Hüter meines Herzens. Denise Hunter

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Hüter meines Herzens - Denise Hunter


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darum, ihrem Stiefvater aus dem Weg zu gehen.

      Eddie war nett, meistens. Er schaffte es, Mom aus trüben Stimmungen zu locken, und führte sie an Freitagabenden ins Eiscafé aus. Aber manchmal trank er Bier, und dann war er nicht mehr so nett. Er guckte dann oft grimmig und fuhr sie an. Nachdem ihre Mom gestorben war, bekam sie reichlich vom hässlichen Eddie zu sehen.

      Die Samstagabende wurden zu Pokerabenden in ihrem Trailer – etwas, das Mama immer verboten hatte. Josephine mochte Eddies Freunde nicht. Sie waren laut, kauten mit offenem Mund und füllten die Bude mit Zigarettenrauch. Also blieb sie in ihrem Zimmer, hörte Radio oder telefonierte mit Shelby.

      „Jo!“, rief Eddie sie. „Warum ist das Geschirr noch nicht abgewaschen?“ Seine Stimme war laut, und er lallte, aber sie wollte ihn nicht provozieren, indem sie ihn ignorierte. Er würde sie nur vor seinen Freunden bloßstellen.

      „Ich komme!“ Sie war schon fürs Bett umgezogen und trug ihre schwarzen Shorts und dazu ihr pinkes Lieblingshemd mit den Schmetterlingen darauf.

      Dreck und Krümel klebten an ihren Füßen, als sie den Flur entlangtapste. Sie musste dringend fegen, aber weil sie Hausaufgaben machen und das Abendessen auf den Tisch bringen musste, schien irgendwie nie Zeit dafür.

      In der Küche schlüpfte sie leise am Tisch vorbei zum Spülbecken, in dem sich das schmutzige Geschirr der letzten Tage stapelte.

      Wie sie gehofft hatte, waren die vier Männer zu sehr mit ihrem Spiel beschäftigt, um sie zu beachten. Leere braune Flaschen bedeckten den Tisch und die Arbeitsflächen, und Zigarettenrauch lag in der Luft. Im Nebenraum schnurrte die Fenstereinheit der Klimaanlage, vergebens darum bemüht, die Räume zu kühlen.

      Über dem Plätschern des Wassers und dem leisen Klackern des Geschirrs, das sie spülte, konnte sie die Männer klar und deutlich verstehen.

      „Das war’s“, sagte Eddie, der seine Karten auf den Tisch klatschte. „Ich bin fertig. Feierabend.“

      „Es ist doch erst elf.“

      „Ja, Eddie. Ich brauche auf jeden Fall noch eine Chance, um mir mein Geld von Shark wiederzuholen. Meg bringt mich um, wenn ich ohne die Miete nach Hause komme.“

      „Dann hättest du sie nicht verlieren sollen.“ Wo die anderen Stimmen nuschelten und lallten, war Sharks leise und kontrolliert. Er hatte kleine schwarze Augen, die Josephine an harte Kieselsteine erinnerten, und sein dreckiger Hals war von hervorquellenden Adern durchzogen. Sie glaubte, die anderen hatten ein wenig Angst vor ihm.

      „Kommt schon. Noch eine Runde. Lieber lande ich tot im Straßengraben, als ohne das Geld für die Miete nach Hause zu gehen. Sonst nörgelt mir Meg bis nächstes Jahr die Ohren voll.“

      „Ich habe nichts mehr“, winselte ihr Stiefvater. „Der hat mir gerade unser Essensgeld abgenommen, und ich bekomme meinen Lohn erst nächsten Freitag.“

      „Du musst doch noch irgendwas von Wert hierhaben.“

      Josephine schrubbte die Pfanne vom gestrigen Abendessen, während die anderen einen Moment lang schwiegen.

      „Ja, okay, dann. Hier gibt’s nichts, auf das ich nicht verzichten könnte. Außer dem Fernseher. Den kriegst du nicht!“

      „Dann hat der Gewinner also die freie Wahl.“ Sharks Stimme grollte durchs Zimmer.

      „Na, das ist ein Wort. Teil aus.“

      Eine Flasche wurde geöffnet, während eine weitere Runde Poker ihren Lauf nahm.

      Josephine schrubbte und schrubbte die Pfanne. Sie verabscheute die Sauerei, die Eier hinterließen. Die Pfanne hatte ihre glänzende Oberfläche längst eingebüßt. Sie fragte sich, was sie die Woche über wohl essen würden, falls Eddie diese Runde nicht gewann. Im Schrank waren nur noch ein paar Dosen, und Fleisch hatten sie gar keins mehr.

      Vielleicht könnte sie diese Woche bei den Crays babysitten. Sie mochte die Kleinen, aber manchmal vergaßen die Crays, sie zu bezahlen. Dann waren da immer noch die Apfelbäume auf dem Nachbargrundstück. Aber Eddie bekam Äpfel schnell über, und er würde bald vergessen, dass er sie in diesen Schlamassel gebracht hatte.

      Sie war mit dem Geschirrstapel fertig, stellte das Wasser ab und nahm sich das Geschirrtuch vom Ofengriff.

      „Lasst uns verdoppeln“, sagte Shark. Ein Geräusch, wie etwas über den Tisch geschoben wurde, durchbrach die Stille.

      Eddie fluchte.

      „Er blufft“, sagte einer.

      „Vielleicht“, sagte Shark. „Vielleicht auch nicht.“

      „Die Karten hier würde ich nicht mal meinem Hund zu fressen geben.“ Karten wurden auf den Tisch geklatscht. „Ich steige aus.“

      „Ich auch. Scheiße, Mann, Shark, du bist echt gnadenlos. Meg wird mich umbringen.“

      „Und dann waren’s nur noch zwei.“

      „Wie sieht’s aus, Eddie?“, fragte Shark.

      Das Schweigen wurde allmählich laut. Das „Plop“ einer weiteren geöffneten Flasche folgte.

      „Zeit, die Jungs von den Männern zu unterscheiden“, sagte Eddie.

      Josephine stellte die abgetrocknete Pfanne ab und begann mit den Gläsern.

      „Schöne Hand“, sagte Shark. Kunstpause. Dann: „Fast so schön wie die hier.“

      Hinter ihr wurde geächzt, dann gelacht.

      „Saukerl, elender …“, fluchte Eddie. „Du hast die übelste Glückssträhne, die ich je gesehen habe.“

      „Danke für das nette Spiel, Ladys“, sagte Shark.

      Josephine stellte die letzten Gläser weg und begann, die leeren Flaschen abzuräumen. Eddie mochte keine Unordnung, und sie wollte nicht, dass morgen die ganze Wohnung nach Bier stank. Es würde schon schlimm genug nach Rauch riechen.

      „Was nimmste denn, Shark?“

      „Ja, Mann, was?“

      „Haltet’s Maul, ihr Verlierer“, sagte Eddie. „Ich werd Meg sagen, was du überse gesacht hast, dann wernwer sehen, wer sich über das Pech annerer Leute lustich macht.“

      Sharks Stuhl knarzte, als er sich mit einem zufriedenen Grinsen im Gesicht zurücklehnte.

      Josephine griff nach der Flasche, die ihm am nächsten stand, und ihre Blicke trafen sich. Seine dunklen Augen hielten sie einen langen, lähmenden Moment lang in ihrem Bann, bevor sie über ihren Körper glitten.

      Schauder über Schauder fuhren ihr über Arm und Rücken und stellten ihr die Haare auf. Sie riss ihren Blick los und wünschte sich, ihr Schlafanzug würde sie besser bedecken.

      „Du hast gesagt, er darf sich was aussuchen. Was nimmste, Shark?“

      Die Flaschen klackerten, als Josephine sie an ihre Brust drückte und sich vom Tisch abwandte.

      „Oh, ich hab da schon was im Auge.“ Seine Stimme kratzte in seiner Kehle.

      „Nicht mein Fernseher! Ihr habt’s alle gehört, Jungs. Ich hab gesagt, der is‘ tabu.“

      „Den willer gar nicht! Hast du seinen mal gesehen?“

      Josephine ließ die Flaschen in den Mülleimer fallen und huschte zurück in ihr Zimmer. Immerhin war das Spiel vorbei. Bald würden sie weg sein. Sie schloss ihre Tür und knipste das Licht aus. Dann schlüpfte sie unter die Decke und rollte sich zusammen.

      Das Fenster war offen. Ein heißer Luftzug bewegte ganz leicht die Gardinen. Nur ein schmaler Lichtstreifen unter der Tür schwächte die Dunkelheit ab.

      Sie wünschte, sie könnte das Bild von Sharks Knopfaugen aus ihrem Gedächtnis löschen. Mama hatte gesagt, sie sei „früh dran“. Sie sagte das, als wäre es etwas Gutes, aber Josephine mochte die Art nicht, wie die Jungs sie neuerdings anschauten. Und noch viel weniger mochte


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