Zeitschrift für kritische Theorie / Zeitschrift für kritische Theorie, Heft 40/41. Hanno Plass

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Zeitschrift für kritische Theorie / Zeitschrift für kritische Theorie, Heft 40/41 - Hanno Plass


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Begriffe freigesetzt, die in ihrer denotativen Semantik (das heißt der üblichen Sprachbedeutung) nicht zum Tragen kommt. Bezogen auf die konkret genannte Metapher heißt dies: Der Begriff ›Ursprung‹ erhält durch die Bildlichkeit des Begriffs ›Heerstraße‹ ein Surplus inhaltlicher Bestimmung, die geradezu das Negativum zur gewöhnlichen Denotation des Begriffs bildet. Man kann auch im Tenor Adornos sagen, dass die Metaphorisierung ein Moment des Nichtidentischen im Begriff ›Ursprung‹ aufzeigt. Begriffskritisch gewendet heißt dies: Jedem Begriff ist eine tranzendierende Semantisierbarkeit inhärent, die erst mittels der Metaphorisierung des zugrundeliegenden Begriffs zum Ausdruck gelangen kann.

      Gleichwohl ist aber deutlich, dass erst durch die Bildung eines Satzes, eines Aussagesatzes, eine Metaphorisierung vollständig wird und nicht etwa durch bloße Wort-durch-Wort-Ersetzungen. Es gilt der Satz von Ricœur, dass »die Metapher als Teil eines Satzes«86 anzusehen ist und nicht als nominales Theorem. Letztlich steht kein Satz in seinem explikativen Sinn für sich; er strebt von sich aus zur Gestaltung eines Textes, dessen semantischen Teilaspekt er vertritt. Von daher kann man folgern, dass die Metaphorisierung eines Begriffs eine vorausweisende Sinnspur für eine Satzaussage produziert, so, wie die Satzaussage das Gleiche für einen Text bewirkt. In dieser einen Sinn produzierenden Transzendierung (›vom Begriff zur Metapher, von der Metapher zum Satz, von diesem zum Text‹) liegt das schöpferische Ingenium der Sprache. Ermöglicht wird dies zuallererst dadurch, dass es auf der Ebene der Begriffstranszendenz zu einer Parallelisierung der jeweiligen Bedeutungsfelder kommt, die den betreffenden Begriffen (hier ›Heerstraße‹ und ›Ursprünge‹) zugehörig sind. Konkret heißt dies: Die semantischen Felder können konfiguriert werden, weil es Bedeutungsähnlichkeiten gibt, die gegenseitig wie wechselseitig aufeinander verweisen, die aber selbst nicht in der semantischen Reichweite der jeweiligen Einzelbegriffe aufzufinden sind. Man kann dies als eine gestiftete Begriffsmimesis ›zwischen‹ Termini bezeichnen.

      Für Adorno war die Mimesis, als ein ursprünglich archaisches Überlebensmoment des Menschen, ein rudimentäres Erfahrungsmoment, das sich dem begrifflichen Identifikationszwang entgegenstellt. Die Mimesis bewahrt etwas im Begriff, das ihm fremd ist, das er gleichwohl nicht ganz abstoßen kann: »Nicht anders vermag der Begriff die Sache dessen zu vertreten, was er verdrängte, der Mimesis, als indem er in seinen eigenen Verhaltensweisen etwas von dieser sich zueignet, ohne an sie sich zu verlieren«87. Begriffstheoretisch wird diese Zueignung jetzt nicht mehr – wie bei Adorno – als archaisches Moment einer ersten Rationalisierungsphase des Geistes gegenüber der Angst machenden Natur verstanden. Diese Zueignung soll kein anthropologisches Residuum sein, sondern ein sprachästhetisches Ingenium, das die reine Zeichenhaftigkeit des Begriffs sprachlich verbildlicht, das heißt konfiguriert.

      Den Übergang von der Konfiguration begriffstranszendenter Verweisungssemantiken zu einem Text führt nicht über die Metapher allein, denn diese ist bezogen auf die Satzaussage. Was in den vorgenannten Transzendierungsstufen noch fehlt, ist das Zwischenglied, die Allegorie; zumal diejenige Allegorie, die sich zum philosophischen Text ausweitet. Zwar geht die Allegorie aus der Konfiguration von Begriffsmetaphern hervor, zeichnet sich aber dadurch aus, dass sie, ausgehend von der satzförmigen Metaphernfiguration, diese zu einer geistigen Rede bzw. Erzählung transformiert. Anders ausgedrückt: Aus den anfänglich metaphorischen Begriffstranszendenzen wird eine geistige Erzählung generierbar, die sich als eine Sinn konstituierende Form letztlich zu einem Text auslegt. Das angeführte Beispiel ›Heerstraße zu den Ursprüngen‹ kann auf diese Weise zu einer Stiftungsallegorie für einen Text werden, der sich – ausgehend von der metaphorischen Transzendenz beider Begriffe – zu einem Text generiert, der sich über die identitätsfixierende Gewalt des Ursprungsdenken auslässt. Die Referenz dieses Textes wäre nicht mehr die Natürlichkeit eines Ursprünglichkeitsdenkens, sondern dasjenige, was ausgehend von der tradierten Bedeutung des Begriffs ›Ursprung‹ diese alternierend bedeutsam (das heißt negativ-kritisch) transzendiert. Die Herkunft dieser Referenz wäre damit in der sprachlich-rhetorischen Genealogie zu suchen, die Adorno kryptisch so bezeichnet hat: »An ihr [der Negation] ist die Anstrengung, über den Begriff durch den Begriff hinauszugelangen«88. Diese Anstrengung ist das Erfordernis, die Begriffskritik Adornos sprachtheoretisch anzugehen – und nicht etwa mit Kategorien aus der Bewusstseins- oder Subjekt-Objektphilosophie.89

      Karlheinz Gradl

       Erblickte Versöhnung

      Adornos dialektischer Naturbegriff im Hinblick auf Simmel und Lukács

      »Denn gerade solches: das Meer und die Blumen, die Alpen und der Sternenhimmel – gerade dieses hat, was man seinen Wert nennen kann, nur an seinen Reflexionen in subjektiven Seelen.«

      Georg Simmel

      Um den Naturbegriff kreist Adornos Denken von Anfang an. »Das Erlebnis der Natur in eine begriffliche Form zu fassen«1, wird bereits im ersten Abschnitt des Abituriums-Aufsatzes von 1921 als Ziel einer intellektuellen Anstrengung betrachtet, die, über die unmittelbar sinnliche Wahrnehmung hinaus, eine mit dem Erlebnischarakter verbundene, transzendente Dimension von Natur erschließen bzw. ›sichtbar‹ machen soll. Der Schüler Adorno interpretiert Natur emphatisch als den Geschichtsprozess übergreifende Größe, als »Gesamtheit des unbewußten Daseins schlechthin«2. Der Zugang zu dieser der sichtbaren Natur gleichsam unsichtbar eingeschriebenen Dimension eröffnet sich dem betrachtenden Subjekt im Erlebnis der Landschaft, ein Vorgang, der »auf das Ich beschränkt«3 bleibt und die Form einer »reinen Erkenntnis«4 annimmt, die sich in letzter Konsequenz jedoch begrifflicher Erfassung entzieht. Natur tritt hier an die Stelle des Göttlichen, wird zur säkularisierten Kategorie; sie setzt das Ich in Beziehung zu einer »Ganzheit«5, die von der Last, gesellschaftlich bestimmtes Subjekt sein zu müssen, befreit und damit, zumindest für einen zeitlich befristeten Moment, erlöst. Das Erlebnis der Natur, verstanden als betrachtendes Wahrnehmen von Landschaft, ermöglicht es dem Subjekt, so Adornos früheste These, die Welt »im Ich«6 zu gestalten, um auf diesem Weg einen in der Natur als ganzer, in ihrer sichtbaren wie auch unsichtbar-transzendenten Dimension enthaltenen »Sinn des Lebens«7 zu entdecken.

      Ein Jahrzehnt zuvor schon hatte Georg Simmel in seinem Essay Zur Ästhetik der Alpen8 das Landschaftserlebnis einer säkularisierten Vorstellung von Erlösung zugeordnet. Simmel deutet die Firnregion des Hochgebirges als Erlösungssymbol, dessen Wahrnehmung dem Betrachter den ›Blick‹ in die transzendente Dimension von Natur als Garant einer letzten, aller Rückbezüglichkeit auf Gesellschaftliches enthobenen Sinnperspektive eröffnet. In der Ästhetischen Theorie schließlich gelangt Adorno – auf der Folie von Lukács’ Theorem von erster und zweiter Natur – zu einem Naturbegriff, der das säkularisierte Erlösungsparadigma Simmels (und das des eigenen frühen Aufsatzes) gewissermaßen absorbiert und über die Kategorie des Scheins zur Konzeption eines im Vorbegrifflichen und Vorästhetischen verankerten, »weder theistisch noch reduktionistisch«9 begründeten Naturalismus führt, der das Subjekt zur letzten Instanz einer alle gesellschaftlichen Antagonismen übergreifenden, Erlösung einschließenden Form von Versöhnung macht.

      Simmel: Natur und Erlösung

      In seinem Essay Philosophie der Landschaft definiert Georg Simmel Natur als »flutende Einheit des Geschehens«, deren unsichtbar-transzendente Dimension sich dem Subjekt beim Betrachten einer Landschaft als immer von neuem sich herausbildendes »Ganzes«10 erschließt. Dieses spontane, wesentlich von »Stimmung«11 getragene Ganzheitserlebnis deutet Simmel als »Kunstwerk in statu nascendi«12; einer quasi natürlichen, im Subjekt diesem unbewusst verankerten Dynamik folgend, antizipiert es die säkularisierte Vorstellung von Erlösung als Möglichkeit der Befreiung des Ichs von den Antagonismen gesellschaftlich bestimmter Realität in einer anderen, jenseits der sichtbaren gelegenen Welt.

      Bereits zwei Jahre vorher hatte Simmel jenen Text vorgelegt, in dem die säkularisierte Erlösungsperspektive auf eine konkrete Landschaft projiziert wird.13 Im Blick auf das firnbedeckte Hochgebirge (der Alpen) erzeugt das Subjekt jenes ›Ganze‹ im Rahmen ästhetischer Wirklichkeitskonstitution und überschreitet es gleichzeitig in einen offenen Horizont hinein. Es ist dabei das »Zeitlose, dem Fluß der Dinge Entrückte«14, das beim Betrachter ein über


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