Das Abenteuer meiner Jugend. Gerhart Hauptmann

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Das Abenteuer meiner Jugend - Gerhart Hauptmann


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un­ter lau­ten Spä­ßen und Ge­läch­ter die Aus­klop­fer schwan­gen. Der gan­ze Ort wi­der­hall­te da­von. Es wur­den da­bei man­che Na­men ge­ru­fen von Leu­ten, die nicht durch­aus be­liebt wa­ren, wo­durch die Schlä­ge schnel­ler und kräf­ti­ger nie­der­knall­ten.

      Des Un­ge­zie­fers we­gen wur­den in­zwi­schen die Fu­gen der Bett­stel­len mit Pe­tro­le­um ab­ge­pin­selt. In den Fens­tern stan­den die Mäd­chen hals­bre­che­risch, wu­schen die Schei­ben und rie­ben sie tro­cken. Oder der Schrub­ber herrsch­te, und die Die­len schwam­men in schmut­zi­gem Was­ser. Über­all roch es nach Sei­fe und nas­sen Ha­dern, und die mil­den Lüf­te des Früh­lings dran­gen ins in­ners­te In­ne­re des Hau­ses ein.

      Ich emp­fand dies al­les als et­was Be­glücken­des, wälz­te mich auf den Ma­trat­zen her­um oder be­rausch­te mich zwi­schen den al­ler­lei Pols­ter­mö­beln, die man eben­falls, um sie aus­zu­klop­fen, in den vor­de­ren Zier­gar­ten ge­bracht hat­te. Der Reiz des Un­ge­wöhn­li­chen, Ses­sel und So­fas zwi­schen Gar­ten­bee­ten zu fin­den, ver­setz­te mich in Be­geis­te­rung.

      Krau­se wusch sei­nen Om­ni­bus, wäh­rend um ihn die Schwal­ben schrill­ten, die in den Stäl­len und Un­term Saal zu Nes­te tru­gen. Sand­berg stand vor der of­fe­nen La­den­tür und wei­de­te sich an sei­nem Schau­fens­ter, in dem er die Schnitt­wa­ren neu ge­ord­net hat­te. Im Ein­gangs­raum des Gast­ho­fes hat­te ein Bi­jou­te­rie­händ­ler sei­ne Aus­la­ge.

      *

      So war die Kro­ne aus ih­rem Win­ter­schlaf er­wacht, hat­te ihre Wie­der­ge­burt, ja ihre Au­fer­ste­hung ge­fei­ert, sich ge­wa­schen, ge­putzt und Fest­klei­der an­ge­legt. Und nun muss­ten die Kur­gäs­te kom­men, die den Vor­teil von al­le­dem ha­ben und brin­gen soll­ten. Denn die alte Kro­ne war nicht nur eine Glu­cke, die win­ters ihre Flü­gel über uns hielt, son­dern sie leg­te auch gol­de­ne Eier.

      Eine Per­sön­lich­keit, die im­mer wie­der be­son­de­ren Ein­druck mach­te, war der je­wei­li­ge Koch. Man nann­te ihn all­ge­mein den Chef. Ein sol­cher Chef nahm mich, so­lan­ge ich klein ge­nug dazu war, so­oft er konn­te, auf den Arm, und ein Name, den er mir gab, Pflau­men­frit­ze, ist mir in Erin­ne­rung. Er trug mich näm­lich je­des Mal in die Spei­se­kam­mer und ließ mich in einen Sack ge­dörr­ter Pflau­men hin­ein­lan­gen.

      Ein an­de­rer Koch, ein jun­ger Mensch, der mich eben­falls auf den Arm ge­nom­men hat­te, ist mir er­in­ner­lich und ein nied­li­cher Vor­gang, der die gan­ze Kü­che er­hei­ter­te: der lus­ti­ge Chef nahm mit den Fin­gern frisch ge­koch­te Spar­gel von ei­ner Plat­te, tauch­te die Spit­zen in But­ter und ließ sie mich ab­bei­ßen, der üb­rig­ge­blie­be­ne Sten­gel flog zum of­fe­nen Fens­ter hin­aus.

      Frau Milo hieß eine Koch­kö­chin, die ne­ben dem Chef wirk­te. Auch sie nahm mich ei­nes Ta­ges – etwa drei­jäh­rig moch­te ich ge­we­sen sein – auf den Arm. Da fiel mir auf, dass ir­gen­det­was an ihr be­fremd­lich her­vor­rag­te. Ich hat­te den Be­griff ei­ner weib­li­chen Brust noch nicht, so klopf­te ich mit der Hand auf den un­be­greif­li­chen Ge­gen­stand und stell­te die Fra­ge, was das wäre, wor­auf die gan­ze Kü­che vor La­chen fast au­ßer sich ge­riet und Frau Milo dun­kel­rot im Ge­sicht wur­de.

      Vom Arme ir­gend­je­man­des aus sah ich zum ers­ten Mal die wohl­ge­ord­ne­te Spei­se­kam­mer vom Dachrö­dens­hof. Das war ein be­nach­bar­tes Haus, das mein Groß­va­ter Straeh­ler, der Brun­nen­in­spek­tor, ge­baut hat­te und in dem er mit zwei un­ver­hei­ra­te­ten Töch­tern wohn­te.

      Das In­ter­es­se der Kö­che und ähn­li­cher kin­der­lie­ber Men­schen setz­te aus, als ich äl­ter ge­wor­den war und zur Schu­le ging. Es wäre mir auch nur läs­tig ge­we­sen.

      Ein Wild­ling wie ich fürch­te­te Zwang von al­len Er­wach­se­nen. Wo ich nur konn­te, mied ich sie. Die blo­ße Berüh­rung durch einen von ih­nen war mir un­leid­lich.

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      3 Be­rufs­be­zeich­nung; meist Haus­ge­hil­fin <<<

      Den Zwang und Ker­ker der Schu­le konn­te man frei­lich nicht aus­schal­ten.

      Im Win­ter war der Schul­weg bis auf Prü­ge­lei­en und Schnee­ball­schlach­ten ohne Be­lang. Im Som­mer wur­de er da­durch ge­würzt, dass wir am ge­öff­ne­ten Kur­thea­ter vor­bei muss­ten. Es war ein Holz­bau, äu­ßer­lich eine ver­wit­ter­te Bretter­ba­ra­cke, die mein Groß­va­ter, wie auch Brun­nen- und Eli­sen­hal­le, An­na­turm und an­de­res, durch sei­nen Freund und Ma­ler-Archi­tek­ten Jo­sef Fried­rich Raa­be, der zu Goe­the in en­gen Be­zie­hun­gen stand, hat­te er­rich­ten las­sen. Wenn wir zur Schu­le gin­gen, wa­ren meist Pro­ben, und vor den Ein­gän­gen stan­den die Schau­spie­ler. Was im Thea­ter selbst vor­ge­hen moch­te, blieb uns Kin­dern lan­ge ein Mys­te­ri­um; umso wil­der wu­cher­ten die Gerüch­te. Einst wur­de mir ein Jüng­ling ge­zeigt, der heu­te sein Be­ne­fiz hat­te. Was soll­te das sein: Be­ne­fiz? Et­was Furcht­ba­res si­cher­lich. Ohne es zu ah­nen, ka­men wir der alt­grie­chi­schen Ri­tu­al­büh­ne und den Ge­pflo­gen­hei­ten des rö­mi­schen Ko­los­se­ums in uns­ren Ge­dan­ken sehr nahe, denn uns war der Jüng­ling tod­ge­weiht. Es hieß, er müs­se am Abend zum Schluss des Stückes sich sel­ber er­ste­chen, oder er wer­de hin­ge­rich­tet.

      Die­se Sa­che er­schi­en mir selbst­ver­ständ­lich. Von ei­nem flüch­ti­gen Gru­seln ab­ge­se­hen, nahm ich sie hin, als ob man ge­sagt hät­te, mor­gen wer­den uns in der Schu­le Bi­bel­sprü­che ab­ge­hört.

      *

      Der alte Leh­rer Bren­del, der sei­ne Fin­ger­knie­bel ge­wöhn­lich auf die ers­te Schul­bank stütz­te und dar­um eine di­cke Horn­haut auf ih­nen hat­te, war der fleisch­ge­wor­de­ne Zorn. Zorn war An­fang, Mit­te und Ende sei­nes Un­ter­richts. Er wür­de sich nichts ver­ge­ben ha­ben, wenn er un­ver­se­hens ein­mal ge­lacht hät­te. Als er ge­le­gent­lich mit sei­nem gel­ben Rohr­stock, um einen Schü­ler ab­zu­stra­fen, in die Bank lang­te, er­hielt ich, nicht der Ge­mein­te,


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