Kobudo 1. Roland Habersetzer

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Kobudo 1 - Roland Habersetzer


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      Roland Habersetzer, Jahrgang 1942, ist seit 1957 Praktizierender der Kampfkünste. Bereits 1961 erhielt er den 1. Dan und wurde so zu einem der ersten französischen „Schwarzgurte“ im Karate. Zu recht wird er sowohl als Spezialist der japanischen Kampfkünste (Budô) als auch der chinesischen (Wushu) angesehen. Nachdem er verschiedene Graduierungen in Frankreich, Japan und China erhalten hatte, wurde Roland Habersetzer in Japan durch O-Sensei Tsuneyoshi Ogura (10. Dan, Leiter des Dojô Gembukan in Kofu, Schüler von Yamagushi Gôgen, 1909 - 1989, und von Gima Makoto, 1897 - 1998) im Jahre 1992 der 8. Dan sowie der Titel eines Shihan zuerkannt, und im April 2006 der 9. Dan, Hanshi, sowie der Titel eines Soke (Meister-Gründer) für seinen eigenen Kampfkunststil „Tengû no michi“ (Tengû ryû Karatedô, Kobudô, Hôjutsu). Diese Graduierungen und Titel wurden durch Tadahiko Ôtsuka vom Tokioter Gôjûkensha (anerkannter Meister des Gôjû ryû, des Naha te und des Shuri te und direkter Schüler von Higa Yûchoku, 1910 - 1994, von welchem er den Titel des Hanshi erhalten hat) bestätigt. Damit wurden seine außerordentlichen Bemühungen bei der Verbreitung der Kampfkünste und die hohe Effektivität seines Wirkens gewürdigt. Bestätigt wurde hierdurch ebenfalls der Sinn, den Roland Habersetzer stets in den nunmehr 49 Jahren seiner Kampfkunstpraxis und in seinem Engagement für eine authentische Tradition gesehen hat, einer Tradition, die im Zeichen des größten Respekts vor den Stufen „Shu“, „Ha“ und „Li“ steht. Schließlich stellt dies auch die Legitimierung seines eigenen Konzepts der Praxis der Kampfkünste dar, des „Weges des Tengû“ („Tengû no michi“).

      Im Jahre 1968 erschien sein erstes populärwissenschaftliches Buch über die Kampfkünste. Heute besteht sein Werk aus über 70 Büchern, was ihn zum Autor der weltweit bedeutendsten Buchreihe auf diesem Gebiet werden läßt. Seine Bücher, die in mehrere Sprachen übersetzt worden sind, gelten in allen frankophonen Ländern als historisches, technisches und pädagogisches Standardwerk, und auch in vielen anderen Ländern besitzen sie hohes Ansehen.

      Schon frühzeitig zeigte sich Roland Habersetzer enttäuscht von der Tendenz des Karate, sich von der Kampfkunst zur Sportart zu entwickeln. Daher gründete er 1974 das Centre de Recherche Budo (CRB), eine internationale, unabhängige Organisation, die zahlreiche Budôka zusammengeführt hat, denen vorrangig der Erhalt der geistigen Werte der japanischen und chinesischen Kampfkünste am Herzen liegt. Durch sein Wirken im Rahmen des CRB, durch zahlreiche Lehrgänge und Seminare auf der ganzen Welt und natürlich auch durch seine technischen Handbücher und historischen Werke leistete er echte Pionierarbeit, damit die traditionellen Werte seiner Kunst nicht verloren gehen würden. Zwischen 1962 und 2002 unterrichtete er in seinem Dôjô in Straßburg. Stets umfaßte sein Ausbildungskonzept sowohl die Kampftechniken als auch deren kulturellen Hintergrund. Nach wie vor ist er als Budôka sehr aktiv, auch wenn sich seine Lehrtätigkeit inzwischen auf wenige Lehrgänge und Seminare hohen Anspruchs pro Jahr beschränkt.

      Der weltweit anerkannte Experte im Karatedô, im Kobudô und im Taijiquan interessiert sich leidenschaftlich für Kampfkünste in all ihren Erscheinungsformen. Nach Effektivität im Kampf zu streben, bedeutet für ihn, alle Entwicklungen vorurteilsfrei zu betrachten. Diese Überzeugung führte den modernen „Ronin“, als den er sich sieht, dazu, seiner Praxis auch andere Techniken hinzuzufügen, was selbst den Umgang mit zeitgenössischen Waffen einschließt. So ist er (mit entsprechenden Diplomen aus den USA und aus der Schweiz) u. a. auch als Ausbilder im Kampfschießen mit Handfeuerwaffen tätig.

      Mit seinem Institut Tengu, das er 1995 gründete, begann, parallel zu seiner Tätigkeit als Budôka, eine neue Etappe seiner Forschungen auf dem Gebiet der Kampfkünste. Das Ziel dieses Instituts besteht darin, auf Grundlage des Studiums und des praktischen Vergleichs zahlreicher Formen des Kampfes mit und ohne Waffe zu einem umfassenden Konzept der Selbstverteidigung zu gelangen, das den Gegebenheiten des heutigen Lebens gerecht wird. Die Absicht von Habersetzer Sensei besteht darin, der Praxis des Karatedô einen Sinn zu verleihen, der in der modernen Gesellschaft Bestand hat, einen Sinn, der nichts zu tun hat mit sportlichen oder spielerischen Varianten. Sein leidenschaftliches Streben gilt einer gültigen Neubestimmung des Konzepts des Kriegertums für unsere Epoche; Techniken, Taktiken und Verhaltensweisen der Praxis des klassischen Karatedô sollen mit den Gegebenheiten unserer Zeit in Einklang gebracht werden.

      „Der Weg des Tengû“ (Tengû no michi) ist für ihn das Abbild einer neuen Bewußtwerdung, eines Willens, einer modernisierten Methode des Budô. Geistige Einstellung und technische Mittel entsprechen dabei den Anforderungen der heutigen Welt. Indem er nach langen Jahren auf dem Weg des klassischen Karatedô eine authentische Schule (Ryû) der vereinigten Kampfkünste (Shin Budô), „Tengû no michi“, gegründet hat, hat Habersetzer Soke nichts anderes getan, als den lebendigen Geist der Tradition in die Gegenwart zu tragen. Ganz im Sinne eines „Tatsujin“ („aufrechter Mensch“) ist er somit seiner ursprünglichen Wahl treu geblieben, indem er die Tradition mit Nachdruck und Überzeugung ehrt und weitervermittelt.

      Der Autor dankt Herrn Jean-Marie Hamert, Herrn Jean-Pierre Richeton, 4. Dan, Herrn Malou Hamert, 3. Dan und Herrn Daniel Petit, 2. Dan, Experten des Centre de Recherche Budo, sowie Herrn Thierry Habersetzer, die mit ihm zusammen auf den Aufnahmen zu sehen sind. Er dankt ebenfalls den Meistern und Experten Matayoshi, Chinen, Izumi, Adaniya, Iko Oshiro, Yoshiaki Gakiyu und Tamano, daß sie es gestattet haben, daß Fotos von ihnen in diesem Buch gezeigt werden.

      Fotos 17 und 286 stammen von Jean-Marie Hamert, alle anderen Fotos vom Autor sowie von Gabrielle und Thierry Habersetzer. Alle Zeichnungen stammen aus der Feder des Autors. Die Fotos 16, 17, 55, 228, 229, 230, 232, 251 bis 256, 258, 259, 286 und 384 wurden während Lehrgängen im Dôjô des CRB in Straßburg aufgenommen.

       Dem Andenken von Meister Matayoshi Shinpô gewidmet als Zeichen des Respekts und der Dankbarkeit für das, was er darstellte und für all sein Wissen. Mögen auch in Zukunft Weitere dem Weg seines Kobudô folgen.

      Roland Habersetzer

      Der Autor mit Matayoshi Shinpô bei ihrer ersten Begegnung in Straßburg, 1973

      Der Einfallsreichtum und die schöpferische Kraft des Menschen in Gefahr brachte zu allen Zeiten Techniken hervor, die dazu dienten, die Konfrontation mit anderen Menschen, mit wilden Tieren oder mit Naturgewalten überleben zu können. Diese Techniken mit und ohne Waffen waren stets mit bestimmten geistigen, religiösen oder philosophischen Grundideen verbunden. Man war überzeugt, daß ein Krieger nur zu siegen vermochte, wenn er Träger von Kräften war, die über ihn hinausgingen, und in deren Besitz er sich durch einen magischen Prozeß bringen konnte. Die Beherrschung einer Waffe galt lange Zeit als eine Art Zauberei. In allen Weltgegenden ist die Geschichte des Menschen als Krieger seit Anbeginn der Menschheit im Grunde überraschend ähnlich.

      Für das von der Insel Okinawa stammende Kobudô1 gilt prinzipiell das gleiche. Allerdings waren dem einfachen Volk, das diese Kampfkunst hervorgebracht hat, intellektuelle oder philosophische Konzepte anfangs noch fremd. Die Schöpfer des Kobudô waren vor allem pragmatisch eingestellt. Was für sie zählte, waren die reinen Kampftechniken mit improvisierten Waffen aus alltäglichen Werkzeugen der Bauern und der Fischer. Somit handelte es sich zu Beginn genau genommen um Kobujutsu, in dem die kriegerische (Bu) Technik (jutsu) das, was sich als Beginn einer Methode innerer Entwicklung (Dô) herausbildete, in den Hintergrund treten ließ. Natürlich sind auch in jener Zeit bereits verschiedene kulturelle Elemente, die charakteristisch für die Insel Okinawa waren, in die einheimischen Kampfkünste eingeflossen. So lassen sich beispielsweise in manchen klassischen Kata des Karatedô (Koshiki Kata) Bestandteile der traditionellen Tänze der Insel (Odori) nachweisen.2 Aber erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts verbanden sich die Techniken wesentlich mit bestimmten geistigen Elementen, die anderen japanischen


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