Ein Haus voller Robinsons. Adrian Plass

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Ein Haus voller Robinsons - Adrian Plass


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es Mikes Idee, Dip. Er meinte, wir könnten die alten Zeiten zwar nicht zurückholen, aber wir könnten uns zumindest erinnern, wie es damals war, indem wir eine Sixties-Party veranstalten. Ich finde die Idee klasse. Und dann meinte er, wir sollten gleich nächsten Samstag feiern, direkt an meinem Geburtstag, und ich sagte ihm, so kurzfristig könnten die Leute bestimmt alle nicht kommen. Aber er meinte, versuch's doch. Also habe ich das Adressbuch herausgeholt und auf der Stelle Dutzende von Leuten angerufen, und bisher haben alle zugesagt. Und die Woche danach ist Semesterpause, sodass wir eine ganze Woche haben, um uns zu erholen. Also - die Sache läuft! Aufregend, was?“

      „Wieso findest du es denn erstaunlich, dass Mike auf diese Idee gekommen ist?“

      „Ach, na ja, ich meine - es ist schon verblüffend, wenn man bedenkt, wie er sich immer über alles beschwert, was ein großes Chaos hervorruft. Du kennst ihn doch so gut wie ich.“

      „Ich finde die Idee auch toll“, mischte sich die zehnjährige Felicity ein, nachdem sie zum Sprechen ihren Kuli zwischen den Zähnen hervorgezogen hatte. „Du wirst ein Zwanzigstel Jahrtausend alt, Mami. Wie viele von meinen Freundinnen darf ich einladen? Dürfen wir den großen Fernseher rauf in Marks Zimmer holen und Videos gucken?“

      Es war früher Nachmittag, und im Hause Robinson war wieder so etwas wie Friede eingekehrt. Zu den Merkwürdigkeiten unseres Lebens gehört die Art, wie sich hochdramatische und kreuzgewöhnliche Szenen ganz natürlich abzuwechseln scheinen. Auch wenn wir um zehn Uhr noch in finsterster Verzweiflung waten, kann es durchaus sein, dass wir uns um elf schon wieder vor Lachen die Bäuche halten oder Erbsen schälen und über die Küchenrollenpreise diskutieren. Als Dip um elf eintraf, war Felicity inzwischen mit einer lächerlich übertriebenen Partytüte voller ungesund aussehender Süßigkeiten und Buntstifte von Caroline zurückgekehrt (Carolines Mutter, Sally Burton, fiel es schwer, einzusehen, dass ihr kleines Mädchen nicht mehr sechs war, und in dieser Hinsicht war sie schon immer äußerst ehrgeizig gewesen), und Mark war zu seinem Wochenendjob im Schreibwarenladen an der High Street gegangen. Mike und ich, eben noch der Scheidung nahe, waren unglaublicherweise innerhalb einer knappen halben Stunde wieder zu zuckersüßer Verliebtheit durchgedrungen, und jetzt war er losgefahren, um ein kräftiges Mittagessen zu sich zu nehmen, ganz ungewöhnlich frei von Schuldgefühlen eine ausgiebige Runde Golf zu spielen und sich auf einen milden, ehelichen Flirt mit seiner reumütigen Frau nach seiner Rückkehr zu freuen.

      „Was machst du denn so auf deiner Party, Mami? Essen und reden und im Kreis sitzen und Sachen verkaufen, die keiner haben will?“

      Beide saßen wir eine Sekunde lang schweigend da und verdauten innerlich Felicitys Vorstellung davon, was für eine Art von Party Erwachsenen Spaß machte.

      „Ganz bestimmt nicht, du völlig irregeleitetes, albernes kleines Mädchen“, erwiderte ich schließlich. „Deine Mami wird eine Party feiern, wie wir sie in den Sechzigern immer gefeiert haben. Das Haus wird rammelvoll sein mit Leuten, die mich sehr gern haben, und alle werden im Haus herumwimmeln und sich zu laut gestellte David-Bowie-Platten anhören und kompletten Quatsch über den Sinn des Lebens miteinander reden - das ist Vorschrift. Und in einem Zimmer werden alle ihre Jacken aufstapeln, wenn sie kommen, und am Ende werden sie Schwierigkeiten haben, sie wieder zu finden. Fehlt noch was, Dip?“

      Dip sah mich einen Moment lang seltsam an, dann senkte sie den Blick und massierte sich mit den Fingerspitzen die Kopfhaut.

      „Na ja, ich schätze, irgendwo in der Nähe der Küchentür wird es eine Nische geben, in der ich den ganzen Abend über von einem Mann mit Mundgeruch belagert werde, der mir in allen abscheulichen Einzelheiten die Dinge schildert, die ihm das Leben zur Hölle machen. Ohne das wäre es nicht die Sorte Sechziger-Party, die ich in Erinnerung habe.“

      „Ihr seid ja gaga“, verkündete Felicity. „Darf ich Caroline anrufen?“

      „Du bist seit gestern am frühen Abend ununterbrochen mit ihr zusammen gewesen. Was hast du denn innerhalb der letzten vierzehn Stunden Lebenswichtiges zu sagen vergessen? Warum musst du sie jetzt unbedingt anrufen?“

      Die Augen vor Konzentration weit aufgerissen, tippte sich Felicity mit dem Ende ihres Kulis gegen die Zähne, während sie sich eine Antwort überlegte.

      „Natürlich weil ich ihr von der Party erzählen will.“

      „Na schön, aber räume erst deine Stifte und dein Papier weg.“

      „Aber ich will doch gleich weitermachen, Mami. Da hat es doch keinen Sinn, jetzt alles wegzuräumen, oder?“

      „Gut, aber wenn du nachher nicht weitermachst, wirst du streng bestraft. Also geh!“

      „Darf ich von deinem Zimmer aus telefonieren?“

      „Ab mit dir!“

      Dip lachte voller Zuneigung, als meine schlanke, goldhaarige Tochter durch die Tür davonwirbelte und dabei eine alberne Grimasse schnitt.

      „Ist sie nicht zum Fressen? Früher habe ich mir immer gewünscht, sie würde klein bleiben, aber ich bin froh, dass es nicht so gekommen ist.“

      Mir wurde warm ums Herz, als ich den zärtlichen Ausdruck auf dem Gesicht meiner Freundin sah. Dip (ihr wirklicher Name war Elizabeth Reynolds) kannte Felicity schon, seit sie ein Baby gewesen war, und liebte sie wahrscheinlich genauso sehr wie wir. Außerdem war sie meine beste Freundin und auch beim Rest der Familie sehr beliebt, besonders bei Mark, der in ihr manches zu finden schien, was er brauchte (Annahme wäre ein triviales Beispiel) und bei mir selten finden konnte. Ich muss zugeben, dass ich gelegentlich mit einer gewissen Bitterkeit über diese Tatsache zu kämpfen hatte, doch in meinen besseren Momenten war ich froh, dass sie in den letzten Jahren für ihn da gewesen war. Sie und ich waren in mehrfacher Hinsicht sehr verschieden. Ich war wild, sie war mild. Alles an Dip war behaglich und tröstlich. Mich hätte nie jemand als behaglich beschrieben. Ich war dunkelhaarig, wie mein jüngerer Sohn, und etwas größer als der Durchschnitt. Sie war ein paar Jahre älter als ich, ziemlich groß, hatte kurze, helle Haare, umwerfend blaue Augen und einen leichten, aber unverkennbaren australischen Akzent, der aus ihren Jugendjahren in Adelaide zurückgeblieben war. Sie hatte eine Teilzeitstelle als Krankenschwester in einem hiesigen Krankenhaus und gehörte derselben Gemeinde und demselben Hauskreis an wie wir. Gemeinsam war uns ein äußerst alberner Sinn für Humor, eine schamlose Vorliebe für den besten Sherry der Welt und eine echte Leidenschaft für Gott. Diese drei Dinge schienen uns durch die meisten Situationen hindurchzubringen.

      Vor einigen Jahren hatten wir als Familie entschieden, dass wir alle uns sehr wünschen würden, dass Dip bei uns einzog. Kurz vor unserem Abflug zu einer Amerikareise sprachen wir ihr eine feierliche, absolut unwiderrufliche Einladung aus, um dann unser Haus und unsere beiden Stabschrecken Rowan und Kimberley (die beide inzwischen längst in das große himmlische Brombeerfeld dahingeschieden sind) ihrer Obhut zu überlassen, während sie versuchte, bis zu unserer Rückkehr eine Entscheidung zu treffen, ob sie auf Dauer zu uns ziehen wollte oder nicht. Wir waren alle ziemlich überrascht, als sie uns eröffnete, sie habe beschlossen, in ihrem kleinen Häuschen mit Terrasse am anderen Ende von Standham zu bleiben, doch als ich später sah, was sie darüber geschrieben hatte, wie es ist - nun, wie es ist, sie zu sein, verstand ich sie, glaube ich. Komisch, nicht? Gerade, wenn man glaubt, jemanden gut zu kennen. (Übrigens, wenn Sie wissen wollen, wie sie zu ihrem Spitznamen kam - ich werde mich damit jetzt nicht aufhalten, denn auch darüber hat sie schon alles geschrieben.)

      „Nun erzähl schon, Kathy - wie ist dieser ganze Schlamassel zustande gekommen?“

      Dip kam zurück auf unser Gespräch, das unterbrochen und radikal umgelenkt worden war, als Felicity ins Wohnzimmer kam, um mit ihrer dritten unvollendeten Aktivität an diesem Morgen zu beginnen, seit sie von den Burtons zurückgekommen war.

      „Nun …“

      „Plötzlich kam die Fünfzig auf dich zu wie ein D-Zug, und du bist in Panik geraten, weil das Leben, dieser Halunke mit dem gezwirbelten Schnurrbart, dich an die Schienen gefesselt hat? So habe ich es damals mehr oder weniger empfunden.“

      „Ja, ich glaube, es war - ist dir das mit dem, gezwirbelten Schnurrbart‘ einfach so eingefallen, Dip, oder hast du das


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