Moment mal!. Fabian Vogt

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Moment mal! - Fabian Vogt


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Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus

      Am 27. Januar 1945 kommen die Soldaten der Roten Armee auf das Gelände des Konzentrationslagers Auschwitz – und finden dort nicht nur 8 000 völlig ausgemergelte Gefangene, sondern auch die eindeutigen Spuren einer perfiden Vernichtungsmaschinerie vor. In Auschwitz wurden über Jahre hinweg Menschen systematisch getötet, mit einer Grausamkeit, die sich der menschlichen Vorstellungskraft entzieht. Heute ist der Tag der Befreiung von Auschwitz, der offizielle »Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus«.

      Später, bei der Aufarbeitung dieses fürchterlichen Verbrechens, haben viele Menschen eine wichtige und kluge Frage gestellt: »Kann man nach Auschwitz eigentlich noch an Gott glauben?« Nach all diesem Grauen, dieser perversen Ideologie und diesem Leid?

      Ich habe auf diese Frage nicht DIE Antwort, aber ich habe meine Antwort: Nach Auschwitz ist es nötiger denn je, dass wir an Gott glauben. Ja, es ist nötig, dass wir an diesen Gott glauben, von dem es heißt, dass er alle Menschen liebt – und für den alle gleich würdig sind, unabhängig von Herkunft, Hautfarbe, Geschlecht oder Gesinnung.

      Der Nationalsozialismus war ein durch und durch atheistisches System, aber ich weiß natürlich, dass auch im Namen Gottes viel zu viel Unrecht geschehen ist. Für mich ist die Frage deshalb nicht, ob man nach Auschwitz noch an Gott glauben kann, sondern ob wir endlich in der Lage sind, das Liebesgebot Gottes ernst zu nehmen. Denn eines kann man mit Sicherheit sagen: Ein Glaube ist nur dann groß, wenn er den anderen respektiert und achtet.

      JANUAR

      28

       Datenschutztag

      An einem 28. Januar 2006 wurde die »Europaratskonvention 108« unterzeichnet. Und weil sich die EU-Staaten mit dieser Konvention verpflichten, die Persönlichkeitsrechte des Menschen bei der Datenverarbeitung zu wahren, ist heute der »Europäische Datenschutztag«. Ja, heute dürfen sich alle mal Gedanken machen, was die massenhafte Speicherung persönlicher Daten eigentlich für Konsequenzen hat – und wie man möglichen Missbrauch unterbindet.

      Was passiert zum Beispiel, wenn man beim Googlen oder in einem der vielen Internetforen nicht nur die Farbe meiner aktuellen Unterhose, sondern auch sonstige intime Informationen, unschöne Bilder oder meinen Kontostand findet? Will ich, dass andere alles über mich erfahren können, oder brauche ich eine gewisse Privatsphäre, in der ich sicher bin? Sprich: Wen lasse ich an mich heran? Und wen nicht?

      Nebenbei: Der liebe Gott ist, was Datenschutz angeht, ein ganz besonderer Fall. Einerseits heißt es in den Psalmen der Bibel: »Du, Gott, weißt alles über mich. Ja, du kanntest mich schon, ehe ich überhaupt geboren wurde.« Da ist also nichts mit Privatsphäre. Und manchem war und ist das sogar unangenehm: »Was, Gott sieht alles und weiß alles? Oje.« Das ging so weit, dass Leute sogar anfingen, sich vor Gott zu fürchten. »Wenn der sieht, wie ich wirklich bin, dann gnade mir Gott.«

      Genau! Denn das ist die andere Seite: Gottes Gnade. Dass Gott alles über mich weiß, ist nach christlichem Verständnis nämlich kein Nachteil. Ein Gott, dessen Gnade größer ist als alle menschlichen Makel, darf ruhig alles wissen. Und – unter uns: Er verrät es nicht weiter.

      JANUAR

      29

       Der Besuch der alten Dame

      Zürich, 29. Januar 1956. Der Vorhang hebt sich – und es beginnt die Uraufführung eines Stückes, das Theatergeschichte schreiben wird: »Der Besuch der alten Dame« von Friedrich Dürrenmatt.

      Tolle Story. Eines Tages kehrt eine alte Dame zurück in ihre Heimatstadt. Sie ist inzwischen reich geworden und will sich an denen rächen, die sie in ihrer Jugend schlecht behandelt haben. Also macht sie den Bewohnern ein äußerst unmoralisches Angebot: »Ihr bekommt eine Milliarde, wenn ihr meinen früheren Liebhaber ermordet.« Was?

      Natürlich sind alle zuerst unglaublich empört. So eine bodenlose Unverschämtheit. »Was bildet die sich ein?« Na, obwohl … Nach und nach erliegen die Leute der Verlockung des Geldes, und plötzlich ist das mit dem Mord gar nicht mehr so undenkbar.

      »Der Besuch der alten Dame« entlarvt frech und satirisch die Scheinmoral, die Käuflichkeit und den Egoismus von Menschen. Zudem stellt das Stück natürlich unverhohlen eine ziemlich verfängliche Frage: »Wie weit würden wir eigentlich gehen, wenn nur der Preis stimmt?« Sprich: Sind wir käuflich? Sind wir bereit, andere oder etwas von uns selbst zu opfern, nur weil das Geld lockt?

      Ich behaupte mal: Käuflich ist jeder, der das Gefühl hat, zu kurz zu kommen. Wer dagegen grundsätzlich zufrieden ist, der wird seine Moral nicht für Geld verkaufen. Letztlich fragt deshalb »Der Besuch der alten Dame« auch, was uns in unserem Leben trägt und woran wir eigentlich glauben. Spannende Frage.

      JANUAR

      30

       Windows Vista

      Der 30. Januar 2007 war ein echter Festtag für alle Microsofties. Denn von diesem Tag an gab es Windows Vista endlich auch für Endanwender. Die angeblich »völlig neue« Benutzeroberfläche für PCs, auf der nun wirklich alles optimiert sein würde. Microsoft verkündete damals stolz: »Mit Windows Vista steht das sicherste, stabilste und komfortabelste Windows aller Zeiten zur Verfügung.« Wow!

      Äh, Moment mal. »Aller Zeiten«? Von heute bis in Ewigkeit? Das habe ich doch schon mal gehört. Drei Jahre früher. Und erst letztes Jahr wieder. Als mein Computer auch der schnellste, beste, festplattengigantischste und multimedialste von allen war. Heute werde ich für meine veraltete, lahme Kiste von echten Computerfreaks nur noch müde belächelt. Und ich wette, spätestens in einem Jahr gibt es ein neues Softwarepaket, das dann endgültig »das sicherste, stabilste und komfortabelste Windows aller Zeiten« wird. Zumindest für die nächsten drei Wochen.

      Irre, oder! Kaum hat man ein neues Computerprogramm installiert, ist es schon veraltet. Und das Beste ist immer die nächste Version. Man darf also nie zufrieden sein. Es wird ja immer besser. Und besser. Und noch besser.

      Kein Wunder, dass sich der christliche Glaube in so einer Zeit manchmal etwas schwertut. Denn er sagt: Das Allerbeste, was einem Menschen widerfahren kann, ist schon passiert. Damals, als Jesus auf die Welt kam und den Menschen Gottes Liebe brachte. Gut, das sicherste, stabilste und komfortabelste Leben gibt es mit dieser Liebe vielleicht nicht, aber das erfüllendste und glücklichste allemal. Und das gilt dann tatsächlich für alle Zeiten.

      JANUAR

      31

       Bibelsonntag

      Am letzten Sonntag im Januar ist immer Bibelsonntag. Das ist der Sonntag, an dem sich evangelische, katholische und orthodoxe Christen darauf besinnen, dass sie bei allen Unterschieden die gleiche Grundlage haben, nämlich die Bibel.

      Natürlich kann man endlos darüber streiten, ob Gläubige einen Papst brauchen, wie man das Abendmahl versteht und ob Frauen ein geistliches Amt innehaben dürfen, aber die Bibel gilt in allen Kirchen als entscheidende Quelle der Erkenntnis. Und dieses verbindende Element soll an diesem Tag besonders hervorgehoben werden.

      Dazu hat man kürzlich, wie ich finde, eine besonders passende biblische Geschichte als Leitmotiv ausgewählt – die vom Kampf des Urvaters Jakob gegen Gott. Haben Sie vielleicht schon mal gehört. Jakob kommt an einen einsamen Fluss, an dem ihn eine dunkle Gestalt zum Kampf auffordert. Und je länger Jakob mit dem Fremden ringt, desto deutlicher wird ihm: Hier habe ich es mit Gott zu tun. Doch diese Erkenntnis spornt ihn nur noch umso mehr an. Bis er am Ende sagt: »Ich werde nicht eher aufhören zu kämpfen, Gott, bis du mich


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