Kreation Vollblut – das Rennpferd eroberte die Welt. Teil III. Erhard Heckmann

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Kreation Vollblut – das Rennpferd eroberte die Welt. Teil III - Erhard Heckmann


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wie Abendfrieden, Alchimist, Arjaman, Agamemnon, Aditi, Herold oder Dark Ronald in den Pedigrees der aktiven deutschen Vaterpferde und Zuchtstuten in immer weiter zurückliegende Pferde-Generationen, sodass nur noch verantwortliche Züchter und Gestütsleiter ihre Bedeutung kennen, und der durchschnittliche Turffreund kaum noch beurteilen kann, wie die Graditzer die eine oder andere Zucht beeinflussten. Denkt man allein an Alchimist und Arjaman, dann muss man für die unmittelbaren Nachkriegsjahre nur Adlon, Akari, Alarich, Alpenkönig, Birkhahn, Blauer Reiter, Literat, Priamos, Tajo, Kaiseradler, Kronzeuge, Basalt, Norfolk oder Obermaat und Zank oder andere nennen, um die Leistung dieser Hengste richtig einzuschätzen. Und alles, was mit dem großen Ticino zu tun hat – und das sind außer dem neunfachen Beschäler-Champion beispielsweise Hengste wie Neckar und Orsini – führt den Dark Ronald-Sohn Aditi.

      „Ganz früher“ war der Spruch geläufig: „Was wäre Graditz ohne Antwort (1907; Ard Patrick), die Hanielsche Zucht ohne Tay (1895: Bend Or), Schlenderhan ohne Danubia (1902: Saphir), Waldfried ohne Festa (1893: St. Simon)?“ Später gab es eine Abwandlung: Was wäre Graditz ohne Alchimist, Zoppenbruch ohne den Stutenerzeuger Arjaman (als starker Überbeißer heute wohl chancenlos?), oder Schlenderhan nach 1960/70 ohne Birkhahn? Bis 1959 wirkte dieser im Nachkriegs-Graditz, das vorher als Lieferant und Vermittler von Deckhengsten eine ganz besondere Bedeutung erlangt hatte. Andererseits war es auch ein Glücksfall, dass so international anerkannte Fachmänner wie Georg Graf Lehndorff und, als Nachfolger, sein Sohn Siegfried 56 Jahre lang die Geschicke des Gestüts leiteten.

      Graditz hatte bei seinen Qualitätsankäufen auch keinerlei Kosten gescheut und, als Oberlandstallmeister Burchard von Öttingen Dark Ronald importierte, tief in die Tasche gegriffen. Für den die Eclipse-Hengstlinie vertretenden, 1905 in Irland geborenen Bay Ronald-Sohn waren das 25.000 Pfund, oder, nach damaligem Wechselkurs, 500.000 Goldmark. Auch der Epsom Derbysieger von 1902, Ard Patrick, ein St. Simon-Enkel, der an der 1907 geborenen Antwort eine der größten deutschen Stammstuten zeugte und von 1904 bis 1923 in Graditz wirkte, war, wie auch der 1894 geborene Galtee Moore, der von 1906 bis 1916 seine Dienste an der Elbe erfüllte, keine Billigware. Ein weiterer Import war der Franzose Nuage, Derby-Sieger, St. Simon-Enkel und 1907 geboren. Der bis 1930 in Graditz stehende Hengst, den Siegfried Graf Lehndorf 1910 für 240.000 Mark kaufte, erwies sich als dreifacher Beschäler-Champion und Erzeuger der großartigen Graditzer Stute Aversion (1914), die Mutter von Aditi und Alchimist, als glänzende Erwerbung. Mit deren Mutter, der Ard Patrick-Tochter Antwort, hatte Nuage bereits in den beiden Vorjahren Anschluss (u. a. Großer Preis von Berlin) und Adresse (Diana, St. Ledger; Mutter von Abendfrieden) geliefert, womit die Stute innerhalb von drei Jahren drei Spitzenprodukte gefohlt hatte. Damit wurde Antwort, die 1928 einging, eine der größten Stammstuten in der deutschen Vollblutzucht. Zwischen 1915 und 1935 gewannen ihre Kinder und Enkel serienweise klassische Rennen, wodurch Graditz oftmals eine beherrschende Rolle im deutschen Rennsport einnahm. Auf der Rennbahn war die Stute als Zweijährige in vier Rennen ungeschlagen, absolvierte aber ein Jahr später nur einen Start und ging ins Gestüt.

      Zu den ersten, etwa 40 Hengsten, die bis kurz nach 1900 in Graditz wirkten, gehörten auch St. Gatien (1881; Roterhill), Hannibal (1891; Trachenberg), Manners (1896; St. Simon), und danach waren es hauptsächlich Dark Ronal (1905; Bay Ronald), seins Söhne Herold (1917) und Aditi (1922), Ferro (1923; Landgraf) und Alchimist (1930; Herold), die die Akzente setzten.

      Dark Ronald, den Mr. E. Kennedy in Irland zog und auf der Doncaster-Jährlingsauktion für 1.300 Pfund an Sir Abe Bailey verkaufte, gewann als Zweijähriger und brach vor dem Derby nieder, sodass er als Dreijähriger nicht lief. Im Juni 1909 gewann der vierjährige Dark Ronald gegen 22 Kontrahenten den Royal Hunt Cup im Stil überlegener Klasse. Bei seiner nächsten Aufgabe, den Princess of Wales Stakes über 2.400 Meter zu Newmarket, traf er auch auf vier Gegner, die im Derby 1908 gelaufen waren. Primer (St. Simon), der im Derby zwei Längen hinter Signorinetta (Chaleureux) eingekommen war, wurde auch hinter Dark Ronald Zweiter, doch gab der Bay Ronald-Sohn ihm in weit überlegener Manier das Nachsehen, als es die Derbysiegerin getan hatte, obwohl Primer zwei Wochen vorher die Hardwicke Stakes beherrscht hatte und somit in Top-Form angetreten war. Den letzten seiner sieben Starts (4 Siege; 2 Plätze) erledigte Dark Ronald im Doncaster Cup, wo er als Favorit mit einer halben Länge geschlagen blieb und Dritter wurde. Er blieb in diesem Rennen zwar nicht ganz heil, doch waren ihm 3.600 Meter auch zu weit. Danach bezog er im Tickford Park Stud von Mr. Donald Fraser eine Beschälerbox, bis er an Graditz verkauft wurde.

      Dark Ronalds Vater Bay Ronald (1872; Hampton) war vier Jahre im Training, gewann u. a. die Hardwicke Stakes zu Ascot, das City and Suburban Handicap, als Fünfjähriger den Epsom Cup und insgesamt fünf von 26 Starts. Ehe seine Vererbungskraft richtig bewiesen war, stand er, verkauft für 5.000 Pfund, bereits in Frankreich. Dort zeugte der Handicapper u. a. Teddys Mutter Rondeau, deren Sohn in Frankreich, Italien, Großbritannien und den erheblichen Einfluss erreichte. Bay Ronald, der eine noch immer blühende Linie begründete, zeugte aber nicht nur an Dark Ronald einen großen Hengst, sondern auch ein Jahr später, 1905, auch Bayardo (1906), der von 25 Rennen 22 gewann – darunter Ascot Gold Cup, Eclipse Stakes, St. Ledger, Champion Stakes, Dewhurst Stakes, Chester Vase – und von dem Danny Maher glaubte, dass er das beste Pferd war, das er je ritt. Wie groß der Verlust war, als der Hengst mit elf Jahren einging, zeigte sich schon ein Jahr später. Damals führte er die Liste der Beschäler an, und sein Sohn Gainsborough (1915), der auf der Auktion seinen Reservepreis nicht erreichte und für seine Züchterin Lady James Douglas in den Rennstall einzog, setzte sich in der Triple Crown durch. Und dieser Gainsborough zeugte u. a. für Lord Derby ein Pferd namens Hyperion …

      Dark Ronald vertritt die Hengstlinie Hampton – Newminster – Touchstone, die über Whalebone (1807) und Eclipse (1764) zu Darley Arabian führt. Hampton (1872), der u. a. die Cups zu Goodwood und Doncaster gewann, zählte zu seinen Nachkommen auch Stuten wie Perdita II (die Mutter von Persimmon) oder Maid Marian, die nach Cyllene 1902 Polymelus fohlte. Und dieser, von Lord Crewe gezogene Hengst, auf der Rennbahn unterhalb des klassischen Niveaus, wurde in der Zucht ein uneingeschränkter Erfolg. Sein bedeutendster Sohn war Phalaris, der u. a. Fairway (1925) und Pharos (1920) zeugte, und dieser wurde 1935 Vater von Nearco. Newminster’s (1848) wichtigster Sieg war der im St. Ledger, und als Vater von Hampton (23 Starts; 20 Siege) war er Großvater von drei Derbysiegern. Touchstone (1831; Camel) gilt ebenfalls als einer der großen Zuchthengste des 19. Jahrhunderts. Auf der Rennbahn gewann er das St. Ledger (in dem der Favorit und Derbysieger Plenipotentiary „vergiftet“ gewesen sein soll) und je zwei Ascot Gold- und Doncaster Cups. In der Zucht hinterließ er u. a. die Derbysieger Cotherstone, Orlando (später dreifacher Beschälerchampion in England / Irland) und Surplice, die ihr „Blaues Band“ 1843, 1844 und 1848 gewannen. Touchstone hinterließ aber auch zahlreiche erstklassige Töchter, von denen die 1843 geborene Mowerina 1850, nach Melbourne, den Triple Crown-Sieger West Australian fohlte, dem das als erstem Vollblüter in der Geschichte gelang. „The West“, der sich als Vierjähriger auch noch den Ascot Gold Cup sicherte und die Godolphin Arabian-Matchem-Linie vertrat, wurde bei insgesamt acht Starts nur einmal, in seinem letzten Rennen als Zweijähriger, geschlagen.

      Dark Ronalds Mutter Darkie (1889; Thurio) geht in direkter Linie auf die Yorkshire Oaks-Siegerin Toison d’Or (1866; Buccaneer) zurück und fohlte auch die Gimcrack-Siegerin Desiree (1902; Velasquez), die nach Schlenderhan verkauft wurde und dort u. a. als vierte Mutter im Pedigree des 1939er Derbysiegers Wehr Dich (Wallenstein) auftritt. Die gleiche Ururgroßmutter-Position besetzte der Schlenderhaner Englandimport z. B. bei dem 1929 geborenen Prunus-Sohn Widerhall, der sich auch im Henckel-Rennen und dem Großen Preis von Baden durchsetzen konnte. Die Mutter von Toison d’Or, Auld Acquaintance (1840; Birdcatcher – Forget Me Not) ist eine Vollschwester zu J. Bowes Derbysieger Daniel O’Rourke, der 1852 unter Frank Butler gewann und im St. Ledger von Stockwell mit zehn Längen abgefertigt wurde, als auch eine Halbschwester von Vergiss Mein Nicht (1858; The Flying Dutchman – Forget Me Not), die bei Tuki (Gouverneur) als vierte Mutter im Pedigree erscheint, der 1901 für Major Gossler das Derby gewann, und sich auch im St. Ledger, Großen Hansa-Preis und dem Großen Preis von Berlin durchsetzen konnte.

      Kurz nach der Gründung des Preußischen Hauptgestüts hatte sich auch der Union Club als übergeordnete Behörde des deutschen Rennsports formiert, und mit der Eröffnung von Hoppegarten 1868 stand nun auch eine Rennbahn zur Verfügung, auf der die Vollblüter auf Herz und Nieren geprüft


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