Wer bleibt Millionär?. Tino Hemmann

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Wer bleibt Millionär? - Tino Hemmann


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liegen blieb und ein Rinnsal des grünlichen Getränks über seinen Hals lief, um sich dort mit einem roten Flüsschen zu vermischen, denn gleichzeitig verließ ein wenig Blut Quaarcks Hals.

      Das Mädchen hörte den verwunderlich leisen Schuss erst, nachdem der Bruchteil einer Sekunde vergangen war, worauf ihre rechte Hand augenblicklich den Rückzug aus den himmelblauen Shorts antrat. Sein ängstlicher Blick wanderte zur Tür. Eben dort standen zwei maskierte Herren – das Mädchen konnte nicht wissen, dass es sich um die kürzlich hier aufgetauchten Besucher handelte. Der eine zielte noch immer mit seiner recht groß wirkenden Waffe auf Quaarck, die Lippen unter der Maske des zweiten schienen das Mädchen anzulächeln. Die Rothaarige schlüpfte hektisch in ihre überschaubare Anzahl an Kleidungsstücken und blickte die beiden Herren ängstlich an.

      »Du hast nichts gesehen und nichts gehört. Hat er dich bezahlt?«, fragte der eine. Seine Stimme klang sehr jung.

      Sie nickte.

      »Dann geh jetzt. Und keine Angst, in einer Stunde ist er wieder bestens drauf.«

      Kaum war das Mädchen verschwunden, nickten sich die Herren zu. »Sperren wir den irren Halbnazi für ein paar Tage weg.«

      »Mit diesem Eric geht alles seinen Gang?«

      »Ich denke schon. Er will zehn Prozent.«

      »Eine faire Forderung. Ist er verlässlich?«

      »Absolut.«

      »Ich will ihn sprechen. Sorg dafür, dass er in einer Stunde hier ist. Bis dahin prüfe ich das Equipment und die Räumlichkeiten.«

      »Alles klar, Chef.« Derjenige mit der jungen Stimme nahm sein Handy zur Hand. »Ihr könnt kommen und Quaarck wegbringen. Und vier Mann sichern das Gebäude. Unsichtbar. Und bringt mir diesen Eric her.«

      *

      »Haben wir heute noch was vor?«

      Schauspielveteran Klaus van Boomerland, einer der wenigen, die sich einbilden durften, es in der jüngsten deutschen Filmbranchenzeit tatsächlich zu etwas gebracht zu haben, fuhr sich über das kahle Haupt. Dabei blickte er das vor ihm stehende, mit körperbetonten Fetzen in schrillen Farben bekleidete männliche Model lustvoll fragend an.

      Francesco erfüllte unter anderem die Aufgaben eines modernen Butlers, der sich gern im Glanze van Boomerlands sonnte und der wahrlich alle Aufgaben zu erfüllen gedachte. Nach kurz angespieltem Theater sagte er »Nein«, um anschließend die gestylten Finger grazil und übertrieben zappeln zu lassen und aus runden, auffällig geschminkten Lippen zu hauchen: »Oder etwa doch?«

      »Wonach steht dir wohl der Sinn, Francesco?«

      »Wonach schon?« Der Butler sprach gerade so laut, dass seine Worte ausschließlich für die kleinen Schweinchenohren van Boomerlands bestimmt sein konnten. Sie suggerierten eher eine innere Freude denn einen Vorwurf. Er stolzierte mit Modelschritten und schwingendem Popo auf den Wagen zu und öffnete schwungvoll die hintere rechte Seitentür. »Wir sollten in unserer hübschen, geräumigen Badewanne neue Kräfte tanken.«

      »In meiner Badewanne?« Klaus van Boomerland betonte das Wort »meiner«, während er seinem jungen Etwas grinsend folgte. »Warum nicht?«, flüsterte er mehr zu sich selbst.

      Der kahlköpfige Dreiundsechzigjährige wirkte im Gegensatz zu seinem Freund unglaublich maskulin und wurde nach wie vor von der Frauenwelt angeschmachtet, obwohl seine öffentlich praktizierte homosexuelle Neigung schon vor etlichen Jahren die deutschen und internationalen Medien aufschäumen, ja übergären hatte lassen. Jahrzehntelang ritt van Boomerland – ein in den Niederlanden geborener, deutschsprachiger und bereits in den Siebzigern nach Hamburg übergesiedelter Absolvent der besten Schauspielschulen Europas – von einem Erfolg zum nächsten. Gegenwärtig konnte er sich die allerbesten und lukrativsten Rollen aussuchen, denn die Anbieter übertrafen sich gegenseitig. Sehr gern spielte er Charakterrollen, in denen er sich ausleben durfte, viel sprechen musste und sich gebärden konnte.

      Jetzt aber saß der einhundertdreizehnfache Millionär auf der bequemen hinteren Sitzbank seines deutschen Wagens und betrachtete die Rückansicht Francescos. Der – Francesco selbst benutzte für seine Person den Artikel ›die‹ – zählte gerade einmal vierundzwanzig Lenze, wusste den alten Millionär mit ausgefeilten Methoden zu verführen und sorgte im heimischen Palast der acht Räume zählenden, die meisten Dächer Hamburgs überragenden Mansardenwohnung für eine himmlisch erotisierende Atmosphäre, die van Boomerland genoss und ihn fast jeden Stress vergessen ließ.

      Die beiden hatten sich bei einem alltäglichen Casting kennengelernt. Damals war Francesco blutjung gewesen, gerade sechzehn Jahre alt, völlig unbedarft und dachte, die gekonnte, weil gewohnte schwule Masche würde jeden Produzenten augenblicklich überzeugen. Dem war jedoch nicht annähernd so. Wie ein kleines heulendes Mädchen, das beim Hickelkasten-Hüpfen gestürzt war und sich das Knie lädiert hatte, saß Francesco mutterseelenallein in der Maske, als van Boomerland auf der Suche nach einer Erfrischung das gebrochene Individuum vorfand, sich nach dessen Problemen erkundigte, aufbauende Worte versprühte, den mädchenhaften Jungen schließlich an sein uferlos geöffnetes Herz drückte, sich ausweinen ließ und schlussendlich zärtlich streichelte. Mag es auch schrecklich altmodisch klingen, der Schauspielstar fühlte bei der Begegnung mit dem vorpubertär wirkenden Francesco Liebe auf den ersten Blick.

      Mittlerweile war Francesco im wahrsten Sinne des Wortes ein Mädchen für alles. Er bekochte, verführte und chauffierte seinen männlichen Schwarm und genoss dessen Reichtum und Fürsorge. Streit hatten die beiden nur selten. Und was Francescos Schauspielambitionen betraf, so brachte van Boomerland seinen Jüngling in so manch einer gut zahlenden Show unter, in der auf weibliche Grazilität eines männlichen Geschöpfes besonderer Wert gelegt wurde. Zudem war das junge, allzeit fröhliche Geschöpf fester Bestandteil der deutschen Modelszene geworden. Francesco war schmal, groß und selbstverständlich bis auf die gestylten Kopfhaare am gesamten Körper völlig haarlos. Er zeigte nur zu gern seine endlos langen, aalglatten Beine und den knackigen Popo. Scham kannte er nicht und ein auffälliges Sensibelchen war er über die Zeit geblieben, denn genau diese Eigenschaft Francescos liebte der stattliche Mann im Haus an seinem Mädchen. Nur dadurch konnte jener mit großem Heldenmut Beschützer eines zerbrechlichen Wesens sein – eine Rolle im wahren Leben, die ihn in seinen Filmen entzückt hätte. Dabei fühlte van Boomerland seine wahre Größe, eine andere als seine Körpergröße, denn die war mit fast zwei Metern ohnehin beachtlich. Es war die innere Größe, die ihn über sich hinauswachsen ließ.

      Das Hamburger Wetter war wie so oft trüb. Francesco lenkte den Wagen, der ein Automatikgetriebe besaß, meist nur mit der rechten Hand sanft durch die Hansestadt, während er den Kopf mit der linken abzustützen schien, den Zeigefinger ausgestreckt an die Wange gelegt, so als würde er nachdenken. Ständig wechselten seine Blicke zwischen Straßenverkehr und Innenspiegel.

      Im Wagen lief Musik. Schnulzen aus den Siebzigern, nicht zu laut und nicht zu leise.

      »Endlich sind wir zu Hause.« Diese Worte ließ Francesco stets dann mit einem kleinen Seufzer erklingen, wenn sich das Rolltor zur Tiefgarage öffnete. Es klang so, als stiege der Butler des Millionärs bereits mit einem Fuß ins warme Duftschaumbad der drei Meter langen Badewanne mit Whirlpool-Funktion, dabei verschlingende Blicke auf den Körper seines geliebten Gönners richtend.

      Vorsichtig betätigte das junge Wesen das Bremspedal, während der Wagen in die Tiefgarage hinabrollte. Es lenkte behutsam um äußerst enge Kurven, um schließlich in der deutlich markierten, angemieteten Parkzone seines Herrschers zu stoppen und den Motor des Fahrzeuges abzustellen.

      Klaus van Boomerland holte tief Luft, als wäre gerade ein halsbrecherischer Dreh beendet worden, obwohl er sich, wenn auch nur die geringste Gefahr einer Verletzung bestand, doubeln ließ.

      Nachdem Francesco ausgestiegen war, öffnete er sofort die hintere Tür des Wagens und reichte van Boomerland eine helfende Hand.

      In eben diesem Moment spürte Francesco, dass sich hinter ihm etwas bewegte. Eine unbekannte, grobe Hand fuhr um seinen Kopf und drückte ihm einen stinkenden Lappen ins Gesicht.

      Der schwitzende


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