Seewölfe Paket 10. Roy Palmer

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Seewölfe Paket 10 - Roy Palmer


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feststellen. Louis grinste plötzlich, denn erstens war er sicher, daß seine Spießgesellen dort unten für eine „gelungene Überraschung“ gesorgt hatten, und zweitens hatte er in diesem Moment im Dickicht eine Regung bemerkt.

      Das Mädchen! Jetzt wußte er, wo sie steckte.

      Alewa hatte sich in das dichte Gebüsch gekauert – in der Hoffnung, Louis, Marcel und Richard würden zwar noch eine Weile nach ihr suchen, es dann aber aufgeben.

      Beim Krachen des Schusses zuckte sie jedoch zusammen und vollführte einen Satz nach vorn. Sie nahm in ihrer Panik an, Louis hätte die Pistole inzwischen nachgeladen und damit aufs Geratewohl in das Dickicht gefeuert. Aus Angst, getroffen zu werden, wechselte sie ihren Standort. Damit brachte sie Blätter und Zweige zum Rascheln und verriet sich zum zweitenmal an diesem Vormittag.

      Siedend heiß sirrte es über Hasards Kopf weg. Die Kugel war für ihn bestimmt gewesen, und hätte er nicht den Waffenlauf im Gebüsch schimmern sehen, wäre er zweifellos getroffen worden.

      Hinter sich hörte er den Profos, Ferris, Shane, Batuti und Dan gleichzeitig losfluchen. Sie hatten sich auch geistesgegenwärtig fallen lassen und hantierten mit ihren Waffen.

      Hasard zielte so ruhig wie möglich auf die Stelle, an der er die gegnerische Waffe hatte aufblitzen sehen, und drückte ab. Der rechte Lauf seiner Reiterpistole ging los, die Waffe ruckte in seiner Faust. Im Krachen des Schusses hörte er den Aufschrei eines Mannes. Beide Geräusche verloren sich im Donnern der Brandung, die gegen die Insel anrollte, aber dann knallte es wieder im Dickicht, und zwar nur einen, höchstens aber anderthalb Yards links vom Standort des ersten Schützen entfernt.

      Die Kugel stob vor dem Seewolf in den makellos reinen Sand des Strandes und riß eine kleine Fontäne hoch. Hasard feuerte den linken Pistolenlauf ab, aber ein Schrei blieb diesmal aus. Der zweite Schütze hatte wohl aus der schlechten Erfahrung seines Kumpans gelernt.

      Zum drittenmal leckte ein Feuerblitz aus dem Dickicht hervor.

      Pistole, dachte Hasard, als er das Blaffen der Waffe hörte. Erst haben sie ihre Musketen leer geschossen, jetzt bedient der zweite sich seiner Handfeuerwaffe. Der erste kann wohl nicht mehr schießen, aber sein Mitstreiter wird ihm die geladene Pistole abnehmen.

      „Gebt mir Feuerschutz!“ rief Hasard seinen Männern zu.

      Und schon war er auf den Beinen, wich nach rechts aus und hetzte mit leicht vorgebeugtem Oberkörper über den Strand. Schräg hinter ihm krachten die Tromblons los. Ein wahrer Bleihagel prasselte in das Gebüsch, doch ob der Gegner getroffen war, ließ sich nicht feststellen. Hasard rechnete damit, daß Carberry, Ferris Tucker, Shane, Dan O’Flynn und der Gambia-Mann zu hoch gehalten hatten, daß der Feind flach auf dem Boden lag und zu seinem verletzten oder toten Gefährten hinüberrobbte.

      Hasard erreichte das Dickicht und sprang hinein. Er fragte sich nicht, ob der Kerl ihn wohl beobachtet hatte. Er arbeitete sich voran, zog seinen Cutlass, weil zum Nachladen der Doppelläufigen keine Zeit blieb, und war darauf gefaßt, den Gegner jeden Moment vor sich aus dem dunkelgrünen Vorhang hervorbrechen zu sehen.

      Schwer wog der Cutlass in seiner rechten Hand.

      Am Strand belferten jetzt die Pistolen los. Die fünf von der „Isabella“ taten ihr Bestes, um ihrem Kapitän Schutz zu geben, aber mehr würden sie nicht unternehmen, um ihn jetzt, da er im Gestrüpp verschwunden war, nicht zu gefährden. Batuti und Shane verzichteten darauf, auch Pfeil und Bogen einzusetzen. Ferris Tucker sparte sich die Flaschenbomben für später auf, falls er sie dann überhaupt noch brauchte. Sicher, er hätte vorher auch einfach eine Höllenflasche anzünden und ins Gebüsch schleudern können, dadurch hätten sie schnell mit dem Gegner aufgeräumt und sich jeden weiteren Kampf erspart. Aber dazu brauchte er Hasards Befehl.

      Und diesen Befehl wollte der Seewolf nicht geben. Bevor er aufs Ganze ging und alle Register zog, wollte er wissen, mit wem er es zu tun hatte, und die Situation klar erkennen.

      Carberry und die vier anderen stellten das Feuer ein. Sie robbten jetzt sicherlich über den Strand auf das Dickicht zu. Und der unverletzte Pirat – Hasard nahm zumindest an, daß er nicht getroffen worden war – trachtete in diesem Augenblick, die Pistole des Kumpans an sich zu bringen.

      Ein langgezogenes Stöhnen aus dem Buschwerk wies Hasard den Weg, den er zu nehmen hatte. Fast konnte man hier im Dickicht die Orientierung verlieren, das dichte, verfilzt wirkende Niedriggehölz, das Hasard bis zum Kopf reichte, war ein einziges Labyrinth.

      Hasard hörte dicht vor sich ein feines, metallisches Geräusch. Er ging noch einen Schritt weiter, sah plötzlich Stoff zwischen den Zweigen und Blättern, hatte den Mann vor sich und stürzte sich auf ihn.

      Beim Knacken und Rascheln des Strauchwerks blickte der zweite Pirat von der reglos und verkrümmt daliegenden Gestalt seines Kumpans auf. Ja, er hatte die Pistole schon in der Hand und auch den Hahn gespannt.

      „Merde!“ zischte er und wollte auf den Seewolf, der mit erhobenem Cutlass auf ihn zusprang, abdrücken.

      Hasard hätte den Cutlass auf den ungeschützten Schädel des Kerls niedersausen lassen können, aber es widerstrebte ihm. Lieber stoppte er ab, riß ein Bein hoch und knallte die Stiefelspitze unter den Waffenarm des Mannes.

      Mit einem Wutschrei quittierte der Pirat, ein wuchtiger, muskulöser Mann mit nacktem Oberkörper und bärtigem Haupt, diesen Ausfall. Er wollte noch abdrücken, aber die schmerzende Hand versagte ihm den Dienst. Sein Arm flog hoch, seine Finger lösten sich von dem Pistolenkolben, und die Waffe wirbelte in hohem Bogen durch die Luft – aus dem Dickicht heraus und gegen den Stamm einer mächtigen Palme. Beim Aufprall lockerte sich der Hahn, er knallte auf die Pfanne des Steinschlosses, und der funkensprühende Flint löste den Schuß aus.

      Beim Aufkrachen der Pistole zogen Carberry und die vier anderen, die dem Dickicht jetzt sehr nah waren, unwillkürlich die Köpfe ein.

      Die Kugel traf aber keinen von ihnen. Sie pfiff wirkungslos in den blauen Himmel. Die Pistole fiel ins Gebüsch zurück.

      Der bärtige Pirat wollte sein Messer zücken, die letzte Waffe, die ihm im Kampf gegen den Seewolf noch zur Verfügung stand. Hasard kam ihm jedoch zuvor. Er rammte ihm die freie linke Faust gegen die Brust. Der Pirat stolperte rückwärts und ruderte mit den Armen, torkelte aus dem Dickicht heraus und genau auf Carberry, Ferris Tucker, Shane, Dan und Batuti zu.

      Der Profos war dem Piraten am nächsten. Er hatte sich vom Strand erhoben, ließ das leergefeuerte Tromblon, das er vorsichtshalber doch lieber mitgenommen hatte, fallen und marschierte mit ausgebreiteten Armen auf den taumelnden Freibeuter zu.

      Es wirkte grotesk, und Dan O’Flynn konnte sich mal wieder ein Grinsen nicht verkneifen.

      „Ho“, sagte Carberry. „Was ist denn dir passiert, du plattnäsiges Rübenschwein? Am frühen Morgen schon zuviel gesoffen, was, wie? Komm, Junge, komm zum guten alten Carberry, der wird dich schon verarzten.“

      Der Pirat fuhr zu ihm herum. Plötzlich hatte er das Messer doch in der Hand.

      Carberrys Blick fiel auf die blinkende Waffe. Seine Miene verdüsterte sich. „Wie? Auch noch frech werden, Bursche? Das haben wir gern. Gib das Ding her. Na los, rück es ’raus.“

      Der bärtige Kerl stieß etwas aus, das wie „Vaffankühl“ oder ähnlich klang. Der Profos, der ohnehin kein besonderes Gefühl für Sprachen hatte, verstand kein Wort. Er ließ lieber die Taten für sich sprechen, packte unerwartet schnell den Arm des Kerls und drehte ihn so um, daß dieser einen spitzen Laut vernehmen ließ und in die Knie ging. Das Messer fiel in den Sand. Carberry wuchtete dem Gegner die Faust unters Kinn. Der Kerl brach zusammen, streckte alle viere von sich und rührte sich nicht mehr.

      „So“, sagte der Profos zufrieden. „Mit hinterhältigen Säcken verfahren wir so und nicht anders, merk dir das.“

      Ferris Tucker und Dan O’Flynn waren ins Dickicht getreten. Shane und der Gambia-Mann waren neben Carberry geeilt, und Big Old Shane legte dem Narbenmann die Hand auf die Schulter. „Ed, er kann dich im Moment ja doch nicht hören. Und außerdem spricht er eine andere Sprache als wir.


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