Weltordnungskrieg. Robert Kurz

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Weltordnungskrieg - Robert Kurz


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irrationaler Tätigkeit zwingt, das sie aber gleichzeitig längst in ihrer eigenen bürgerlichen Subjektform mit sich herumschleppen und es selber „sind“, auch im abgespaltenen „weiblichen“ Moment der Reproduktion, ist in stummen ökonomischen und juristischen Formen erstarrt, aber auch in seiner Latenz als direkte männliche Gewalt alltäglich spürbar. Es hat sich in den kapitalistischen Zentren bloß verpuppt und (auch hinsichtlich des Geschlechterverhältnisses) mit der typisch demokratischen Karikatur von Teilhabe maskiert, die in Wahrheit nichts als eine Nötigung zur Selbstverhöhnung darstellt, während die wirklichen Entscheidungen immer schon durch den blinden Gang der Markt- und Konkurrenzprozesse vorprogrammiert sind. In den Zusammenbruchsregionen bricht der latent vorhandene Gewaltcharakter des Kapitalismus offen hervor, weil er nicht mehr juristisch, sozialstaatlich usw. kaschiert und notdürftig pazifiziert werden kann. Die Gewalt der Ökonomie und die Ökonomie der Gewalt sind nur die beiden Seiten derselben Medaille.

      Noch in den gebrochensten postmodernen Formen macht sich der männlich-patriarchale und gewaltsame Charakter von Ökonomie wieder unmittelbar geltend, so domestiziert er den blauäugigen postmodernen Demokratietrommlerinnen erschienen war. Noch während die abgerüsteten (Ex-)Feministinnen der „neuen Mitte“ die vermeintliche neue Geschlechtergleichheit als kapitalistische Chancengleichheit feierten, kam in den Strukturen der globalen Plünderungsökonomie stattdessen eben jene „Verwilderung des Patriarchats“ zum Vorschein.

      In den prekären Sekundärökonomien am Rande des Weltmarkts, die sich inzwischen auch in den kapitalistischen Zentren breit machen, und die in der Peripherie eng mit der Plünderungsökonomie verzahnt sind, erscheint der abspaltende Charakter des modernen Geschlechterverhältnisses auch dort wieder, wo scheinbar Frauen zunehmend sozial „männlich“ und Männer durch Depravierung sozial „verweiblicht“ werden: „Das Gesamtresultat dieser unaufgehobenen, in der Zersetzung und im Gestaltwandel begriffenen Abspaltung ist prinzipiell gesehen nach wie vor eine Zurücksetzung von Frauen im Gegensatz zu Männern, gerade auch in der epochalen Krise… Dabei sind Frauen heute für ‚Geld und (Über-)leben‘ gleichermaßen zuständig. Dass Frauen nun Funktionen übernehmen, die traditionell Männersache waren, trifft nicht bloß auf,Drittweltländer‘ etwa infolge von Migrationsbewegungen zu, sondern ebenso für die hochindustrialisierten Länder. So müssen zum Beispiel alleinerziehende Mütter auch hierzulande nicht selten im Alltag Mutter und Vater zugleich sein… Dabei treibt selbst dann, wenn … die Erosion des warenproduzierenden Patriarchats sichtbar wird, der Androzentrismus als ‚psychogenetisches Unterbauphänomen‘… immer noch sein Unwesen, auch in modifizierten Leitbildern, emotionalen Befindlichkeiten und Codes, wie sie mit einer veränderten ökonomischen Lage einhergehen“ (Scholz 2000, 132 f.).

      Wenn etwa Frauen fast zu 100 Prozent die diversen Selbsthilfeinitiativen in den peripheren Krisen- und Zusammenbruchsregionen tragen (vgl. Scholz, a.a.O., 125), dann geht dies nicht mit einer „politischen“ Aufwertung einher, sondern ist bloß Ausdruck der Abwertung und Auflösung des Politischen, in der die abgespaltene „Weiblichkeit“ die Kastanien aus dem Feuer holen soll. Dasselbe gilt für die Übernahme „männlicher“ ökonomischer und sozialer Funktionen durch alleinerziehende Frauen sowohl in den Zentren wie in der Peripherie: Auch in diesem Sinne gibt es keine Aufwertung des abgespaltenen „Weiblichen“, sondern die Abwertung der sozialökonomischen Reproduktion überhaupt zugunsten der unmittelbaren männlichen Gewaltmenschlichkeit. Der Mann ist jetzt kein pater familias mehr, aber eben nicht zugunsten der Frauen, sondern als völlig entwurzeltes monadisches Konkurrenzsubjekt, das als Gewaltsubjekt die absolute Grenze der modernen gesellschaftlichen Konstitution erscheinen lässt. Es sind fast ausschließlich Männer, von denen die „Armeen“ der Plünderungsökonomie gebildet werden; total verantwortungslose „Streuner“, oft noch halbe Kinder, die durch den Lauf der Kalaschnikow die ältesten Codes des warenproduzierenden Patriarchats in einem absurden Alptraum reproduzieren. Das männliche bewaffnete Kind als letzte misogyne Horrorgestalt der Moderne ist schon mehr als ein Menetekel.

      Vielleicht in keinem Punkt hat sich die postmoderne „Chancen“-Ideologie so grausam blamiert wie hinsichtlich des Geschlechterverhältnisses. Die viel beschworene Individualisierung in der globalen „Risikogesellschaft“ sieht eben für Frauen und Männer durchaus verschieden aus, soweit sie sich nicht auf den Karriere-Etagen des neuen Finanzkapitalismus und seiner bizarren Sekundärformen tummeln. Der Kern des ökonomischen Subjekts der Moderne entpuppt sich als männlicher Gewalttäter wie in den frühesten Anfängen dieser Subjektform. Die prekäre „Feminisierung der Beschäftigung“ oder überhaupt der völlige Zusammenbruch der kapitalistischen Re-Produktion wird von einem postmodernen männlichen Realökonomismus anti-emanzipatorisch beantwortet durch zunehmende Gewalt gegen Frauen und Kinder, durch Vergewaltigung, Raub und Mord.

       Die Kälte gegen das eigene Selbst

      Der marodierende Realökonomismus darf als Motivzusammenhang freilich nicht in falscher Unmittelbarkeit verstanden werden. Das nicht mehr anders als gewaltsam geltend zu machende Geld- und Konkurrenzmotiv bildet den Hintergrund und die Triebkraft der (männlichen) Plünderungsökonomie. Trotzdem bedarf es dafür der nicht unmittelbar ökonomischen „Feinddefinition“, selbst wenn diese inhaltlich beliebig bleibt und sich die Gewaltsamkeit keineswegs auf die mehr oder weniger willkürlich definierte Feindpopulation beschränkt. Die Ideologie welcher Couleur auch immer verwildert und verwahrlost ebenso wie die Konkurrenz und ihre Subjektform, aber sie verschwindet nicht.

      Außerdem besteht nicht nur ein direktes Verhältnis von Verelendung und Macht der Banden. Das Elend bildet den gesellschaftlichen Humus der Gewalt, aber es äußert sich nicht unbedingt selber gewaltsam oder jedenfalls nicht allein. Die eigentlichen Lazarus-Schichten sind meist gar nicht mehr fähig, zur Waffe zu greifen. Sie dienen nur noch als Opfermasse oder bleiben überhaupt einem kraftlosen Vegetieren überlassen. Die Milizen rekrutieren sich eher aus der perspektivlos gewordenen männlichen Jugend der bis vor kurzem noch mit einer Fassade der Normalität ausgestatteten Industriearbeiterschaft oder des Mittelstands. Gerade auch viele Angehörige der „Jeunesse dorée“, der trotz Krise noch Bessergestellten, der Reichen und Superreichen, der Krisen- und Globalisierungsgewinnler finden sich darunter.

      Das Elend macht eben auch denen Angst, die noch nicht direkt davon erfasst sind, weil es eine Drohung für die eigene Zukunft darstellt. Es erzeugt nicht notwendig Mitleid und emanzipatorische Gesellschaftskritik, sondern auch Wut auf die Elenden und Verwahrlosung der Sitten gerade bei denen, die noch oben schwimmen in der Elendsgesellschaft. Zur „verlorenen Generation“ gehören nicht nur die jungen Dauerarbeitslosen und „Überflüssigen“, sondern auch die davon nicht oder noch nicht unmittelbar betroffenen (männlichen) Jugendlichen werden vom Klima der gesellschaftlichen Krise geprägt und verwildern moralisch. Die meisten Milizen und Banden in den Krisen- und Zusammenbruchsregionen stellen so eine merkwürdige Mischung aus barbarisierten Arbeitslosen und einer ebenso barbarisierten „Jeunesse dorée“ dar (deren Väter oft als Paten und Unterpaten fungieren).

      Wenn die gesellschaftliche Reproduktion als Ganzes nicht mehr funktioniert, wenn die Quantität von Armut, Elend und Verzweiflung ein bestimmtes Maß überschreitet, dann kann es keine Insel der Wohlanständigkeit mehr geben. Das Fluidum der Angst und des Hasses durchdringt mühelos alle Hochsicherheitszäune, hinter denen sich die Obszönität des Krisenreichtums verschanzt hat. Die Ankoppelung von „erfolgreichen“ Minderheiten an die Globalisierung selbst noch in den Zusammenbruchsregionen konstituiert keinen sozialen Raum, der sich geistig und psychisch exterritorial halten könnte. Die Gesellschaft ist eben doch unteilbar. Geschäft und Gewalt, noch nie grundsätzlich geschieden, beginnen zu verschmelzen - und diese Kernschmelze der kapitalistischen Vernunft greift mit Windeseile auf die Weltzonen der vermeintlichen Normalität und Legalität über.

      Die Konkurrenz wird in der Weltkrise zur ökonomischen Vernichtungskonkurrenz, somit zur sozialen Existenzkonkurrenz, und diese schlägt um in die unmittelbare „maskulinistische“ Gewaltkonkurrenz. Wenn dabei das Risiko des eigenen gewaltsamen Todes zum Alltag wird, jetzt im Mikrobereich der Lebenswelt wie einst an den Fronten der Weltkriege, steht dies nicht unbedingt im Widerspruch zum „egoistischen Interesse“ und zu den Begierden des Warenkonsums. Was dabei zum Vorschein kommt, ist die buchstäblich


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