte sich über das Schanzkleid und sah Sinona, der mit eingezogenem Genick auf der Ducht hockte. Als Hasard ihn anrief, wurde er noch kleiner und duckte sich noch tiefer.
„Hören Sie gut zu, Sinona“, erklärte der Seewolf kühl. „Und behalten Sie das ebenso gut, was ich Ihnen sage! Sie werden jetzt mit zwei Booten zu der Insel gebracht. Sie, kennen ja die Richtung. Von meiner Mannschaft fahren sechs Leute mit, und diese Männer sind unbewaffnet. Verfallt nicht auf die Idee, sie als Geiseln zu nehmen, es würde nur eure Köpfe kosten, denn wir lösen grundsätzlich keine Geiseln aus. Dann sterben die sechs eben, aber von euch lasse ich keinen einzigen am Leben. Wir sitzen am längeren Hebel, und wir werden euch immer wieder zu fassen kriegen. Passiert etwas, bin ich mit meinem Schiff da, spätestens in ein paar Stunden. Was Ihnen dann blüht, überlasse ich Ihrer Phantasie. Haben Sie das klar und deutlich verstanden, Sinona?“ fragte Hasard.
„Si, Señor Capitan. Ich gebe Ihnen mein Wort als Caballero, daß wir nichts unternehmen. Geiseln würden uns in einem solchen Fall ohnehin nichts nützen.“
„Fein, daß Sie das einsehen.“
Das hat der Bursche glatt und sauber geschluckt, überlegte der Seewolf. Aber nach allem, was er über die „Isabella“ und ihre Besatzung schon vernommen hatte, war das auch kein Wunder. Sollte er in dem Glauben bleiben, sie würden keine Geiseln auslösen, dann verfiel er nicht auf dumme Gedanken, und Hasard konnte seine Leute in aller Ruhe wegschicken.
Inzwischen hatten Smoky, Blacky und ein paar andere die Kerle wieder aus der dunklen Vorpiek geholt.
Jetzt standen sie in banger Erwartung an Deck, wurden aber ziemlich schnell ins Boot gescheucht.
Das andere Boot legte schon ab zum Strand, um die Meute zu holen, die sich dort getreulich versammelt hatte.
Brighton, Tucker und Luke Morgan hatten darin Platz genommen und pullten jetzt los.
Ins andere stiegen der Profos, der alte O’Flynn und Matt Davies.
Es war das Boot, das den Spaniern gehörte.
Keiner muckste sich, als das Boot ablegte, das Segel gesetzt wurde und die Spanier außerdem zu den Riemen griffen.
Sinona sah seine Leute ernst an.
„Nur damit ihr informiert seid“, sagte er knapp. „Keinerlei Gewaltanwendung. Diese Galeone ist das Schiff von Lobo del Mar, die englische ‚Isabella‘. Mehr habe ich nicht zu sagen.“
2.
Die Männer zuckten wie unter einem Hieb zusammen, der sie nicht schlimmer hätte treffen können.
Sie gerieten beim Pullen aus dem Takt, klatschten die Riemen ins Wasser und sahen sich erschreckt an.
El Lobo del Mar! Der Wolf der Meere!
Dieser Name hatte in ihren Ohren einen Klang, der sich fortsetzte wie Donnerhall und sie erzittern ließ.
Viele senkten heftig atmend die Köpfe, andere sahen verstohlen auf den alten O’Flynn, auf Matt Davies oder den Profos.
Der alte Bursche mit dem Holzbein und dem verwitterten Gesicht war ein typisches Mitglied der Crew, dachten die meisten. Der hatte sein Bein sicher bei einem Kampf mit den Spaniern verloren, und nun hatte er einen gehörigen Grimm auf sie.
Dann der andere Mann mit den grauen Haaren und dem fürchterlichen Eisenhaken, der an jener Stelle herausragte, wo ein anderer Mann die rechte Hand hatte. Ein furchteinflößender Kerl, der vor nichts, aber auch gar nichts zurückschrecken würde.
Der Schlimmste aber war der Profos.
Schon seine bloße Anwesenheit flößte den meisten unbestimmte Angst ein. Das war einer, der sofort zuschlug und meist gleich so, daß sein Gegner dann nichts mehr brauchte, außer vielleicht einem letzten Gebet an seinem Grab, falls er ihn nicht gleich ungespitzt in die Erde schlug, denn dann ersparte er sich sogar ein extra Grab.
Er hatte viele Narben im Gesicht, Narben von Schlägereien, von Messerkämpfen, von allem möglichen. Und ein Kinn hatte der, so groß wie eine Faust, noch viel größer, eher einem Amboß gleich.
Hastig wandten sie den Blick von ihm, als er sich leicht umdrehte.
„Pullt schon, ihr triefäugigen Kakerlaken“, sagte er. Immer wenn er sprach, dann hörte es sich an, als zöge am Horizont ein starkes Gewitter herauf.
Und sie pullten, was sie konnten, denn auf das Donnerwetter dieser Stimme konnten sie gern verzichten.
Sie wollten nicht, daß dieser Narbenmann den Teufel tanzen ließ. Gegen den war ihr eigener Profos nur ein Schluck Wasser.
Ed sah, daß die anderen jetzt ebenfalls ins Boot geklettert waren, und wandte sich an Sinona.
„Wenn Sie die Kerle am Strand erkennen können, dann zählen Sie sie nach. Sind das alle? Oder fehlen noch ein paar Burschen?“
Sinona zuckte wieder zusammen. Nach einer Weile merkte er, daß zwei oder drei Mann fehlten.
Nun, er wollte sich keinen weiteren Ärger einhandeln, vielleicht waren sie entwischt oder hatten sich gut versteckt. Später konnte er sich immer damit herausreden, daß von den angeblich Ertrunkenen eben ein paar doch noch gelebt hatten.
„Ja, das sind alle“, sagte er, bemüht, seiner Stimme einen festen Klang zu geben.
„Wirklich?“ fragte Ed liebenswürdig.
„Ganz bestimmt, Sen … Sir, äh.“
Sinona gab mit der Hand den Kurs an.
„Dort,