Seewölfe - Piraten der Weltmeere 424. Fred McMason
Читать онлайн книгу.die sich ihm für alle Zeiten unauslöschlich eingebrannt hatte. Er war vom Floß gefallen und in den Fluß gestürzt, der von gefräßigen Piranhas verseucht war.
Smoky, Stenmark und Karl von Hutten hatten ihn zwar schnell wieder herausgezogen, doch es war schon zu spät. An seiner Hand zappelte noch einer der Raubfische, aber die Hand war zerrissen, Sehnen und Knochen lagen frei, und das Blut spritzte heraus.
Amputation, da half nichts anderes mehr. Sie flößten ihm scharfen Schnaps ein, bis er zu singen begann. Der Kutscher nahm die Axt, schlug zu und trennte ihm die Hand vom Unterarm. Dann schütteten sie ihm Schießpulver über die Wunde und zündeten es an.
Zum Glück hatte er nicht mehr viel davon verspürt, denn er war bewußtlos geworden. Drei Tage und drei Nächte hatte er danach im Fieber gelegen, aber die Wunde hatte nicht geeitert und war dank des Kutschers Kunst wieder verheilt. Seitdem trug Jeff Bowie diese Hakenprothese.
Wie zufällig wanderten die Blicke der Arwenacks zu Jeff Bowie, aber der grinste nur und hob stolz seinen Haken hoch.
Auch Ribault warf dem Hakenmann einen lächelnden Blick zu.
„Wir können auch bis in die Nähe von Panama segeln“, schlug er weiter vor, „und denselben Weg nehmen, auf dem wir nach Panama gelangt sind, also über den Isthmus nach Nombre de Dios oder Porto Bello, das können wir immer noch entscheiden. Wer nicht mitwill, der läßt es eben bleiben, aber von einem Mann weiß ich mit Sicherheit, daß er an dem Unternehmen teilhaben wird, nämlich Karl von Hutten. Und Karl ist bei einem derartigen Unternehmen von unschätzbarem Vorteil, weil er sich mit den Indios verständigen kann.“
Von Hutten nickte Ribault lächelnd zu.
„Ich bin dabei, Jean“, sagte er, „darauf kannst du dich verlassen.“
Hasard musterte die beiden grinsenden Kerle gespannt. Ein feiner Schachzug von Ribault, dachte er.
„Habt ihr das vorher untereinander abgesprochen?“ fragte er scharf.
„Nein“, sagte Karl von Hutten, „ganz sicher nicht. Ich hatte von dem Plan keine Ahnung und höre jetzt zum ersten Male davon.“
„Und du bist gleich hellauf begeistert?“
„Allerdings, die Sache gefällt mir, sie riecht nach Abenteuer und Abwechslung, und sie dürfte den Dons bei Gelingen eine gehörige Schlappe bescheren.“
Hasard beobachtete die Reaktion der anderen. Die waren alle ziemlich durcheinander, und einige hatten schon das begehrliche Funkeln in den Augen. Er nahm Thorfin Njal genauer aufs Korn. Der Wikinger war ganz kribbelig und befummelte schon wieder ständig seinen verdammten Kupferhelm, an dem er kratzte und rieb, als würde es ihn mächtig darunter jucken. Die meisten tuschelten erregt untereinander. Ribaults Äußerung, die Spanier dort zu packen, wo sie es am wenigsten erwarteten, war auf fruchtbaren Boden gefallen. Das war also einer der Trümpfe, die Ribault noch im Ärmel hatte.
Siri-Tong sah die beiden Männer an.
„Zwei Helden sind also wieder einmal zum Aufbruch ins Ungewisse bereit“, sagte sie spitz. „Wer außer euch sollte bei dem Unternehmen denn noch dabeisein?“
Die Männer hielten den Atem an und blickten zu Ribault, der gelassen die Arme über der Brust gekreuzt hielt und in die Runde sah.
„Ich dachte eigentlich an Hasard und seine Arwenacks – und dann natürlich an meine eigene Mannschaft.“
Mit der Ruhe war es schlagartig vorbei, denn nun setzte genau das Palaver ein, das Hasard vorausgesehen hatte. Alle brüllten lautstark durcheinander, und fast alle waren plötzlich Feuer und Flamme für den abenteuerlichen Plan. Das reizte die Kerle jetzt ganz gewaltig. Ihnen juckte wieder das Fell.
Der Seewolf schüttelte den Kopf und sah einen nach dem anderen an.
Der Profos war ständig am Grinsen und rieb sich die Pranken in der Vorfreude auf künftige Abenteuer. Pete Ballie und Stenmark nickten sich begeistert zu, während Matt Davies und Jeff Bowie ihre Eisenhaken hart zusammenknallten. Smoky hatte einen merkwürdigen Glanz in den Augen, und der alte O’Flynn reckte mal wieder den Hals vor, als entgehe ihm etwas.
Na schön, er verstand die Begeisterung ja auch, aber das war eine Reise von dreitausend Meilen, hin und zurück das Doppelte, und das würde Monate dauern, Monate voller Unwägbarkeiten, Entbehrungen und Strapazen, doch daran schien keiner der Kerle zu denken. Sie sahen sich nur unterwegs, alles andere störte sie vorerst nicht.
Er drehte etwas den Kopf nach links und blickte zu seinen beiden Söhnen hinüber.
„Auch das noch“, murmelte er betroffen.
Die Blicke der beiden Kerle hingen wie Kletten an ihm, ihre Augen leuchteten noch heller als die von Smoky, und ihre Gesichter waren so erwartungsvoll, wie er es schon lange nicht mehr gesehen hatte. Die Burschen barsten vor Tatendrang. Denen juckte das Fell noch mehr als den anderen. Aber noch war gar nichts entschieden.
„Ich bitte um Ruhe“, sagte Hasard, während er sich erhob.
Das Palaver verstummte sofort. Alle Blicke richteten sich auf Hasard. Sie wußten, daß er jetzt etwas vorbringen würde, was das geplante Unternehmen in einem anderen Licht zeigte, daß es auch Schattenseiten hatte und nicht nur strahlender Sonnenschein war. Hasard wog das Für und Wider immer sorgfältig ab und ließ sich auf keine Spekulationen ein.
„Noch haben wir Jeans Plan nicht in Erwägung gezogen“, sagte er, „es war nur ein Vorschlag von ihm. Aber bevor wir den Plan überhaupt erwägen, haben wir noch ein anderes Problem zu lösen. Jean hat von zwei Schiffsmannschaften gesprochen, die das Unternehmen durchführen sollen. Zwei Schiffsmannschaften sind aber immerhin fünf Dutzend bewährte Kämpfer, also etwa sechzig Mann. Die fallen zum ersten schon bei den ständigen Patrouillenfahrten um die Insel und nach Coral Island aus. Das ist das eine Problem. Das andere ist, daß diese Männer auch fehlen würden, falls die Spanier einen erneuten Versuch unternehmen, die Schlangen-Insel anzugreifen.“
„Das halte ich für ziemlich ausgeschlossen“, sagte der Wikinger.
„Das ist überhaupt nicht auszuschließen, Thorfin. Denn einem Mann ist die Position der Schlangen-Insel immerhin sehr genau bekannt, und das ist der Gouverneur von Kuba, der feiste Don Antonio de Quintanilla. Der Kerl ist nach wie vor gefährlich und wird bald wieder etwas unternehmen. Hast du das Problem schon erwogen, Jean, oder weißt du eine Lösung dafür?“
Ribault hustete unterdrückt. Nein, verdammt, er hatte keine Lösung, er hatte gar nicht daran gedacht. Er wollte gerade den Mund auftun, um das verlegen zuzugeben, als die Schlangen-Priesterin Arkana einen Schritt vortrat und Hasard gelassen ansah.
„Bereite dir darum keine Sorgen“, sagte sie mit ihrer samtig klingenden Stimme. „Auch in Abwesenheit von sechzig Kämpfern ist die Insel zu verteidigen, sollte es den Spaniern nochmals einfallen, anzugreifen. Die Schwachpunkte der Insel sind uns nach dem letzten Kampf bekannt. Wir werden die Insel entsprechend ausbauen und zusätzlich sichern und verstärken.“
Ihre Blicke brannten sich in Hasards Gesicht fest, rätselhaft und dunkel waren ihre Augen, geheimnisvoll wie die einer Sphinx. Sie sah ihn an wie damals auf der Insel Mocha, als sie sich zum ersten Male begegnet waren. Sechzehn Jahre war das schon her, und knapp ein Jahr jünger war Araua, ihre gemeinsame Tochter, die nur ein paar Schritte weg von ihrer Mutter stand.
Hasard wollte sich räuspern und etwas sagen, doch Arkana schüttelte energisch den Kopf.
„Es wird keinen Angriff auf die Insel geben, nicht in den nächsten Monden, ich weiß es, denn ich habe den Schlangen-Gott befragt. Laß Ribault und von Hutten segeln, Seewolf. Araua wird die beiden Männer begleiten.“
Ihr rätselhafter Blick kühlte bei den letzten Worten etwas ab. Dann sah sie an ihm vorbei auf Araua, die längst zu einer bildhübschen jungen Frau mit allen weiblichen Attributen herangereift war. Sie ähnelte ihrer Mutter, bis auf die Augen, denn die waren so eisblau wie die des Seewolfs.
Hasard stand unbeweglich da. Seine Augen wurden schmal, auch die Lippen verkniffen sich unmerklich.