Hüter meines Herzens. Denise Hunter

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Hüter meines Herzens - Denise Hunter


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nahm die Kappe ihres Stifts ab und blätterte zur letzten Seite. Sie legte den Stapel auf den Deckel eines Eimers in der Nähe und unterschrieb mit zitternder Hand auf der entsprechenden Linie.

      Keine große Sache, Josephine. Du hast doch sowieso gedacht, es wäre längst erledigt. Nur eine Formalität. Doch das Gefühlsknäuel in ihrem Inneren drohte zu platzen.

      Sie richtete sich wieder auf. „Okay. Ich lasse das dann einfach hier.“ Als er nicht antwortete, wandte sie sich zum Gehen. Der Regen war stärker geworden, und sie verschränkte die Arme vor dem Oberkörper, um sich gegen die bevorstehende Nässe zu schützen.

      „Warte.“

      Josephine drehte sich um, während Noah mit schnellen Handgriffen die Pferdedecke des Rappen abnahm.

      Als er fertig war, richtete er seinen finsteren Blick auf sie und seufzte schwer. „Ich will nicht wieder in die Stadt fahren. In zwanzig, dreißig Minuten bin ich hier fertig, wenn du ein bisschen warten kannst.“

      Sie wurde nirgendwo anders gebraucht. „Ich warte im Auto.“

      Er öffnete seinen Mund, und sie fragte sich, ob er sie gleich in sein Haus einladen würde. Aber falls er das in Erwägung gezogen hatte, hatte er es sich anders überlegt. „Gut.“

      Sie ließ den Stift neben den Papieren liegen und stürzte zurück in die Wärme ihres Autos. Durch die Rinnsale auf der Windschutzscheibe beobachtete sie, wie Noah in der Dunkelheit der Weide verschwand. Eine Weile später tauchte er mit drei weiteren Pferden wieder auf.

      Während er in der Scheune war, veränderte sich der Klang des Regens. Josephine erkannte, dass der Wolkenbruch in Graupel überging. Sie dachte an die Bergstraße und drängte Noah in Gedanken zur Eile.

      Ein paar Minuten später graupelte es gleichmäßig weiter, und Noah war immer noch in der Scheune. Wenn es irgendeine Hoffnung gab, sicher in die Stadt zurückzukommen, war es jetzt oder nie. Sie rannte zurück in die Scheune, inzwischen zitternd vor Kälte und Nässe.

      Noah entfernte gerade die Decke eines kastanienbraunen Pferdes.

      „Noah … Ich glaube, ich lasse dir die Papiere besser einfach hier.“

      „Ich bin beinahe fertig.“

      „Der Regen ist in Eisregen übergegangen. Wenn ich jetzt nicht fahre …“ Sie ließ ihn seine eigenen Schlüsse ziehen.

      Er durchbohrte sie mit einem nicht gerade freundlichen Blick. Seine Hände arbeiteten schnell, effizient. „Schön. Dann fahr.“

      Nett. So viel zu ihren Bemühungen. Sie spürte ein Fünkchen Irritation, drehte sich auf dem Absatz um und eilte zu ihrem Auto. Der Wind wehte ihr das nasse Haar ins Gesicht, wo es auf ihren Wangen kleben blieb. Sie war nass bis auf die Haut und zitterte am ganzen Körper. All das für nichts. Es würde eine langsame, dunkle Fahrt den Berg hinunter werden.

      Sie drehte den Schlüssel um. Ihr Bauch krampfte, als der Motor nicht beim ersten Versuch ansprang. Und beim zweiten auch nicht. Aus dem Augenwinkel nahm sie eine Bewegung wahr, die ihre Aufmerksamkeit weckte – Noah, der wieder auf dem Weg zur Weide war und nichts von ihrer steigenden Besorgnis ahnte.

      „Komm schon, Kleiner, du kannst es doch.“ Sie versuchte es wieder. Diesmal gab der Motor nur ein leises Klicken von sich. Ihr Herz setzte aus. „Nein. Nein, nein, nein.“ Das war ein neues Geräusch, und vermutlich kein gutes. Sie schlug mit dem Handballen aufs Lenkrad.

      Nach ein paar weiteren vergeblichen Versuchen lehnte sie sich im Sitz zurück und gab auf. Ihre Augen tasteten die Dunkelheit nach Noah ab, aber bis er mit zwei Pferden an der Hand wiederkam, waren zwanzig Minuten vergangen.

      Der Eisregen brannte wie Stiche auf ihrer Haut, als sie auf ihn zu rannte. Blinzelnd krümmte sie sich gegen den Wind zusammen. In ihrer Eile rutschte sie auf dem eiskalten Boden aus und konnte sich gerade noch fangen.

      Sie sah, wie er sie bemerkte. Sein Rücken streckte sich, und seine Augenbrauen zogen sich zusammen. „Was machst du denn immer noch hier?“, brüllte er über den Wind.

      „Mein Wagen springt nicht an.“

      Er kam mit den Pferden im Schlepp zu ihr herüber und bat wortlos mit ausgestreckter Hand um die Schlüssel.

      Mit zusammengekniffenen Lippen reichte sie sie ihm.

      Er führte die Pferde in ihre Boxen und arbeitete zügig, während sie in einer schattigen Ecke der Scheune zitternd wartete.

      Glaubte er wirklich, sie sei nicht imstande, einen Schlüssel umzudrehen? Oder vielleicht glaubte er, sie log. Vielleicht glaubte er, das sei eine Art Komplott, um bei ihm gut Wetter zu machen. Ha.

      Er ging mit schnellen Schritten an ihr vorbei in den peitschenden Schneeregen. Als er ihr Auto erreichte, öffnete er die Tür und stieg ein, wobei er möglicherweise mit dem Knie gegen das Lenkrad stieß. Ein Fuß blieb fest auf dem Boden.

      Wartend sah sie ihm unter dem Vordach der Scheune zu, aber er steckte den Schlüssel noch nicht einmal ins Zündschloss. Er saß einfach nur da und starrte aus dem Fenster. Sogar von hier aus konnte sie sehen, wie sich sein Brustkorb heftig hob und senkte.

      Das Licht im Wageninneren beschien sein Gesicht, akzentuierte seine markanten Wangenknochen und die feine Linie seiner Nase.

      Sie zog die Schultern hoch und flitzte über den Hof, um an der offenen Autotür anzuhalten. „Was machst du?“

      Er sagte nichts. Die Muskeln in seinem Gesicht verkrampften sich.

      „Willst du es nicht versuchen?“ Früher war sie gut darin gewesen, seine Gedanken zu lesen. Aber das war zu Zeiten, als er sie noch angeschaut hatte, als sich seine Gefühle noch offen auf seinem Gesicht gezeigt hatten. Jetzt waren da nur noch tote Augen und eine unbeschriebene Tafel.

      „Es ist zu spät“, sagte er tonlos.

      Sie hörte ihn kaum bei dem Wind und dem Prasseln des Eises. „Was meinst du?“

      „Schau dir die Windschutzscheibe an. Alles ist mit einer Eisschicht bedeckt.“

      Er hat recht, dachte sie, und sie verstand langsam. Mit ihren abgefahrenen Reifen hatte sie keine Chance, die Hügel hinaufzukommen, sogar wenn ihr Auto auf zauberhafte Weise anspringen sollte. Selbst der Boden unter ihr wurde langsam gefährlich glatt.

      Der Wind frischte auf und wehte Eiskörnchen gegen ihre Wange. Sie duckte sich. „Es tut mir leid. Ich glaube, dann wirst du mich mit deinem Truck fahren müssen. Der hat doch Allrad, oder?“

      Er drehte sich langsam um und nagelte sie mit einem tödlichen Blick fest. „Das wird uns bei dem Eis nichts helfen.“

      Langsam ging ihr auf, was er sagen wollte. Und zwar gründlich. Oh nein. Auf gar keinen Fall. „Also – also, das muss dann eben sein.“

      „Sei nicht albern. Wir würden es nicht einmal bis zur Straße hoch schaffen.“

      „Na, hier bleibe ich jedenfalls nicht.“

      „Du hast nicht viel Auswahl.“

      „Dann – dann bleibe ich in meinem Auto.“

      „Wir haben Temperaturen um den Gefrierpunkt, Josephine.“

      „Das ist mir egal.“ Sie wich zurück. Sie drängte sich ihm nicht auf. Sie wusste, wann sie nicht willkommen war. Noah würde sich eher einen Arm abhacken, als eine Stunde mit ihr zu verbringen, und sie war auch nicht gerade begeistert von dem Gedanken.

      „Du würdest erfrieren hier draußen.“

      Sie dachte an das kleine Haus auf dem Hügel, den Lichtschein, an das gemütliche Feuer im Kamin. Nur Noah und sie und eine Flut schöner Erinnerungen. Ein kalter Angstschauer jagte ihr über den Rücken.

      „Hol mir eine Decke. Ich komme schon zurecht.“

      Er stieg aus dem Auto und schloss die Tür.

      Als sie nach den Schlüsseln griff, richtete er sie auf den Wagen und drückte


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