Ausgewählte Briefe. Gregor der Große
Читать онлайн книгу.wenn sie nicht dort zahlreiche und wohlgefüllte Quellen hätte. An dieser Mutter und Bewahrerin der Tugenden, heiligster Bruder, wollen wir mit unerschütterlicher Standfestigkeit festhalten. Keine listige Zunge soll sie uns schwächen, keine Versuchung des Urfeindes soll sie in uns tilgen. Sie vereinigt das Getrennte und erhält in der Einheit. Sie erhebt das Niedrige, ohne zum Stolz zu verleiten. Sie senkt das Hohe, ohne zu entwürdigen. Durch sie verbreitet die Einheit der Gesammtkirche, welche die Verbindung mit dem Leibe Christi ist, Freude in den Einzelnen, deren Gemüther sie beruhigt, 134obwohl in Bezug auf die verschiedenen Glieder Mannigfaltigkeit herrscht. Sie bewirkt, daß eben diese Glieder bei fremder Freude frohlocken. auch wenn sie selbst Trübsal leiden, und bei fremdem Kummer trauern, auch wenn sie selbst in Freude sind. Da also, wie der Völkerlehrer bezeugt, alle Glieder mitleiden, wenn eines leidet, und, wenn ein Glied sich freut, alle Glieder sich mitfreuen, so zweifle ich nicht, daß ihr über unsre Heimsuchung seufzet, da Ihr auch versichert sein dürfet, daß wir über Euer Wohlergehen uns freuen.
Daß sich aber Ew. Brüderlichkeit über Unsre Erhebung auf diesen Stuhl erfreut, ist mir ein Beweis Eurer aufrichtigsten und herzlichsten Zuneigung. Aber, ich gestehe, bei dem Gedanken an diese Erhebung durchbohrt meine Seele ein gewaltiger Schmerz. Denn schwer ist die Last des Priesterthums; zuerst muß ja der Priester als Muster für Andere leben und dann dafür sorgen, daß sich seine Seele nicht um der gegebenen Beispiele willen in Eitelkeit verliere. Immer soll er des Predigtamtes eingedenk sein und mit ernstlicher Furcht erwägen, daß der Herr, da er hingeht, um sein Reich in Besitz zu nehmen, sowie bei der Austheilung der Talente zu den Knechten spricht: „Machet Geschäfte bis ich wieder komme.„135 Dieses Geschäft betreiben wir ohne Zweifel dann auf die rechte Weise, wenn wir durch unser Leben und unser Wort Seelen gewinnen, wenn wir auch die Schwachen in der himmlischen Liebe bekräftigen, indem wir ihnen die Freuden des Himmels vor Augen halten, wenn wir die Frechen und Stolzen durch furchtbare Androhung der Höllenstrafe erschüttern, wenn wir gegen Niemand eine Schonung kennen, die mit der Wahrheit unvereinbar ist, wenn wir Freundschaft mit Gott unterhalten, vor Feindschaft mit Menschen uns nicht fürchten. Solches ausübend glaubte der Psalmist Gott ein Opfer dargebracht zu haben, indem er sprach: „Sollte ich nicht hassen, o Herr, die Dich hassen und über Deine Feinde mich nicht grämen? Mit vollkommenem Hasse hasse ich sie, und Feinde sind sie mir.“136 Aber bei der Größe meiner Schwachheit zage ich vor dieser Anforderung und sehe doch, daß der Hausvater, nachdem er sein Reich in Besitz genommen, zurückkehrt, um Abrechnung mit uns zu halten. Aber in welcher Stimmung kann ich ihn erwarten, der ich keinen oder fast keinen Gewinn an Seelen aus dem übernommenen Geschäfte mitbringe? Hilf mir also, theuerster Bruder, durch dein Gebet und erwäge auch Du täglich bei Dir selbst mit vorsichtiger Sorge und Furcht, was Du siehst, daß ich für mich fürchte. Das Band der Liebe bewirkt ja, daß auch Dich angeht, was ich von mir sage, und auch mir gehört, was ich wünsche, daß Du thun sollst.
Bezüglich der kirchlichen Vorrechte aber, von denen Ew. Brüderlichkeit schreibt, mögt Ihr Euch mit Beseitigung aller Bedenken an Folgendes halten. Wie Wir Unsre eigenen Rechte vertheidigen, so halten Wir auch die aller Einzelkirchen aufrecht. Ich gebe Keinem aus Begünstigung mehr als ihm gebührt und mache Keinem aus ehrsüchtigem Antrieb streitig, was ihm von Rechts wegen zukommt, sondern ich wünsche meine Brüder in Allem zu ehren, und so suche ich Jeden mit Ehre zu überhäufen, soweit nur nicht das Recht eines Andern ihm im Wege steht. Die Gesinnungen aber, die Eure Gesandten zu erkennen geben, waren mir sehr erfreulich; ich habe daraus ersehen, wie sehr Ihr mich liebet, da Ihr so auserwählte Brüder und Söhne zu mir gesandt habt.
Gegeben den 21. Juli der 10. Indiktion (592).
VII. (48.) An den Bischof Columbus.
VII.Gesammtausgabe 48.
An den Bischof Columbus.
Inhalt: Adressat wirb beauftragt, eine Synode zu versammeln und auf derselben den Bischof Maximian von Pudentiana (Stadt in Numidien) abzusetzen, wofern sich die Anklage als wahr erweisen sollte, daß er, mit Geld bestochen, einen Donatisten zum Bischof gemacht habe. Klage über die Donatisten, welche für Geld Leute gewinnen, um sie nochmals taufen zu lassen, und ernste Aufforderung, kräftig denselben entgegenzuwirken.
Es ist bekannt, liebster Bruder in Christo, daß der Urfeind, der schon den ersten Menschen durch seine listige Überredung von den Freuden des Paradieses in dieses kummervolle Leben gestürzt und schon damals dem Menschengeschlechte die Strafe der Sterblichkeit zugezogen hat, auch jetzt noch den Hirten der Schafe unsers Herrn sein Gift einzuträufeln und sie in seine rechtliche Gewalt zu bringen sucht, damit er dann um so leichter sich der Heerde bemächtigen könne. Wir aber, dieWir obschon ohne Unser Verdienst an Stelle des Apostelfürsten Petrus den apostolischen Stuhl und die ihm zustehende Verwaltung übernommen haben, sehen Uns gerade durch das päpstliche Amt gezwungen, dem Feinde der ganzen Kirche mit aller Uns möglichen Anstrengung entgegenzutreten. 137 Die Überbringer gegenwartigen Schreibens also, Constantius und Mustellus, Diakone der in Numidien gelegenen Kirche Pudentiana, haben sich an Uns durch eine bittliche Vorstellung gewendet und behaupten in derselben, Maxmian, Bischof derselben Kirche, habe, von den Donatisten durch Geld bestochen, die bisher unerhörte Erlaubniß dazu gegeben, daß an seinem Aufenthaltsorte ein Bischof eingesetzt werde. 138Hätte auch der bisherige Gebrauch Solches gestattet, so wäre doch die Fortdauer eines solches Gebrauches gegen den katholischen Glauben. Deßhalb halten Wir es für nothwendig, Deine Brüderlichkeit durch gegenwärtiges Schreiben zu ermahnen, daß Du, sobald Unser Schriftführer Hilarius zu Dir kommt,eine allgemeine Bischofsversammlung veranstalten und dieseSache im Hinblick auf den Schrecken des kommenden Gerichtes mit aller Sorgfalt und Genauigkeit untersuchen mögest. Erweist sich dann die Anklage der Überbringer dieses Schreibens gegen den Bischof durch glaubwürdige Zeugnisse als wahrhaft, so soll er seiner Würde und seines Amtes ganz und gar entkleidet werden, damit er sein Verbrechen erkenne und sein Heil in der Buße suche, auch fernerhin Niemand mehr Solches wage. Es ist ja nur billig, daß Derjenige,der laut der Anklage unsern Herrn Jesum Christum an einen Ketzer verkauft hat, von der Verwaltung der Geheimnisse des Leibes und Blutes fern gehalten werde. Sollte es sich hiebei ergeben, wie es auch in der bittlichen Vorstellung der Diakonen enthalten ist, daß ausser diesem Verbrechen noch die Absicht vorhanden war, Andern Schaden zuzufügen und Privatvortheile zu erringen, — so wolle Deine Brüderlichkeit mit Unserm erwähnten Schriftführer auch Dieß sorgfältig untersuchen und zwischen beiden Theilen nach Erforderniß der Gerechtigkeit entscheiden.
Auch haben Uns die Überbringer mitgetheilt, daß sich um unsrer Sünden willen die Sekte der Donatisten täglich weiter ausbreitet, und daß sehr Viele, nachdem sie katholisch getauft wurden , einwilligen, sich von denselben für Geld wiedertaufen zu lassen. Wie verhängnisvoll Dieß sei, das müssen wir, o Bruder, mit allem Ernft erwägen. Siehe, der Wolf zerfleischt die Heerde des Herrn nicht mehr heimlich bei Nacht, sondern am hellen Tage, und wir sehen ihn im Blute der Schafe schwelgen, und wir treten ihm durch keine vorsorgende Maßregel, ja nicht einmal mit den Ge schoßen unsers Wortes entgegen. Wie werden wir dem Herrn das Erträgniß einer größern Heerde vorweisen können, wenn wir trägen Sinnes zuschauen, wie sogar die Heerde, die wir zu weiden übernommen haben, von wilden Thieren gefressen wird? Entflammen Wir also unser Herz durch den Hinblick auf die irdischen Hirten, welche oft, dem Reif und der Kälte preisgegeben, die Winternächte durchwachen, um nur ein Schaf; das nicht einmal besonders werthvoll ist, vor dem Verderben zu bewahren! Und hat der lauernde Unhold eines mit gefräßigem Rachen gepackt, wie thun sie da ihr Äusserstes, wie erglühen sie im Herzen, wie erheben sie angsterfüllt ein Geschrei, um das geraubte Thier noch zu retten, damit nicht der Herr der Heerde ihnen abfordere, was durch ihre Sorglosigkeit zu Grunde gegangen! Wachen also auch wir, auf daß Nichts zu Grunde gehe; und ist eines schon ergriffen worden, so wollen wir es durch die Verkündigung des göttlichen Wortes wieder zur Heerde des Herrn zurückführen, damit der Hirte der Hirten in seinem Gerichte uns gnädig bezeuge, daß wir über seinen Schafstall gewacht haben.
Auch darauf müßt Ibr wohl Acht haben, daß es mit aller Sorgfalt zu untersuchen sei, wenn etwa der Bischof gegen die Überbringer eine gerechte Einwendung vorbringen sollte. Sollten sich etwa diese selbst wegen eigener Schuld als strafwürdig von Rechts wegen erweisen, so meinen Wir durchaus nicht, daß man sie deßbalb verschonen solle, weil