Kreation Vollblut – das Rennpferd eroberte die Welt. Teil III. Erhard Heckmann
Читать онлайн книгу.ihre erste Saison mit vier weiteren Siegen in Ungarn, Wien und Prag ab. Zu den 17 Erfolgen der Dreijährigen zählten das Wiener Derby, der Große Preis von Hannover, das Renard-Rennen in Hamburg und der Große Preis von Baden-Baden, den sie auch in den zwei folgenden Jahren beherrschte. Vierjährig begann die Ausnahmestute mit zwei Triumphen in Wien, ließ drei in der Heimat folgen, und ein weiteres „Triple“ in der Freudenau, ehe sie im Goodwood Cup und im Grand Prix Deauville auch den Engländern und Franzosen zeigte, welche Klasse sie vertrat. Nach dem Großen Preis von Baden-Baden und vier weiteren Siegen war die Saison mit 15 Treffern abgeschlossen. Als Fünfjährige kamen weitere 12 Erfolge hinzu, zu denen auch das „Silberne Schild“ zu Berlin gehörte, wo sie Start-Ziel spazieren ging wie anschließend in Frankfurt und zu Iffezheim.
Die etwa zwanzig Jahre nach 1880 brachten dem deutschen Rennsport allerhand Probleme. Vom Staat gab es keine Unterstützung, eine antisemitische Debatte begann, und nach dem Derby 1881, das wieder nach Österreich-Ungarn ging, schrieb der Sporn „unser Stern ist tief gesunken“. Dennoch entstand unter dem Dach des Union Clubs der Verein für Hindernisrennen, und ein Jahr später errichtete der Club, der seit drei Jahren unter dem Protektorat des Kaisers stand, auf eigenem Grundstück ein repräsentatives Gebäude, in dem sich auch das Generalsekretariat befand, dass nun zusätzliche Aufgaben erhielt.
Die ersten Hindernisrennen wurden zu Hoppegarten gelaufen, zogen danach auf die neue Bahn in Charlottenburg um, bis sie rund zehn Jahre später Karlshorst zur Hochburg machten. 1882 wurde ein staatliches Wettverbot erlassen, das auch die Schließung der Totalisatoren aller preußischen Rennvereine anordnete. Erst vier Jahre später wurde, unter strengen Auflagen, limitiertes Wetten wieder erlaubt, was auch zur Gründung der Rennvereine Mülheim und Dortmund führte. 1883 feierte Baden-Baden, mit Roulette, Monarchen, Regenten und Diplomaten, sein 25-jähriges Bestehen, zu dem fast 200 Pferde anreisten, die bei der „Großen Woche“ rund 238.000 Mark an Rennpreisen gewinnen konnten. Der „Große Preis“ war mit 40.000 Mark und einem Gold Pokal noch immer Deutschlands wertvollstes Rennen, und über Hindernisse wurde erstmals die Badener Handicap-Chase abgelassen.
In jenem Jahrzehnt baute der Union-Club in Hoppegarten eine massive Tribüne, und der „Sporn“ erhielt Konkurrenz von der in Berlin erscheinenden „Sport-Welt“; 1891 verbot der inzwischen an die Spitze getretene Wilhelm II. den Sonntags-Rennsport. Dieser hatte als 29-jähriger nach dem Tod von Wilhelm I. das Amt des letzten Kaisers und Königs von Preußen am 15.6.1888 übernommen, war grundsätzlich sehr sozial eingestellt, unterstützte den Bergarbeiterstreik von 1899 und erzwang höhere Löhne. Er entließ auch Reichspräsident Otto von Bismarck 1890, weil dieser seine Politik als viel zu sentimental bezeichnete.
Wilhelm II, der letzte König und Kaiser von Preußen 1902, der den Pferde-Rennsport ablehnte (Foto: Hoffotograf T.H.Voigt; gemeinfrei;media.iwm.org.uk/iwmLib; F-Nr.HU 68367 Imperial War Museum Collections)
Den Rennsport lehnte Wilhelm II., der 1918 ins holländische Asyl floh, wo er auch 1941 verstarb, jedoch ab, und neben dem Sonntagsverbot wurden auf die Wetteinnahmen auch 5% Steuern fällig, die schon drei Jahre später auf das Doppelte erhöht wurden. Im folgenden Jahr, als der Union-Club sein 25-jähriges Bestehen feierte, war auch ein Jubiläumsrenntag ausgeschrieben, zu dem am 13. Juni acht Sonderzüge vom Potsdamer Bahnhof Richtung Osten dampften. Im Mittelpunkt stand das „Große Armee-Jagdrennen“ mit dem Kaiserpreis über 5.000 Meter, in dem 14 aktive Offiziere – zehn davon zählten zum Adel – antraten. Der Sieger hieß Leutnant J. Graf von Westphalen, der auf Lt. von Waldows sechsjährigem Eventail im Sattel war, und den Sieg zwölf Monate später auf Red Rose wiederholte.
Die Hindernis-Hochburg Karlshorst 1935 mit dem Kaiser-Pavillon im Vordergrund (Foto: Günter Toepfer-Sammling, Karlshorst)
Die „Armee“ startete 1862 offiziell als „Offiziers-Steeplechase“ auf dem Territorium des Rittergutes Lichterfelde, genauer gesagt, auf der Feldmark dessen Vorwerks „Carlshorst“, das Herr von Treskow-Friedrichsfelde zur Verfügung stellte, weil das Tempelhofer Feld keine Hindernisrennen erlaubte. Dieses Vorwerk war damals noch eine Einöde, lag versteckt und weit ab von den Wohnsitzen der Menschen, ehe es der Verein für Hindernisrennen 1894 erschloss. Und diese neue Hochburg des Hindernissports Karlshorst löste die Charlottenburger Bahn in dieser Rolle ab.
Auf dem Vorwerk ging es aber vorerst „Quer Beet“, über Sturzacker, gepflügtes Ackerland, festen Wiesenboden, und die rund 25 Hindernisse bestanden aus Hürden, Koppelricks, trockenen und Wassergräben, und was sich sonst noch in den Weg stellte. Der erste Sieger über die knapp 6.000 Meter hieß Cocktail (Colling Wood) und wurde von seinem Besitzer, von Alvesleben, geritten. Auch die nächsten drei Rennen -1864 und 1866 fand es nicht statt – wurden auf dieser Feldmark entschieden, und die Sieger hießen 1863 Longrange (Cotherstone), der seinem Reiter Lt. von Rosenberg gehörte; 1865 siegte der Halbblüter Nightcap aus dem Besitz von Lt. Graf Donah unter Lt. Prinz Ph. Croy und, die Halbblüterin Gipsy Queen setzte auf diesem Vorwerk 1867 unter ihrem Besitzer Lt. Krell (12. Dragoner) den Schlusspunkt.
Die Premiere dieses Rennens zu Hoppegarten am 21. Juni 1868 holte sich Miß Menken unter ihrem Besitzer, Lt. von Meyerink, während der letzte Sieger auf dieser Bahn 1909 Lt. von Sydows Forefather (1904; Forfarshire) war, der den fünfjährigen Hengst auch selbst ritt. Die letzten fünf Sieger wurden anschließend im Grunewald ermittelt: 1910, als Handicap über 5.000 Meter entschieden, gewann Lt. v. Lütcken von den 17. Ulanen mit Lt. von Röders sechsjährigem Hengst Melton Pet (Petros); im Folgejahr war Lt. Gf. W. Hohenau mit seiner seechsjährigen Stute Castle Brillant (Saint Leonards) der erfolgreiche Reiter; 1912 setzte sich Halcyon Days (Collar) unter seinem Besitzer Lt. Frhr. von Lotzbeck von den 1. Bayrischen Ulanen durch, und zwölf Monate später ließ sich der fünfjährige Wallach South (Diakka) unter 69 Kilo und Lt. Graf Strachwitz für Major Graf Stachwitz mit lockeren fünf Längen Vorsprung über die 5.000 Meter in 6:29, 5 die Butter nicht vom Brot nehmen. Am Freitag, 5. Juni 1914, wurde das letzte Große Armee-Jagdrennen mit 18 Startern abgelassen, das mit drei Ehrenpreisen und 13.400 Mark ausgestattet war. Der letzte Sieger gehörte Hauptm. Schönberg, trug 76 Kilo (das Höchstgewicht mit 79 kg lief auf Platz sieben, auf dem es kein Geld mehr gab) wurde von Lt. von Herder geritten, von K. Schmidt trainiert und gewann in 6:25,3 leicht mit ¾ Längen. Damit waren Ehrenpreis und 8.000 Mark gewonnen und der letzte Triumphator der „Armee“ hochgezogen. Wie üblich erhielten auch der Zweite und Dritte, Flying Hawk, der seinen Besitzer Lt. Hellm. Prieger im Sattel hatte, und A. von Hobergs Seribo unter Lt. v. Egan-Krieger zu ihren 2.400 bzw. 1.160 Mark noch Ehrenpreise.
„Ins Leben gerufen“ wurde das Rennen, das von 1867 bis 1909 in Hoppegarten, die restlichen fünf Jahre auf der Grunewaldbahn ausgetragen wurde, im Grunde von König Wilhelm I. der dafür jährlich den Ehrenpreise stiftete. 1864 und 1868 (Feldzüge) fiel die „Armee“ aus, sodass in 51 Jahren insgesamt 597 Starter gesattelt wurden, und 1876 mit 19 Teilnehmern das größte Feld antrat. Und diese Offiziere waren es, die den deutschen Hindernissport bekannt machten, der in unserer modernen Zeit auf deutschen Rennbahnen aber nur noch ein klägliches Leben führt. Das Hauptereignis der Karlshorster Bahn, der Große Preis von Karlshorst, der nach dem zweiten Weltkrieg in Bremen eine neue Heimat fand, ist inzwischen aus dem deutschen Rennprogramm auch verschwunden. Der letzte Sieger wurde 2007 in Bremen gefeiert, als sein Titel „125 Jahre Verein für Hindernisrennen e. V. Großer Preis von Karlshorst“ hieß, und den von Christian Freiherr von der Recke trainierte fünfjährige Our First Chestnut (Java Gold) unter J. Korpas für Bernd Raber gewann. Dass der Sieger aus dem Stall des vielfachen Trainer-Champions kam, der in jungen Jahren als Amateur ritt, war zumindest ein würdiger Abschluss für dieses Traditionsrennen, denn nach einem Erfolg 2004 war dem Trainer bereits 1998/99/2000 mit Last Corner (Weldnaas) für Bernd Raber ein lupenreiner Dreier gelungen. In der Erfolgsliste stehen neben Flachrenn-Championaten u. a. auch der Großen Preis von Meran (Gruppe I) über 5.000 Meter Jagdbahn mit Rosenbrief, als auch ein siegreiches Jagdbahn-Debüt im englischen Kempton-Park auf Gruppe-II-Ebene.
Zu den guten „Herrenreitern“, die vor dem I. Weltkrieg ritten, zählten ganz besonders Lt. Braune, Lt. Graf Holck, Lt. Freiherr von