Hüter meines Herzens. Denise Hunter

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Hüter meines Herzens - Denise Hunter


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Planung hielt sie auf Trab, bis ihre Augen müde wurden. Sie machte sich bettfertig, kroch unter die Decke und wünschte sich, eine kühle Brise würde durchs Fenster hereinwehen. Stattdessen wehte eine Vision von Noahs Gesicht herbei. Diese kühlen Augen, die auf sie gerichtet waren. Sein wütend zuckender Unterkiefer.

      Seine Stimme auf dem Anrufbeantworter erklang wieder in ihrem Kopf, ihr Ton so voller Abscheu, dass es ihr körperliche Schmerzen bereitete. Er würde Freitag in die Stadt kommen, sagte er. Obwohl es offensichtlich war, dass es ihm lieber wäre, wenn das alles gestern erledigt gewesen wäre.

      Vielleicht konnte sie die Zeit nicht zurückdrehen und Dinge anders machen. Vielleicht konnte sie sie nicht wie durch einen Zaubertrick zu geschiedenen Leuten machen. Aber sie konnte ihm die Fahrt den Berg herunter einsparen und das Ganze um ein paar Tage beschleunigen. Um Noahs willen. Vielleicht auch um ihrer selbst willen. Am Mittwoch nach Ladenschluss würde sie ihm die Papiere persönlich überbringen. Das war das Mindeste, was sie tun konnte.

      KAPITEL 5

      In Gedanken bereits bei dem Abend, der vor ihr lag, drehte Josephine den Schlüssel ihres Ford Focus um. Der Motor des Autos stotterte, das machte er öfter. Er musste durchgecheckt werden, aber das schob sie schon länger vor sich her.

      Sie versuchte es wieder. „Komm schon, Kleiner. Du schaffst das.“ Sie musste mit der Sache abschließen. Weil sie dauernd an Noah Mitchell denken musste, konnte sie sich kaum auf etwas anderes konzentrieren.

      Der Motor sprang an, und sie seufzte aus tiefstem Herzen. Mit dem Packen Papiere aus der Anwaltskanzlei auf dem Beifahrersitz bog sie aus der Parklücke und verließ die Stadt. Noah wohnte jetzt auf der Sweetbriar Ranch, eine gute halbe Autostunde den Berg hoch.

      Die Sonne hing über dem Horizont, und ihr graute schon jetzt vor der Rückfahrt über die sich windenden Bergstraßen im Dunkeln. Aber nicht so sehr, wie ihr davor graute, Noah wiederzusehen.

      Ihr Herz tat einen Extraschlag. Zu sagen, ihr graute davor, war zu einfach für die komplexen Gefühle, die er in ihr aufrührte. Immerhin würde er froh sein, sie zu sehen. Natürlich nicht, weil er ihre Gesellschaft schätzte, sondern weil es den Scheidungsprozess beschleunigte. Nicht einen Moment lang glaubte sie, ihre gute Tat könnte ihr enormes Versagen ausgleichen.

      Kurz nachdem sie in der Bergregion angelangt war, begann es zu regnen, und sie stellte die Scheibenwischer an, während sie langsam Kehre um Kehre bewältigte. Schön war es hier oben. Tannen und Bergpanoramen und die Art Stille, die einen seine eigenen Gedanken hören ließ.

      Sie fragte sich, ob Noah sich zum Abendessen hinsetzte. Zum ersten Mal dachte sie darüber nach, ob er allein war. In der Stadt hatte sie Gerüchte über ihn und seine Reitlehrerin, Mary Beth Maynor, gehört. Was, wenn Josephine einen gemütlichen Abend oder ein romantisches Abendessen für zwei unterbrach?

      Auf dem Lenkrad begannen ihre Handflächen zu schwitzen. Mary Beth war ein liebes Kirchenmädchen mit einer guten, anständigen Erziehung. Sie war hübsch, ein hübsches Mädchen von nebenan, mit ihrem glatten dunklen Haar und einem freundlichen Lächeln. Sie wäre gut für Noah.

      Der Gedanke schloss sich wie eine Faust um Josephines Herz.

      Kein Wunder, dass ihn die ganze Situation so aufgeregt hatte. Wenn er mit Mary Beth zusammen war, betrog er sie so unwissentlich, und es gab keinen loyaleren Menschen auf der Welt als Noah.

      Die Straße wand sich weiter, krümmte sich nach Norden und Süden, Osten und Westen, bis ihr flau im Magen wurde. Die Sonne war inzwischen hinter dem Horizont verschwunden, und es hatte sich eingeregnet, die Tropfen trommelten auf ihr Autodach.

      Sie bremste, als sie sich der Old Hollow Road näherte, einer Schotterstraße, die steil nach rechts abfiel. Ein Wegweiser deutete Richtung Sweetbriar Ranch. Die Straße ging noch eine Weile weiter, bevor sie eine weite Ebene voller sanfter Hügel erreichte, die von einem weißen Lattenzaun umfriedet war. Ein Schild am Eingang sagte ihr, dass sie angekommen war.

      Kies knallte unter ihren Rädern, als sie langsam über die Auffahrt rollte. Im schwindenden Licht wirkte die Landschaft eintönig, aber sie stellte sich die Hügel grün vor, überall darauf verteilt die Pferde, die sie hier schon einmal gesehen hatte, in glücklicheren Zeiten. Sie überquerte eine Holzbrücke über einen Bach, der sich durch die Weiden schlängelte.

      In seiner Jugend hatte Noah auf der Ranch als Stalljunge gearbeitet, wenn im Bauunternehmen seiner Familie wenig los gewesen war. Sie war überrascht gewesen, als sie hörte, dass er die Anlage gekauft hatte. Sosehr er Pferde liebte, Baustellen waren einfach Teil seiner DNA. Sie konnte sich nicht vorstellen, dass er das aufgab. Irgendwie hatte sie sich auch dafür die Schuld zugeschrieben.

      Sie erreichte einen Hügelkamm, von wo aus ein kleines Häuschen in Sicht kam. Im Fenster brannte ein Licht, und Rauch kräuselte sich aus dem Schornstein. Sie bremste vor dem Haus und schnappte sich das Bündel Papiere, dann sauste sie durch den kalten Regen in den Schutz der Veranda.

      Nach dreimaligem Klopfen jedoch sank ihr Magen in die Kniekehlen. Sie war doch sicher nicht den ganzen Weg umsonst gefahren. Was, wenn er eine Lücke in seinem Zeitplan gefunden hatte und wegen der Papiere in die Stadt gefahren war? Er würde fuchsteufelswild werden, wenn er den ganzen langen Weg auf sich genommen hatte, um dann festzustellen, dass sie weg war.

      Im schwindenden Licht ließ sie ihren Blick über das Umland gleiten und entdeckte den Schatten einer Scheune an einem entlegenen Ende des Grundstücks. Dort glomm ein schwaches Licht. Natürlich.

      Sie stürzte zum Auto zurück, kämpfte mit dem Motor und gewann beim zweiten Versuch. Sie klappte die Sonnenblende herunter und verzog das Gesicht bei ihrem Anblick: zusammengefallenes Haar, das Gesicht nassglänzend vom Regen und ein dünnes helles Jäckchen mit dunklen Tropfspuren. Ach, egal. Er würde sowieso nicht begeistert sein, sie zu sehen, ganz gleich, wie sie aussah.

      Sie folgte der Auffahrt bis zur Scheune, wo sie seinen Pick-up entdeckte. Als sie ausstieg, hörte sie im Inneren der Scheune ein lautes Wiehern, gefolgt von Noahs tiefer Stimme. Sie hechtete zum Unterstand und blieb in der Tür stehen.

      Noah führte gerade ein braunes Pferd in eine Box. Er trug einen dunklen Regenmantel und hatte sich die Kapuze ins regennasse Gesicht gezogen. Ein Rappe stand wartend im Mittelgang. Seine Ohren drehten sich aufmerksam in ihre Richtung, und er wieherte so leise, dass sie es kaum hören konnte.

      Bei dem Klang drehte sich Noah um und entdeckte sie in der Türöffnung. Irgendetwas leuchtete in seinen Augen auf, Überraschung vielleicht und noch etwas anderes, bevor sie sich zu Schlitzen verengten.

      Seine Kiefermuskeln verkrampften sich, während sein Blick über sie glitt. „Was machst du hier?“

      „Ich … ich habe die Papiere hergebracht.“

      Sein Blick fiel auf den Packen in ihrer Hand.

      „Ich dachte, es könnte den Ablauf beschleunigen, wenn ich sie vorbeibringe.“

      Das sanfte Licht konnte seine harten Gesichtszüge nicht abmildern. „Du hättest anrufen sollen. Ich muss die Pferde hereinholen.“

      Sie suchte in ihrer Handtasche nach einem Stift. „Wenn du sie einfach unterschreibst, bin ich gleich wieder weg. Ich kann sie Joe morgen gleich als Erstes vorbeibringen.“

      Er schenkte ihr ein ironisches Lachen. „Wenn du glaubst, dass ich das unterschreibe, ohne es gelesen zu haben, spinnst du wirklich.“

      Hitze stieg ihr ins Gesicht. „Es sind die gleichen Unterlagen, auf die wir uns schon vorher geeinigt hatten. Ich habe sie nur abgeholt.“

      Er ging rückwärts aus der Box und schloss die Tür. „Trotzdem. Ich schaue sie mir an.“

      Sie verlagerte ihr Gewicht und drückte den Papierstapel an sich. „In Ordnung. Also, dann werde ich sie einfach unterschreiben und hier bei dir lassen, denke ich.“ Dann konnte er sie abgeben, wenn er Zeit hatte. So viel zu ihrem Ausflug auf den Berg.

      Mit gerunzelter Stirn griff er nach der Führleine des Rappen.


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