Krampenfieber – Im Fangarm der Pimperbrille. Tobie Schmack

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Krampenfieber – Im Fangarm der Pimperbrille - Tobie Schmack


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euch und f**** euch«, damit auch noch morgen kraftvoll Magazine gelesen werden. MenPlanet, Tackos Lifestyle-Bibel, liegt nun ausgebreitet im Schummerlicht vor mir.

      »Ey Henry, das geht auf. Kennste mich, kennste den Weg zu den Chicks. Und damit meine ich nicht den Hähnchengrill, he!«

      Was ich da sehe, ist ein Adamskostüm, für das ich auf der Stelle eine Ode an die Männlichkeit hätte schreiben können, aber das wäre nun wirklich nicht hetero. Als ich Tacko dabei beobachte, wie er förmlich in den gedruckten Typen reinkriecht, frage ich mich, wer hier wirklich stationäre Betreuung braucht. Zugegeben, der Kerl sieht einfach makellos aus, sein leichter Bartansatz in der verschwitzten Wangenhaut kommt gut rüber. Dazu die Pose, als wolle er gleich jetzt und hier jede Maus in seinen heiligen Schoß legen. So viel Überzeugungskraft kennt man ja sonst nur als Ministrant in Bayern. Nein, da ist rein gar nichts, was mich mit ihm auch nur im Ansatz vergleichbar macht. Was Tacko nicht im Geringsten stört, nein, ihn sogar beflügelt, mich ganz offiziell zu seinem neuen Projekt zu küren: »Der Henry 2.0«.

      Was auch immer er vorhat, ich hab keinen USB-Slot, okay? Die völlig haarbefreite Brustzone vom Cover-Dödel wird einzig und allein von einer fetten »5« bedeckt, die von seinen Brustwarzen eingefasst ist. Gerade als mir auffällt, dass der linke Nippel leicht nach links unten abdriftet, während sein rechtsliegendes Gegenstück geradezu frontal in meine Augen sticht, schiebt mir Tacko einen Gutschein in beißendem Rot mit ebenso beißend lächelnden Menschen herüber.

      »Pass mal auf, hier und heute, das ist Ground Zero.«

      Ich warte ab, was das jetzt wieder wird und hoffe inständig, nun nicht gleich noch »New York«, »Al Kaida« und Flugzeuge« zu hören. Ich habe keine Lust, von einem Moment auf den nächsten in einem staubigen Loch auszuharren und als einzig zugestandene Tagesration den Koran verschlingen zu müssen. Alles, was ich will, ist … tja, was denn? Meine Ruhe, ’ne Mütze Schlaf sowie eine bescheidene Portion Zuversicht, nach all dem, was nun vor gefühlten zwei Minuten über mich hereingebrochen ist und das Tacko als seine Großbaustelle ausmacht, für deren einzigen Neuentwurf er einen gigantischen, schattenwerfenden Wolkenkratzer ersonnen hat, ein Monument, das jeden mir gegenüber erblassen lassen soll. Mein Baumeister hat sich das Einladungsschreiben für das große Wiedersehen aller Schulabgänger meines Jahrgangs wie einen verbindlichen Auftrag in die Jacke geschoben. Eine Mission, die im heiligen Krieg um das Ansehen seines Seelenverwandten unter allen Umständen zu erfüllen sei. Und wie immer ist seine Bruderliebe trotz fehlender DNA-Beziehung kein Garant, dass ich aus so einer Nummer, in der er den Chefkoch gibt, herauskomme, ohne fein gehackt im Kochtopf zu landen. Ich kann schon glücklich sein, wenn jener ominöse Henry reloaded nicht als billige Baumarkthundehütte endet und ich somit bei diesem bekloppten Ehemaligentreffen nicht das bemitleidenswerte, gebuchte Opfer geben muss. Trotz aller Erschöpfung und aller Eindrücke aus Bier und Speed Date sammle ich mich und gebe mir alle Mühe, dankbar zu erscheinen. Und wenn die nette Begleitung allem Anschein nach am Ende tatsächlich eine Edelnutte mit russischem Unidiplom in Atomphysik sein würde, es wäre ein Diamant, dem ich zur Not noch Kohle und ein Drehbuch aufdrücke, nur um nicht gänzlich allein dazustehen, vor Mickey, vor Delia und vor allem vor mir selbst, wenn alle ihre Vita abgleichen. Nein, ich will einer sein, der es geschafft hat. Also verpasse ich Tacko keine vor den Latz, was ihm als Provision bereits locker zustünde. Noch ist nicht Zahltag. Der Zugriff durch den CIA bleibt aus. Die Attacke durch Tacko und das sich in meine Hand einschneidende Gutscheinpapier nicht.

      »Schmucker, das ist die Eintrittskarte ins Bermuda-Dreieck.«

      Wie immer grinst er bei diesem ausgelutschten Gag. Ja, es ist schon lange vor der öffentlichen Zurschaustellung Einzelner im Netz Stadtgespräch, dass er sich gern zwischen den Schenkeln knusprig gebräunter Fitnessclub-Tussis verliert. Beständige Zugriffszahlen seinerseits auf die regionale Tussilandschaft sprechen ihre eigene Sprache. Never change a fucking system! Und verdammt noch mal, ihm geht’s bestens damit. Während ich mich mental fein säuberlich filetiere, wie ich Delia zu kompensieren gedenke, hat der Drecksack einfach Spaß, ohne Reue, ohne einen Gedanken an ein seelenloses »Mann, war ich geil!« in ein fremdes Gesicht nach einer durchgepoppten Nacht.

      »Hey Henry, du bist echt ein netter Typ, also optisch … irgendwie. Aber ›nett‹ trägt Omas den Einkauf nach Hause und gibt in der Musikschule Blockflötenunterricht. Nee, ich mach aus dir einen ganzen Kerl, was!«

      Aha! Schön. Warum muss ich eigentlich gerade an Hundefutter denken. Vor meinem inneren Auge sehe ich mich mit glänzendem Haar über eine Wiese jagen, meine zartrosa Zunge hängt vornehm sabbernd lässig heraus. Und ich bin glücklich, frei und entwurmt. Tackos Fünf-Punkte-Plan soll also mein Chappi sein. Auch nach einem kräftigen Schluck Bier schmeckt mir dieser Gedanke nicht so wirklich.

      »Alles Gute zum Purzeltag, Alter!«

      »Danke, für den letzten biste vier Monate drüber.« Also danke für den Vorschuss, denke ich misstrauisch, als ich den Gutschein nun endlich, aber zögerlich an mich nehme und skeptisch beäuge. »FITNESSCENTER! Wirklich? Klingt nach Arbeitslager!«

      Nein, ich fange nicht an zu maulen. Besser! Um Tacko keinen Grund für den nächsten bekloppten Nickname für die kommenden drei Jahrzehnte zu liefern, verstumme ich und ziehe mich etwas zurück. Ja, ich tue sogar so, als würde ich ihm bereitwillig in jedes Abenteuer folgen, was mir den kümmerlichen Rest an Ehre aus dem Leib brennen würde. Kein Zweifel, er ist sich vollkommen sicher, geradezu fasziniert von seinem Vorhaben. Ich muss geformt werden. Und ja, da kennt er keine Gnade. Bleibt nur die Frage, ob ich mit einem edel eingeölten Sixpack oder einem abtörnend chronischen Bandscheibenschaden aus der Sache herauskäme. Für den Abschluss einer Zusatzversicherung ist es jetzt wohl zu spät. Mit gefühlvollem Zuspruch musste ich bei ihm ohnehin noch nie rechnen. Dafür gibt’s jetzt reichlich Rum-Cola an Southern Comfort Ginger Ale gefolgt von Mannis hausgemachtem Obstler. Würde ich den nicht mindestens einmal pro Abend hier ordern, ich hätte ohne Frage lebenslang Hausverbot. Da kennt Manni keinen Spaß. Unter dem steten Fluss agitiert Tacko sein Einmaleins der Frauenwelt an mir herunter, Stunde um Stunde. Und das sieht so aus: »Biste was, kriegste was!«

      Soll heißen, Marketing ist alles. Sein Blick hat langsam was von Landvermessung, wie er mich so abstarrt. Als wäre ich eine gut abgehangene Schweinehälfte, patscht er mir mal rechts, mal links an die sich allmählich rötenden Wangen und lallt mich in väterlichem Ton voll. »Wird schonn ’enny, krie’ ’mer hin. Jenug jelabert, ab morjen kann dich Delüah mal jepfleeeeecht am Hobel blasen«, spricht er und kippt dabei ein, zwei, ja drei jungfräuliche Wodka-Cola nach.

      Mandy setzt uns Pommes Schranke mit optischen drei Kilo Majo vor, die Tacko als meine Henkersmahlzeit tituliert. Ob ich es glaube oder nicht: Ich bin im Begriff, Tackos Lehrling zu werden und sehe mich ihm schon Bierkästen auf seine Baustellen tragen. Wobei Bier eher Kondome sind und die Baustellen weibliche Dauermitglieder in seiner Pumperhütte. Während Tacko die pappigen Kartoffelsticks als Gleichnis für meine Oberarme missbraucht und ich den Gutschein hoch konzentriert, mit tastendender Zungenspitze an der Oberlippe, zum Flieger verbastele, fällt mir plötzlich eine seiner Eroberungen ein. Nicky! Was, wenn er recht hat und alle durchtrainierten Girls lediglich dort gefunden, gefangen und eingeholt werden müssten, ja abgefischt werden wollten. Dank Tacko hätte ich wohl die besten Connections, an sie heranzukommen, und das alles bezahlt. Ja, allein eine von ihnen wäre sicher schon perfekt. Die ideale Begleitung, ein optischer Bringer. Ich schaue Tacko tief in die Augen.

      »Danke nochmals, mein Bester! Ich glaub, ich hab’s jetzt.«

      Die schwerfällige, herumfuchtelnde Masse, die sich mein Kumpel nennt, reagiert jedoch nur noch eingeschränkt und gibt sich mit aller Restaufmerksamkeit der Neugestaltung meines Hemdes hin. Auf dem könnte gut lesbar stehen: »Kann Spuren von Erdnüssen enthalten«, denn Tacko hat seit einer Viertelstunde nichts Besseres im Sinn, als mich mit jenen zu bewerfen. Aber weder heiße ich neuerdings Dumbo, noch … ach egal. Auf solche Nummern, die man Viertklässlern heute als Ausdruck spielerischer Kreativität auslegen würde, muss ich nun wirklich keinen Elefanten machen. Wieso um alles in der Welt interessiert mich das jetzt überhaupt? Ja, sicher, mit Essen spielt man nicht, aber … hey, bin ich schon wieder nüchtern? Ich checke kurz meine Beweglichkeit, indem ich einmal um den Tisch flitze – oder das, was man so »flitzen« nennen könnte. Mist!


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