Die Ratten. Gerhart Hauptmann

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Die Ratten - Gerhart Hauptmann


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jebürtig! weil ick mir manchmal ja nich jekannt habe. Die hat mehr wie eemal zu mich jesacht: Mädel, paß uff: du machst dir ma unglücklich. Det kann ooch sin, det se recht haben dut. Wie jeht’s, Pauline, wat machen Se denn?

      DIE PIPERKARCKA

      (legt Scheine und Silbergeld, die Hand [59]voll, ohne zu zählen, auf den Tisch). Hier is det Jeld: ick brauchen ihm nicht.

      FRAU JOHN.

      Ick weeß doch von keenen Jelde, Pauline.

      DIE PIPERKARCKA.

      Oh, werden woll janz jut wissen von Jeld! Et hat mir jebrannt. Et war mich wie Schlange unter Kopfkissen …

      FRAU JOHN.

      I wo denn …?

      DIE PIPERKARCKA.

      Is vorjekrochen, wo ick müde bin einjeschlafen. Hat mir jepeinigt, hat mir umringt! hat mir jequetscht, wo ick habe laut aufjeschrien, und meine Wirtin hat mir jefunden, wo ick fast abjestorben längelang auf Diele jelegen bin.

      FRAU JOHN.

      Lassen Se det man jut sind, Pauline! – Trinken Se erst ma’n kleenen Schnaps! (Sie gießt ihr Kognak ein.) Un dann essen Se erst ma’n Happenpappen: mein Mann hat jestern Jeburtstag gehat.

      (Sie holt einen Streuselkuchen, von dem sie Streifen schneidet.)

      DIE PIPERKARCKA.

      I wo denn, ick mag nich essen, Frau John.

      FRAU JOHN.

      Det stärkt, det dut jut, det mussen Se essen! Aber ick muß mir doch freuen, Pauline, det Se doch wieder mit Ihre jute Natur bei Ihre Kräfte jekommen sin.

      DIE PIPERKARCKA.

      Nu will ick et aber mal sehn, Frau John.

      FRAU JOHN.

      Wat denn, Pauline? Wat wolln Se denn sehn?

      DIE PIPERKARCKA.

      Hätt’ ick laufen jekonnt, war’ ick früher jekomm. Das will jetzt sehn, warum jekommen bin.

      (Frau John, deren fast kriechende Freundlichkeiten von angstvoll bebenden Lippen gekommen sind, erbleicht auf [60]eine unheilverkündende Weise und schweigt. Sie geht nach dem Küchenschrank, reißt die Kaffeemühle heraus und schüttet heftig Kaffeebohnen hinein. Sie setzt sich, quetscht die Kaffeemühle energisch zwischen die Knie, faßt die Kurbel und starrt mit einem verzehrenden Ausdruck namenlosen Hasses zur Piperkarcka hinüber.)

      FRAU JOHN.

      So? – Ach! – Wat wiste sehen? – Wat wiste nu jetzt uff eemal sehn? – Det, det watte hast mit deine zwee Hände erwürjen jewollt.

      DIE PIPERKARCKA.

      Ick? –

      FRAU JOHN.

      Wiste noch liejen? Ick werde dir anzeijen.

      DIE PIPERKARCKA.

      Nu haben mir aber jenug jequält und bis auf’t Blut jemartert, Frau John. Mir nachjestellt! mir Schritt und Tritt nich Ruhe jelassen. Bis haben Kind auf Oberboden auf Haufen alter Lumpen zu Welt jebracht. Mich Hoffnung jemacht, mit schlechten Spitzbubenjungen Angst jemacht. Mich Karten jelegt von wegen mein Bräutigam un weiterjehetzt, bis bin wie verrückt jeworden.

      FRAU JOHN.

      Det bist du ooch noch! Jawoll: du bist janz und jar verrückt! Wat, ick hab’ dir jequält? Wat hab’ ick? Ick habe dir aus’n Rinnstein jelesen! Ick hab’ dir jeholt bei Schneejestöber, bei de Normaluhr, wo de hast mit verzweifelte Oochen – un wie de hast ausjesehen! – hintern Lanternanzünder herjestarrt. Jawoll: denn ha ick dir nachjestellt, det dir der Schutzmann, det dir der jrüne Wachen, det dir der Deibel nich hat holen jekonnt! Ick habe dir keene Ruhe jelassen, ick ha dir jemartert, bis det de nich sollst mit dein Kind unterm Herzen in’t Wasser jehn. (Äfft ihr nach.) Ick jeh’ im Landwehrkanal, Mutter John! Ick erwürje det Kind! Ick ersteche det Wurm mit [61]meine Hutnadel! Ick jeh’, ick lauf, wo der Lump von Vater sitzen un Zither spielen dut, mitten in’t Lokal, und schmeiß’ ihn det tote Kind vor die Fieße. Det haste jesacht, so haste jesprochen, so jing et den lieben langen Dach, un manchmal de halbe Nacht noch dazu, bis ick dir hab’ hier ins Bette jebracht un so lange jestreichelt, det de bist endlich injeschlafen un bist mittags um zwölf, wie die Glocken von alle Kirchen jeläut’t haben, an andern Dache erst wieder uffjewacht. Jawoll, so ha ick dir Angst jemacht, wieder Hoffnung jemacht, so ha ick dir keene Ruhe jelassen! Haste det allens verjessen, wat?

      DIE PIPERKARCKA.

      Aber et is doch mein Kind, Mutter John …

      FRAU JOHN

      (schreit). Denn hol et dir aus’n Landwehrkanale! (Sie springt auf, läuft umher und nimmt bald diesen, bald jenen Gegenstand in die Hand, um ihn sogleich wieder wegzuwerfen.)

      DIE PIPERKARCKA.

      Soll ick mein Kind nich ma sehen dürfen?

      FRAU JOHN.

      Spring in’t Wasser un such et! denn haste et! Weeß Jott, ick halte dir nu weiter nich.

      DIE PIPERKARCKA.

      Jut! Meejen mich schlachen, meejen mir prügeln, meejen mir schmeißen Wasserflasche an Kopp: eh nich weiß, wo Kind is, eh nich haben mit Augen jesehn, bringen mich keiner und niemand von Stelle fort.

      FRAU JOHN

      (einlenkend). Pauline, ick ha et in Flege jejeben.

      DIE PIPERKARCKA.

      Lieje! Ick hör’ et doch schmatzen, wo et janz jenau hintern Vorhang is! (Das Kind hinter dem Tapetenverschlag beginnt zu schreien. Die Piperkarcka [62]eilt auf den Vorhang zu, dabei nicht ohne falsche Note ein wenig pathetisch weinerlich rufend.) Weine nicht, armes, armes Jungchen, jutes Mutterchen kommen schon! (Frau John, fast von Sinnen, ist vor den Eingang gesprungen, den sie der Piperkarcka verstellt. Die Piperkarcka, ohnmächtig wimmernd, mit geballten Fäusten.) Soll mir jetzt zu mein Kinde reinlassen.

      FRAU JOHN

      (furchtbar verändert). Sieh mir ma an, Mächen! Mächen, sieh mir ma in’t Jesicht! – Jloobst du, det mit eene, die aussieht wie ich … det mit mir noch zu spaßen is? (Die Piperkarcka hat wimmernd Platz genommen.) Setz dir! flenne! wimmere! bis dir, ick weeß nich wat … jammere, bis det dir die Jurjel verschwollen is! det, wenn de hier rinwillst – denn bist du tot, oder ick bin tot – un denn is ooch det Jungchen nich mehr am Leben!

      DIE PIPERKARCKA

      (erhebt sich entschlossen). Denn jeben acht, was jeschehen, Frau John!

      FRAU JOHN

      (wiederum einlenkend). Pauline, die Sache is zwischen uns richtig un abjemacht. Wat wollen Se sich mit det Kindchen behängen, wo jetzt mein Kindeken und in beste Hände jeborjen is? Wat wollen Se denn mit det Kindeken uffstellen? Jehn Se zu Ihren Breitijam! da sollen Se woll mit den Besseres zu tun haben als Kinderjeschrei, Kindersorjen und Kimmernis.

      DIE PIPERKARCKA.

      Erst recht! Nu jerade! Nu muß er mir heiraten! – Haben alle … hat Frau Kielbacke, als ick mir mussen haben behandeln lassen, zu mich jesacht. Soll nich nachjeben! Muß mir heiraten. Auch Standesbeamte gab mich Rat. Hat jesacht, janz wütend, als ick haben erzählt, wohin jekrochen un habe Kind auf Dachboden [63]Welt jebracht … schreit janz wütend: ick muß nich nachlassen. Hat jesacht arme jeschundene Kreatur zu mich, Tasche jejriffen, Taler zwei Jroschen Jeld jeschenkt. Jut! lasse mir weiter nich ein, Frau John. Adje! Bin bloß jekommen, sowieso, daß morjen nachmittag fünf zu Hause sind. Warum? weil morjen einjesetzter Pfleger von Jemeinde nachsehn kommt. Ick werde mir weiter hier noch rumärgern.

      FRAU JOHN

      (starr, entgeistert). Wat? du hast et jemeld uff’t Standesamt?

      DIE PIPERKARCKA.

      Etwa nich? Ick soll woll Jefängnis komm?

      FRAU JOHN.

      Wat


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