Nacht über der Prärie. Liselotte Welskopf-Henrich
Читать онлайн книгу.wollte und weil sie, auch ohne ihn anzusehen, wusste, wer er war. Diese Stimme hatte damals an ihrem Auto, in dem der betrunkene Bruder lag, gefragt, ob man dem Fräulein behilflich sein könne … Das musste James sein. Wenn sie wünschte, dass jemand nicht mehr auf der Welt wäre, so war er es. Er hatte zu denen gehört, die sich nachher in die Prärie schlichen.
Nr. 7, Bronc sattellos, Reiter Joe King, war an der Reihe.
Joe King, der sich selbst in diesem Moment als Stonehorn fühlte, saß schon auf der Wand des Verschlages, in dem der Schecke auf das Ausbrechen lauerte. Er ließ sich jetzt auf das Pferd hinunterfallen. Es stieg sofort, schon in der engen Box, schlug mit den Vorderhufen, und als der Verschlag hastig geöffnet wurde, war es nahe daran, ebenso rasch zu Boden zu gehen.
Das durfte aber nicht sein, damit wäre das Ende schon dagewesen. Stonehorn hatte nicht nur keinen Sattel, er hatte auch keinen der üblichen Zügel, sondern nur einen einzigen einseitig befestigten, dicken Strick zur Hand, wie es die Regel erforderte. Es gelang ihm, das Tier abzufangen und am Niedergehen zu hindern. Der erste Beifall kam auf. Dieser Hengst hatte Einfälle. Er warf seinen Reiter nur ein paarmal auf- und niederschnellend in die Luft, was dieser mit vorgestreckten Beinen, den einen Arm leicht nach hinten genommen, im Gleichgewicht parierte. Dann setzte der Schecke zu einem großartigen Sprung an und buckelte, alle viere in der Luft. Sein Reiter verlor den Hut, aber nicht die schwierige Balance. Das Tier hatte Sehnen! Hager war es, nicht zu groß und elastisch wie Gummi. Es kannte seine eigene Kraft und Geschicklichkeit, und daher rührte wohl sein Temperament. Kaum, dass seine Hufe den Boden wieder berührten, schlug der Hengst hoch nach hinten aus, und der Reiter musste sich flach zurücklegen, um nicht über den Hals zu fliegen. Es hing an einem Haar, dass das Pferd mit diesem Manöver gesiegt hätte. Ein paar bewundernde Schreie und anerkennende Pfiffe ertönten, aber darauf konnte Queenie jetzt nicht achten. Sie war bei ihrem Mann auf dem Pferd.
Der Schecke versuchte es mit seinen letzten Künsten. Er ging noch einmal mit allen vieren in die Luft und bockte – und jetzt – nein … es war ihm nicht gelungen, sich unter dem hochfliegenden Reiter zu Boden zu werfen. Den Bruchteil einer Sekunde früher war Joe wieder auf dem Rücken des Pferdes gelandet und hatte das Tier gezwungen, auf den Beinen zu bleiben.
Die Zeit war um.
Der Ansager selbst war in Begeisterung geraten über diese Leistung auf dem Rodeo von New City.
»Time for Joe King! Time for Joe King!«
Ja, die Zeit war gemacht und in einer bewundernswürdigen Haltung, mit vielen Pluspunkten. Aber die Helfer konnten nicht an das Tier herankommen. Obgleich Joe den aufreizenden Riemen schon gelockert hatte, bockte der Hengst weiter. Es verlegte sich jetzt vor allem darauf, so, wie es auch das vorhergehende Tier versucht hatte, auszuschlagen und den Reiter an die Wand zu drängen. Da die Helfer nicht durchkamen, sprang Stonehorn mit einem weiten, gefährlichen Sprung mitten aus dem Kampf mit dem Pferd ohne Hilfe ab und lief mit großen Sätzen zu dem Mann, der noch immer hilflos an dem Zaun stand. Unterdessen gelang es den berittenen Helfern, das Tier zum Ausgang zu drängen, wo es allmählich zur Ruhe kam.
Beifall brauste auf. Bronc ohne Sattel mit Joe King war ohne allen Zweifel die Bestleistung des Tages von Reiter und von Pferd gewesen, und es war eine Leistung, wie sie sonst nur auf den großen und berühmten Rodeos für hohe Preise von Professionals gezeigt wurde. Bronc mit Sattel, sonst ein traditioneller Höhepunkt, trat an diesem Tage in der Meinung der Zuschauer zurück.
Queenie hatte heiße Wangen. Sie war erfüllt von dem glücklichsten Gefühl der Liebenden, dem Stolz auf den Geliebten. Stonehorn selbst lag in der Baracke auf einer Matratze. Er spürte alle Knochen und alle Sehnen, seinen Kopf und alle Nerven.
Draußen wurde unterdessen das Kälberfangen mit Lasso als nächstes Ereignis bekanntgegeben, zunächst die einfache Übung, einem Kalb das Lasso über den Kopf zu werfen, es damit zum Sturz zu bringen und es so schnell wie möglich zu fesseln. Stonehorn war froh, dass er mit seinem Team erst zur folgenden Nummer gehörte. Er war jetzt schon wieder auf. Aber er fühlte sich etwas angeschlagen. Die Stöße beim Auf- und Niederschnellen wirkten auf jeden. Die Vorstellung, dass er heute noch das Ringen mit einem Stier vor sich hatte, machte ihm wenig Freude. Elk hatte natürlich recht gehabt. Aber der Schecke war unvergleichlich, und Stonehorn hatte einen einwandfreien ersten Preis nach Zeit und Punkten davongetragen. Wenn er bei dem steer wrestling, dem Niederzwingen eines schwarzen Bullen, wenigstens den Einsatz wieder herausholte, mochte es genügen. Das Vieh sollte ihn nur nicht schleifen und stoßen. Er hätte absagen können, aber daran hinderten ihn sein Ehrgeiz, auch das natürliche Aufleben seines Selbstbewusstseins, das lange Jahre gelitten hatte. Er zeigte sich draußen, damit es nicht aussah, als ob er doch in den vorgeschriebenen zehn Sekunden von einem Pferd erledigt worden wäre. Alles in allem: Stonehorn, ein Indianer, hatte einen Preis errungen. Er hatte nicht nur für sich etwas erreicht.
Der Verletzte am Zaun war inzwischen mit sanfter Gewalt hinausgeführt worden. Eivie war zur Stelle, kam aber nicht dazu, Stonehorn zu gratulieren, da er den Verletzten in seinem Wagen mitnahm, so dass der Rodeo-Arzt nicht beansprucht wurde.
Das Schauspiel des Kälberfangens, an dem sich die beiden anderen Indianer mit achtbarem Erfolg beteiligten, war eine Erholung. Dabei konnte nichts passieren. Es ging um die Geschicklichkeit. In noch höherem Maße galt das für das Kälberfangen im Zweierteam. Die Aufgabe bestand darin, dass der eine Lassowerfer das Lasso um den Kopf, der zweite das Lasso von unten her um ein Hinterbein warf. Das zweite war bedeutend schwieriger als das erste. Es erforderte eine viel schnellere Reaktionsfähigkeit und höhere Geschicklichkeit. Eine bestimmte Zeit war auch für diese Übung vorgesehen. Sechs Teams hatten sich gemeldet. Zum Ziel kamen nur zwei; dabei war es bei den übrigen vier immer das Hinterbein, das verfehlt wurde. Zu den beiden Siegerteams gehörte auch das von Stonehorn und Russell. Der Beifall war besonders freundlich, da man den Doppelsieger ehren wollte.
Queenie war sich ihrer Aufgabe als Beobachterin wieder bewusst geworden, aber sie hatte nichts entdeckt, was ihr noch von Belang schien. Mike, James und Jenny hielten sich voneinander fern, und sie hatte nicht verfolgen können, ob sie mit anderen in Verbindung standen.
Vor dem letzten Teil des Programms, dem Stierringen, waren das Wettreiten der Cowgirls auf ihren zierlichen, eleganten Pferden, anschließend eine längere Pause eingelegt. Die Musikkapelle unterhielt das Publikum. Stonehorn ließ sich nicht bei den Zuschauern sehen. Er hatte sich wieder in die Baracke zurückgezogen. Aus dem Rindergehege war Brüllen zu hören. Die Arena war schon stark von Pferdehufen zerstampft. Die Getränke in den Buden waren fast ausverkauft, und die Budenbesitzer ließen mit ihren Wagen Nachschub holen, um sich das gute Geschäft nicht entgehen zu lassen. Queenie besuchte Margret, die mit bewundernswerter Ausdauer beim Wagen saß, und ging noch einmal zu ihren Eltern.
Der letzte Teil des Programms begann. Die Aufgabe im Wettbewerb war folgende: Einer der schwarzen, schlanken, langhörnigen Stiere, die speziell gezüchtet wurden, wurde in die Arena gejagt. Er wurde von zwei galoppierenden Reitern verfolgt und in die Mitte genommen, damit er nicht zur Seite ausbrechen konnte. Dann hatte sich der eine der Reiter, der im Wettbewerb stand, vom Pferd auf den Stier mit einer Art Hechtsprung hinüberzuschwingen, ihn von hinten an den Hörnern zu packen, mit den Füßen auf den Boden zu gleiten und das galoppierende Tier zum Stehen zu bringen. War das gelungen, so begann die letzte Phase. Der Mann hielt den Stier noch an einem Horn, packte ihn mit der andern Hand an der Nase und versuchte, dem Starknackigen den Kopf so zu drehen, dass das Tier sich fallen lassen musste, um sich nicht das Genick zu brechen. Die schwarzen jungen Stiere waren wendig, schnell und kräftig. Der Ausgang des Kampfes zwischen Mann und Tier war immer ungewiss und die Übung sehr anstrengend, auch gefährlich. Ein Rodeo-Clown stand bereit, um im Gefahrenfall einzugreifen. An vielen anderen Plätzen wurden für diesen Wettbewerb anstelle der Stiere Ochsen gebraucht – daher die Bezeichnung steer wrestling –, aber in New City hielt man an der gefährlicheren Gewohnheit fest. Stonehorn war an vierter Stelle angesetzt. Er wurde wieder mit Beifall begrüßt, aber diesmal war der Vorapplaus schwächer. Manche meinten wohl, dass dieser Mann sich zu sehr vordränge. Wollte ein Indianer allround champion werden?
Stonehorn hatte ein geborgtes Pferd, da er seine eigenen Pferde aus einem gewissen Misstrauen heraus für diesen Zweck nicht nach New City hatte bringen wollen. Es wäre auch mit