Seewölfe - Piraten der Weltmeere 269. Roy Palmer

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Seewölfe - Piraten der Weltmeere 269 - Roy Palmer


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klaffte in der Holzwand des Stalles die Öffnung, die groß genug war, um Juans magere Gestalt durchzulassen. Der Rest war einfach: Er kroch ins Innere, wartete, bis seine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnt hatten, und begann nun mit dem „Einsammeln“, wie er es zu nennen pflegte.

      Ganz friedlich hockten die Hühner auf ihren Stangen, Juan brauchte nur zuzugreifen, um sich gleich zwei von ihnen zu holen. In seinem Geist nahm bereits ein Bild Gestalt an: wie Maria die lieben Tierchen rupfte, nachdem Baltasar und er sie geschlachtet hatten, wie sie an einem rasch gebastelten Spieß über einem Feuerchen brieten und …

      Der Traum zerplatzte wie eine Seifenblase, denn mit einemmal wurden die Hühner wie auf ein vereinbartes Zeichen hin äußerst lebendig. Etwas mußte sie geweckt haben, vielleicht eine unbedachte Bewegung von ihm, vielleicht aber auch ihr unergründlicher Instinkt.

      Jedenfalls schlugen sie jetzt mit ihren Flügeln, gackerten und hüpften von den Stangen, um durch ein Schlupfloch zum Gehöft hin ins Freie zu entfliehen. Juan griff fluchend ins Leere, stürmte ihnen nach, zertrat zwei oder drei Eier und stieß sich dann an dem Gestänge, was ihn zu neuen Flüchen veranlaßte.

      Überall, rund um ihn herum, waren Flattern und Gackern, und dann sprang ihm der Hahn ins Gesicht, der seinen Harem verteidigte. Juan fiel, rappelte sich wieder auf, wollte noch schnell ein Huhn packen, hatte aber wieder Pech. Es entwischte ihm durch das Loch. Draußen erklang das Bellen eines Hundes, fragende Stimmen wurden laut, irgendwo wurde ein Licht entfacht.

      Juan hätte nun noch rasch ein paar Eier zusammengerafft, wenn nicht folgendes passiert wäre: Durch das Schlupfloch wischte ein Hund, kein sehr großes Tier, aber so wild wie ein Wirbelwind. Er fletschte die Zähne, knurrte und stürzte sich auf Juans Beine.

      Juan hatte eben den Hahn abgewimmelt und wollte nach dessen Hals greifen, doch der Hund schnappte bereits nach seinen Waden, so daß sich ein schleuniger Rückzug empfahl. Juan verließ den Verschlag durch die Lücke, die er geschaffen hatte, der Hund folgte ihm, dann der Hahn – und da erschien auch der Bauer, fluchend und brüllend und mit einer doppelläufigen Steinschloßflinte in den Fäusten.

      Nicht auf dem Weg durch den Hühnerstall rückte dieser Mann dem Dieb auf den Leib, nein, er tat gleich – wahrscheinlich aus einschlägiger Erfahrung – das einzig Richtige und lief um das selbstgebaute Häuschen herum. Er sah den ausgemergelten Mann, blieb stehen, schrie „Halt“ und „Stehenbleiben“ und legte auf ihn an.

      Juan und der Bauer fluchten zusammen, dann krachte die Flinte, und Juan spürte es heiß über sich hinwegsengen. Sein einziges Heil lag nun in kopfloser Flucht, die er auch sofort antrat – zu Baltasar und Maria hinüber, die sich in richtiger Einschätzung der Situation zu den Büschen hin retteten, von denen aus das ungleiche Trio zuvor das Gehöft beobachtet hatte.

      Juan rannte um sein Leben, denn der Bauer zielte erneut auf ihn, dieses Mal allerdings tiefer. Schon krachte die Flinte zum zweitenmal, aber Juan hatte die Geistesgegenwart, sich der Länge nach hinzuwerfen. Die Ladung ging wieder über ihn hinweg, sie bestand aus Schrot und war auf die größere Distanz entsprechend weit gestreut. So war es kein Wunder, daß zwei oder drei Bleikörnchen dennoch Juans Sitzfläche und Rücken trafen und kleine, heftig brennende Wunden hinterließen.

      Er stöhnte, erhob sich wieder und eilte weiter, seinen Spießgesellen nach, die sich eben in die Büsche schlugen, um nicht mehr gesehen zu werden.

      Der Bauer hantierte mit seiner Flinte und schien zu überlegen, ob es sich lohne, den Dieb mit einer ungeladenen Waffe zu verfolgen. Der Hahn flatterte in sinnloser Wut vor dem Verschlag herum und veranstaltete mit den aufgescheuchten Hühnern zusammen einen Heidenspektakel. Irgendwo vor dem Haupthaus schrie eine Frau und weinte ein Kind. Der Hund raste Juan nach und wollte schon wieder nach dessen Wade beißen, doch jetzt wurde es Juan zu bunt.

      Er versetzte dem Tier einen Tritt. Der Bauer vernahm das Jaulen seines Hundes und stürmte Juan wutentbrannt nach. Er drehte die Flinte um und wollte den Kolben als Hiebwaffe benutzen.

      Juan strebte mit langen Sätzen dem Gebüsch zu, doch er war trotzdem zu langsam. Der Bauer holte ihn ein und wollte gerade den Kolben der Flinte auf ihn niedersausen lassen, da geschah zweierlei. Juan duckte sich, fuhr herum und trat dem Mann mit voller Wucht gegen das Schienbein. Ein Stein flog aus dem Gebüsch und prallte dem Bauern gegen den Kopf, so daß er stöhnend zusammensank und die Waffe aus den Händen verlor.

      Einer der Steine, die hier und da in den Olivenhainen herumlagen, war es gewesen, und Baltasar, der wenigstens etwas für seinen in Not geratenen Kumpanen hatte tun wollen, hatte ihn geschleudert.

      Jetzt aber lag der Bauer reglos am Boden, und Juan blickte entsetzt auf seine Gestalt.

      „Nun komm schon“, zischte Baltasar aus dem Dickicht. „Hörst du nicht? Da sind noch mehr Leute, und gleich springt dich der Hund wieder an.“

      „Du elender Narr“, sagte Juan. „Du Schwachkopf, du Idiot.“

      Baltasar fand zwar, daß dies nicht die rechte Art war, sich für die Rettung zu bedanken, aber ehe er Juan ebenfalls ein paar Kraftworte an den Kopf schleudern konnte, stürmten vom Hof her zwei Gestalten heran, und eine davon – vielleicht der Sohn oder der Bruder des Bauern – feuerten eine Schrotflinte in die Luft ab.

      Der Hund wurde auch wieder mobil und nahm knurrend die Verfolgung der Diebe auf. Juan, Baltasar und Maria befanden sich derweil aber schon gut zehn Schritte entfernt und tauchten im Gebüsch unter. Hier verlor sich vorläufig ihre Spur. Während sie durch die Dunkelheit hasteten und darauf achten mußten, nicht zu stolpern und zu stürzen, vernahmen sie hinter sich das Fluchen der Männer, das Schreien der Frau und mehrerer Kinder, das Gackern der Hühner und das Bellen des Hundes.

      „Du hast ihn umgebracht!“ fuhr Juan seinen dicken Kumpanen an, sobald sie eine kurze Strecke zurückgelegt hatten. „Das kommt uns teuer zu stehen!“

      „Was? Ich habe – nein, das ist nicht wahr!“ stieß Baltasar empört hervor, fügte aber sonst nichts hinzu, weil er wieder mit dem Atmen Schwierigkeiten hatte.

      „Der Kerl ist tot!“ keuchte Juan. „Und wir haben nicht mal ein lausiges Huhn erwischt!“

      „Deine Schuld“, meinte Maria, die ziemlich gelassen geblieben war. „Du hättest ja nur richtig zupacken zu brauchen, und wir wären nicht leer ausgegangen.“

      „Das wagst du zu sagen?“ zischte er. „Was nimmst du dir eigentlich heraus, du Miststück? Deinetwegen sind wir dem Bauern in die Falle gegangen! Halt bloß dein Maul oder ich …“

      „Es war keine Falle“, unterbrach sie ihn.

      Hinter ihnen krachte wieder ein Schuß, und das Gebrüll der Verfolger – offenbar hatte der Bauer eine sehr große Familie – nahm an Lautstärke zu.

      Juan wollte Maria loswerden, doch sie ließ sich nicht abwimmeln. Gemeinsam setzten sie ihre Flucht fort und hörten nicht auf, sich zu streiten.

      Ein Bruder und zwei Söhne des Bauern waren es, die jetzt die Olivengärten absuchten. Was Juan, Baltasar und Maria jedoch nicht ahnten, war die Tatsache, daß der Bauer selbst sich bereits wieder aufgerappelt hatte und nun ebenfalls mit seinem Hund in die Richtung wankte, von der er glaubte, daß sie die Fluchtstrecke der Diebe war. Baltasars Stein hatte zwar wirklich seinen Kopf getroffen, aber zum Glück nur die Kinnlade, was sehr schmerzhaft, aber nicht lebensgefährlich war.

      Durch das Geschrei am Gehöft waren mittlerweile aber auch drei Reiter der „Guardia“ alarmiert worden, die nicht weit entfernt eine bislang ruhige, problemlose nächtliche Streife geritten hatten. Diese Männer, Soldaten aus einer nahen Garnison, die die Funktion einer Landpolizei erfüllten, trieben ihre Tiere an und begaben sich in die Richtung, aus der die Schreie ertönten.

      Sie erreichten das Gehöft, als Juan, Baltasar und Maria gerade am Fuß der Hügel angelangt waren und sich der Küste zuwandten, wo sie sich zwischen Schilf und hohen Gräsern besser zu verstecken hofften.

      Die Frau des Bauern setzte den Männern der Guardia auseinander, was geschehen war, und so ritten diese gleich weiter, um an der Jagd auf die verhinderten Hühnerdiebe


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