Das Abenteuer meiner Jugend. Gerhart Hauptmann

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Das Abenteuer meiner Jugend - Gerhart Hauptmann


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die­sen hei­te­ren Ela­bo­ra­ten des Krie­ges schwirr­ten Zi­ta­te über­all um­her, im Sprach­schatz der Men­schen hei­misch ge­wor­den.

      Man war bei aller­größ­tem Hu­mor und wuss­te kaum, wo man ihn las­sen soll­te.

      1 Ver­bands­ma­te­ri­al aus Lein­wand <<<

      Ei­nes Ta­ges war dann die Kur­ka­pel­le auf­ge­zo­gen und weck­te mich zum ers­ten Male wie­der um sie­ben Uhr früh mit ih­rem Cho­ral. Der Krau­se-Om­ni­bus hol­te Men­schen von der Bahn­sta­ti­on und schüt­te­te sie im Hofe der Kro­ne aus. An­de­re, näm­lich die rei­che­ren Leu­te, be­nütz­ten Drosch­ken und Lohn­wa­gen. Nicht so sehr die von Os­ten kom­men­den als die von Nord­os­ten, Nor­den, Nord­wes­ten und Wes­ten her ein­tref­fen­den Gäs­te wa­ren er­füllt von dem neu­en Geist, wo­mög­lich stär­ker er­füllt als wir.

      Mei­ne Mut­ter war und blieb Dachrö­dens­hof. Nicht, dass sie ir­gend­wie mei­nen oder ir­gend­ei­nen En­thu­si­as­mus ge­stört hät­te, sie sah und hör­te nur lä­chelnd zu. Sie stand noch im­mer, we­nig be­rührt, in der al­ten Zeit und sah in der neu­en et­was, das einen ge­si­cher­ten, stil­len Ver­lauf des Le­bens durch einen dra­ma­ti­schen er­setz­te, des­sen Ende nicht ab­zu­se­hen war.

      Die Vor­gän­ge um die Te­sta­ments­er­öff­nung hat­ten mich un­ter an­de­rem ge­lehrt, wie wich­tig es war, dass der Gast­hof gut be­sucht wur­de. Selt­sam und nicht ganz men­schen­wür­dig er­schi­en es mir schon als Kind, wenn über­all vor den Spei­se­häu­sern mit lau­tem Glo­cken­ge­schell so­zu­sa­gen zur Füt­te­rung ge­ru­fen wur­de. Eine sol­che Glo­cke führ­te die Kro­ne nicht. Die Sor­ge aber, die ich jetzt für den Be­stand der ge­lieb­ten Kro­ne hat­te, be­wog mich, auf der Lau­er, die Gäs­te zu zäh­len, die trotz des feh­len­den Ru­fes ein­tra­ten.

      Es schie­nen mir im­mer zu we­nig zu sein: klei­ne Grup­pen und Grüpp­chen, die vom Kro­nen­berg über die Freitrep­pe der Ter­ras­se an den Ar­ran­ge­ments süd­li­cher Pflan­zen vor­über in den Gro­ßen und Klei­nen Saal ein­bo­gen. Wehe, wer hier vor­über­ging und den Berg wei­ter­stieg, um im Eli­sen­hof ein­zu­keh­ren!

      Mei­ne Mut­ter konn­te nicht um Geld bit­ten, was über­haupt im­mer eine pein­li­che Sa­che ist. Sie er­zog sich lie­ber zu ei­ner fast sträf­li­chen An­spruchs­lo­sig­keit. Nach der Erb­schaft je­doch wur­de ihr von mei­nem Va­ter der Er­lös aus dem Ver­kauf des aus­ge­koch­ten Sup­pen­fleisches zu­ge­bil­ligt. In Wür­fel ge­schnit­ten, wur­de es von mei­ner Mut­ter an arme Leu­te für ein Ge­rin­ges weg­ge­ge­ben.

      Das sol­cher­ma­ßen ver­dien­te Ta­schen­geld mei­ner Mut­ter er­öff­ne­te ihr und mir wie­der und wie­der das Kur­thea­ter. Ob sie im To­des­jahr ih­res Va­ters hin­ein­ge­gan­gen ist, weiß ich nicht, ich möch­te es aber für mög­lich hal­ten, da sie Äu­ßer­lich­kei­ten, also zur Schau ge­tra­ge­ner Trau­er, ab­hold war, und au­ßer­dem trieb sie, wenn sie ins Thea­ter ging, einen ih­rer Mut­ter gel­ten­den Erin­ne­rungs­kult: sie war eine ge­bo­re­ne St­ent­zel, die­se Mut­ter, in Bres­lau ge­bür­tig und von Kind an auf­er­zo­gen im Hau­se ei­nes Fräu­leins von Stut­ter­heim. Vie­les wur­de von ihr er­zählt und ih­rer Thea­ter­lei­den­schaft, be­son­ders in ei­ner Zeit, wo das Thea­ter in Bres­lau flo­rier­te und alle Welt aus der Pro­vinz ta­ge­lan­ge Wa­gen­fahr­ten nicht scheu­te, um ei­ner Vor­stel­lung bei­zu­woh­nen.

      Mei­ne Groß­mut­ter Straeh­ler muss eine freie, le­bens­lus­ti­ge und kei­nes­wegs fröm­meln­de Per­sön­lich­keit ge­we­sen sein. Ein klu­ger, welt­li­cher, re­ger Geist mag bei ihr über­wo­gen ha­ben.

      »Die schö­ne Gala­thea«, im Sperr­sitz ne­ben mei­ner Mut­ter ge­nos­sen, mach­te einen großen Ein­druck auf mich: ein fan­tas­ti­sches Bild­werk, ein Weib, in das sich sein Meis­ter ver­liebt, das le­ben­dig wird und das er ver­zwei­felt wie­der zer­schlägt, weil es ihn durch Un­treue un­glück­lich macht. Vi­el­leicht geht mei­ne spä­te­re Lie­be zur Plas­tik in et­was auf die­ses Werk von Suppé zu­rück.

      Ein an­de­res Stück, das ich sah, hieß »Der alte Des­sau­er«, »Der Land­wehr­mann und die Pi­kar­de« ein drit­tes, wo die ge­müt­li­che Art je­ner Zeit, wel­che die Kampf­hand­lung we­sent­lich auf den Sol­da­ten be­schränk­te, an­schau­lich wur­de. Auch an »Die Gei­er-Wal­ly«, die un­ter dem Na­men der Birch-Pfeif­fer lief, er­in­ne­re ich mich; wenn sie, an­ge­seilt und den Ab­grund hin­un­ter­ge­las­sen, dem Läm­mer­gei­er das ge­raub­te Kind aus dem Nes­te nimmt, so war dies wohl hel­den­haft und auf­re­gend.

      Ein Frag­ment vom Faust, zum Be­ne­fiz des Di­rek­tors Ste­ge­mann, der den Me­phi­sto spiel­te, ist mir eben­falls durch das Ta­schen­geld der Mut­ter, stam­mend aus in Wür­fel ge­schnit­te­nem Sup­pen­fleisch, er­öff­net wor­den. Wel­che Ur­sa­che, wel­che Wir­kung!

      *

      Täg­lich nahm der Di­rek­tor Ste­ge­mann im Ho­tel zur Kro­ne, also im ers­ten des Orts, meis­tens am Tisch mei­nes Va­ters, den Früh­schop­pen, der in je ei­ner hal­b­en Fla­sche Bor­deaux vor der an­de­ren oder nach ihr be­stand. Die­ser schlan­ke Bon­vi­vant, der ein hal­b­es Jahr­hun­dert und mehr auf dem Kerb­holz hat­te, sah ohne Mas­ke be­reits wie Me­phi­sto aus. Er wuss­te ge­nau, wenn Ka­vi­ar oder Hum­mer her­ein­ge­kom­men war, und es lag dann für ihn nicht fern, von die­sen De­li­ka­tes­sen zu ei­ner Fla­sche Cham­pa­gner – es gab da­mals kei­nen deut­schen Sekt – fort­zu­schrei­ten. Wenn er bei mei­nem Va­ter saß und sich Dok­tor Straeh­ler aus dem Ko­me­ten da­zu­ge­sell­te, war es ein Klee­blatt, auf das ich nicht ohne Stolz und Neid hin­blick­te.

      Ir­gend­wann ein­mal moch­te die Sit­zung des Tri­os so gut ge­launt sein, dass mich mein Va­ter rief und an die Frau Di­rek­tor ab­ord­ne­te. Sie wohn­te ein we­nig ent­fernt im Nie­der­dorf, und Me­phi­sto selbst be­schrieb mir ge­nau den Weg; da­bei hat­te er mit ei­ner be­stri­cken­den Vä­ter­lich­keit die Hand auf mei­nen Schei­tel ge­legt und dank­te mir freund­lich im Voraus, wie ein Gent­le­man dem an­de­ren, für mei­ne Be­mü­hung. Er käme, soll­te ich mel­den, durch et­was Wich­ti­ges auf­ge­hal­ten, spä­ter als sonst nach Haus, man möge nicht mit dem Es­sen auf ihn war­ten.

      Als ich die bes­ten Häu­ser im be­gin­nen­den Nie­der­dorf


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