Archäologie. 100 Seiten. Kurt Wallat

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Beginn meines Studiums für die alten Römer und deren architektonische, künstlerische und kulturelle Hinterlassenschaften, bevorzugt in Pompeji. Dort war ich später sehr intensiv tätig und habe unter anderem gemeinsam mit meiner niederländischen Kollegin Natalie de Haan ein Grabungsprojekt zur Erforschung der »Zentralthermen« geleitet. Da sich am Beispiel der 79 n. Chr. vom Vesuv verschütteten Stadt viele Aspekte der Archäologie – von der grundlegenden Faszination, über das konkrete Arbeiten bis hin zu technisch-konservatorischen Fragen – sehr gut erläutern lassen, werde ich mich in diesem Buch häufiger darauf beziehen.

      Pompeji wurde 79 n. Chr. durch einen verheerenden Ausbruch des Vesuvs verschüttet, und im Laufe einiger Jahrzehnte verschwanden dann die noch aus dem Erdreich ragenden Mauerreste vollständig unter der Erde, die Stadt geriet in Vergessenheit. Gleichwohl ist neben wenigen sporadischen Erwähnungen eine überaus detaillierte Schilderung der Katastrophe überliefert. Der Verfasser, Neffe des berühmten römischen Naturforschers Plinius, beschreibt die Ereignisse in zwei Briefen: Wir nennen ihn heute Plinius den Jüngeren. Die Existenz einer Stadt am Fuße des Vulkans war seit Jahrhunderten bekannt, aber ein Zufall führte im späten 18. Jahrhundert zur Entdeckung Herculaneums und schließlich Pompejis. Mehr als 200 Jahre später schließlich konnten die in Pliniusʼ Briefen geschilderten Phänomene vulkanologisch analysiert und als wissenschaftlich korrekt klassifiziert werden. Schäden an Gebäuden und jüngst der Fund zahlloser Skelette in einem Bootsschuppen in Herculaneum vervollständigten das Bild und erlauben heute eine minutiöse Rekonstruktion des Vesuvausbruchs und von dessen Auswirkungen auf die Städte in der Bucht von Neapel. Noch ganz aktuell finden sich in zahlreichen antiken Häusern in Pompeji Spuren einer überhasteten Flucht, Hinweise auf das abrupte Ende von Bauarbeiten sowie Knochenfunde von Menschen und Tieren, die beim Ausbruch starben.

      Leider entspricht die oft nüchterne Realität so gar nicht dem Bild, das in Literatur und Filmen gerne von der Archäologie vermittelt wird: Ich kann versichern, dass ich weder mit Peitsche und Pistole (sehr wohl aber mit Hut, dies sei als Trost erwähnt) unterwegs war; auch eine Lara Croft ist mir bisher bei keiner Ausgrabung begegnet. Ein Klischee aber stimmt immerhin: Zur Arbeit eines Archäologen gehört tatsächlich das stundenlange Kauern in einem schmutzigen Erdloch, um mit Pinsel, einer Kelle und womöglich einem Zahnstocher in geduldiger Feinarbeit kleinste Gegenstände, vielleicht eine einzelne Scherbe, aus der Erde zu ziehen. Denn genau dieses so unscheinbar wirkende Stückchen Keramik könnte das entscheidende Glied in einer Indizienkette sein, um ein ganzes Gebäude zu datieren.

      »Eine Frau, die mit einem Archäologen verheiratet ist, darf sich glücklich schätzen, denn je älter sie wird, desto interessanter wird sie für ihren Mann.«

      Agatha Christie

      Saurier (endlich!) – Paläontologie

      Eng verknüpft mit der Archäologie scheint die Wissenschaft von ausgestorbenen Tieren und Pflanzen (aber sie ist eben nicht im engeren Sinne Archäologie). Nicht zuletzt Hollywood hat einen regelrechten Boom dieses Sujets ausgelöst. Auf den ersten Blick gleichen sich Bilder einer paläontologischen und einer archäologischen Grabungsstätte: Menschen kauern auf dem Boden und hantieren mit Kelle und sonstigem Werkzeug, um etwas freizulegen. Jedoch haben beide Wissenschaftszweige wenig gemeinsam. Die Paläontologie ist stark geprägt durch geologische und biologische Fragestellungen. Zwar zeigt die Methodik zur Analyse von Fundstücken große Überschneidungen, die Zielrichtung der Ergebnisse unterscheidet sich jedoch diametral. Der Archäologie geht es darum, Funde zeitlich und stilistisch in die Geschichte einer Zivilisation einzuordnen und aus ihnen letztendlich eine gesellschaftliche Momentaufnahme zu gewinnen, um diese in das bereits vorhandene historische Gerüst einzufügen.

      Die Paläontologie versucht, Funde zoologisch oder botanisch zu klassifizieren, deren biologische, insbesondere biomechanische Eigenschaften zu ermitteln und daraus ein möglichst genaues Bild der äußerlichen Erscheinung des Lebewesens, des Lebensraums und der klimatischen Bedingungen zu rekonstruieren. Dazu zählt unter anderem die Auswertung von Trittspuren.

      Um es überspitzt auszudrücken: Würde man den Paläontologen bitten, das Skelett eines Römers zu analysieren, käme als Ergebnis höchstwahrscheinlich heraus, dass es sich um einen mutmaßlich aufrechtgehenden, homoiothermen Säuger handelt – genau genommen einen Homo sapiens –, der ca. anderthalb Meter groß war, aufgrund seines Gebisses Pflanzen wie Fleisch verzehrte und in gemäßigtem Klima lebte. Würde man dagegen den Archäologen bitten, das Skelett eines Sauriers zu untersuchen, wären die Resultate recht mager, da er weder auf Funde von Keramikscherben noch auf Werkzeuge oder Waffen zurückgreifen könnte und sich keine Anzeichen einer Siedlung nachweisen ließen, es also an weiteren Größen zur geschichtlichen Einordnung fehlt.

      Wo den Spaten ansetzen?

      Mit dem Begriff ›Archäologie‹ verbinden sich meist Bilder von berühmten Bauten oder Kunstwerken. Aber nicht nur sie sind das Ziel der Forschung, sondern auch (noch) unbekannte Orte, die wir bislang lediglich aus alten Texten kennen. Die geschichtliche Überlieferung berichtet beispielsweise von zahlreichen kriegerischen Auseinandersetzungen, welche ironischerweise einen Teil des Grundgerüsts bilden, mit dem noch in der Gegenwart Schülergenerationen malträtiert werden – wer kennt es nicht, das berühmte »333: Issos Keilerei!«. Ähnlich bekannt ist die Varusschlacht im Teutoburger Wald im Jahr 9 n. Chr. Antike Quellen bezeugen das Ereignis und seine weitreichenden Folgen für die Germanienpolitik des römischen Reiches. Dass die Schlacht tatsächlich stattgefunden hat, ist nicht zuletzt durch den Grabstein eines römischen Gefallenen im Rheinischen Landesmuseum Bonn belegt. Bis heute ist es allerdings nicht gelungen, den genauen Ort zu identifizieren. Das mag zum einen daran liegen, dass die Kampfhandlungen sich wohl über mehrere Tage hinzogen. Zum anderen aber sind die antiken Quellen meist zu unpräzise, weswegen man in jüngster Zeit etliche Orte favorisierte, um sie kurz darauf wieder zu verwerfen.

      Die Gratwanderung zwischen belastbarer Erkenntnis und Wunschdenken ist immer schmal. Eine auf antiken Mythen basierende Methode der Auffindung von historischen Orten etwa muss mit äußerster Vorsicht angewendet werden und sollte sich stets auf das wissenschaftlich tatsächlich Beweisbare beschränken.

      Aus dem Neuen Testament ist eine Fülle an Orten und Ereignissen überliefert, die das Leben Jesu beschreiben. In dem Fall korrelieren einzelne Fakten mit unabhängigen Quellen lateinischer Autoren, die frei von jedem Verdacht sind, dem Christentum nahezustehen. Die Person des Jesus wird erwähnt, ebenso der Statthalter Pontius Pilatus und nicht zuletzt die Tatsache, dass Ersterer gekreuzigt wurde. Und tatsächlich ist es vor Ort in Israel möglich, zumindest näherungsweise die einzelnen Ereignisse zu lokalisieren, die Wege Jesu bis zu dessen Hinrichtung in Jerusalem zu rekonstruieren.

      Als recht verlässlich erweisen sich antike Texte, deren Verfasser einen neutralen und wissenschaftlichen Stil pflegen. Chronologisch sind sie der römischen Kaiserzeit zuzuordnen. Dem aus Griechenland stammenden Autor Pausanias verdanken wir eine Art Reiseführer durch sein antikes Heimatland; er beschreibt mal mehr, mal weniger detailreich die wichtigsten Stätten, deren Tempel und weitere Gebäude. Daraus resultiert unter anderem eine genaue Bestandsaufnahme der Bauten des im gesamten Mittelmeerraum berühmten Olympia, Geburtsstätte der antiken und schließlich der modernen Olympischen Spiele. Die Anlage war also theoretisch seit Jahrhunderten bekannt, allerdings blieb es Archäologen des 19. Jahrhunderts vorbehalten, sie beinahe vollständig freizulegen und die Grundmauern der einzelnen Gebäude anhand der erwähnten Beschreibungen des Pausanias zu identifizieren. Es stellte sich heraus, dass diese erstaunlich präzise waren.

      Dies waren nur ein paar wenige Beispiele dafür, wie Archäologen auf der Basis einer literarischen Überlieferung nach etwas Bestimmtem suchen – Pompeji ist ein ähnlicher Fall, das haben wir schon gesehen.

      Die goldene Zeit spektakulärer Funde

      Die populärwissenschaftliche Literatur zur Geschichte der Archäologie konzentriert sich verständlicherweise auf spektakuläre Funde und Grabungsstätten – ein paar von ihnen wollen auch wir uns im Folgenden näher ansehen. Aber warum erfolgte vor


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