Der Erwerb des Deutschen im Kontext von Mehrsprachigkeit. Tanja Rinker

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Der Erwerb des Deutschen im Kontext von Mehrsprachigkeit - Tanja Rinker


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vorgenommen (ebd. 224). Wir sehen in diesen Regelhaftigkeiten der Pluralbildung durchaus Potenziale, die feminine Genuskategorie im Erwerbsprozess zu unterstützen (siehe oben). Im Kontrast zur femininen Kategorie lassen die beiden nicht-femininen Kategorien deutlich mehr Unregelmäßigkeiten zu. Beispielsweise werden von den maskulinen Einsilbern mit umlautfähigen Vokalen nur etwa die Hälfte umgelautet (der Hutdie Hüte, der Tagdie Tage) – jedoch ohne erkennbare Regel (Eisenberg 2013: 159). Laut Köpcke (1993) lässt sich aber bei Einsilbern, die Lebewesen bezeichnen, eine deutliche Tendenz feststellen, den Plural mit Umlaut zu bilden (der Koch – die Köche, der Floh – die Flöhe, der Fuchs – die Füchse; Ausnahme: der Hund – die Hunde).

      Eine Frage, die sich in Bezug auf die in Tab. 4.9 genannten Zusatzregeln und Sonderfälle stellt, ist, ob, wann und wie diese zum expliziten Vermittlungsgegenstand werden sollten. Eine Option wäre, die Deutschlernenden im Zuge der Vermittlung von GR1, GR2 und GR3 bereits darauf vorzubereiten, dass es über die Grundregeln hinaus noch zwei Zusatzregeln gibt, die aber auf nur sehr wenige Nomen zutreffen, sowie einige auswendig zu lernende Sonderfälle. Wenn dann im Unterricht entsprechende Vertreter vorkommen, können die Lernenden oder die Lehrkraft diese mit Singular- und Pluralform auf (für Zusatzregeln und Sonderfälle) vorbereitete, im Klassenzimmer längerfristig hängende Plakate notieren. Auf diese Weise wäre eine Sensibilisierung für die Komplexität und partielle Unregelmäßigkeit des Pluralsystems gewährleistet ohne jedoch die Lernenden zu überfordern und ohne die etablierten Grundregeln zu erschüttern. Die unregelmäßigen Formen können so nebenbei gelernt werden, was bei einigen Lexemen (z. B. Junge – Jungen, Mensch – Menschen, Kind – Kinder, Haus – Häuser, Buch – Bücher, Hand – Hände) aufgrund der hohen Tokenfrequenz im InputInput der Lernenden ohnehin passiert. Sobald die gemeinsam geführten, für alle sichtbaren Sonderfall-Listen mehrere Einträge aufweisen, könnte man zusammen nach Mustern Ausschau halten (z. B. das Kind – die Kinder / das Rind – die Rinder; das Buch – die Bücher / das Tuch – die Tücher; die Maus – die Mäuse / die Laus – die Läuse; die Nuss – die Nüsse / der Kuss – die Küsse), um im Erwerbsprozess (neben der Regelanwendung) auch die Potenziale der Analogiebildung auszuschöpfen.

      Aufgaben

       1.* Worin bestehen die potenziellen Schwierigkeiten beim Pluralerwerb des Deutschen?

       2.** Ordnen Sie die folgenden Nomen einer Pluralregel oder einem der Sonderfälle zu.die Hose – die Hosen, der Hunddie Hunde, das Plakat – die Plakate, die Tür – die Türen, der Mann – die Männer, der Traum – die Träume, das Heft – die Hefte, der Füller – die Füller, das Sofa – die Sofas, der LKW – die LKWs, das Zeichen – die Zeichen, die Mauer – die Mauern, die Bewerbung – die Bewerbungen, die Kunst – die Künste, der Pädagoge – die Pädagogen, der Vogel – die Vögel, der Abgeordnete – die Abgeordneten, der Besucher – die Besucher, das Ziel – die Ziele, die Landschaft – die Landschaften, das Dorf – die Dörfer, die Stadt – die Städte, das Land – die Länder

       3.*** In verschiedenen L1- und L2-Studien zum Pluralerwerb des Deutschen hat sich wiederholt „eine ganz offensichtliche Vorliebe für die Pluralbildung mit -(e)n“ gezeigt (Diehl et al. 2000: 210), festzumachen an häufigen Übergeneralisierungen wie z. B. *Handen (Hände), *Fruschten (Früchte), *Freunden, *Fischen (ebd. 215).Überlegen Sie einmal, was -(e)n gegenüber den anderen Pluralmarkern so attraktiv macht? Vergleichen Sie Ihre Überlegungen mit den Ausführungen in Kapitel 11 zum Erwerb des Plurals.

      Partner- und Gruppenaufgaben

       4.* Bezogen auf die Pluralbehandlung die gängige Lehrpraxis kritisierend äußert Heide Wegener (1995a: 51) folgende Überzeugung: „Vollständigkeit ist kein didaktisches Prinzip!“ Diskutieren Sie dieses Zitat in der Seminargruppe.

       5** Die nachstehende Aufgabe aus einem Lehrwerk (DaF kompakt A1-B1 Übungsbuch, S. 28) soll von den Lernenden mit Hilfe eines Wörterbuchs, in dem die Singular- und Pluralformen der Artikel nachzuschlagen sind, bearbeitet werden. Ergänzen Sie einmal selbst die Lücken und diskutieren Sie in der Gruppe, warum diese Aufgabe nicht geeignet ist, um Einblicke in die Systematik des Pluralsystems zu gewinnen. Wie könnte man die Aufgabe modifzieren, um Grundregeln des Pluralsystems erfahrbar zu machen?© Ernst Klett Sprachen

       6.*** Schauen Sie sich unter Berücksichtigung der folgenden Fragestellungen zwei oder drei DaZ/DaF-Lehrwerke (der Stufen A1-B1) zur Pluralvermittlung an.Findet eine Pluralbehandlung statt oder nicht?Wann und wie wird mit der Pluralbehandlung begonnen?Auf wie viele Lektionen erstreckt sich die Pluralbehandlung?Werden alle Pluralvarianten gleichzeitig präsentiert oder findet eine didaktische Reduktion statt? Wenn ja, nach welchen Kriterien?Wird zwischen Regeln und Sonderfällen (Ausnahmen) unterschieden?Wird der Bezug zu den Genuskategorien hergestellt?Werden hinreichend viele Beispiele für die einzelnen Pluralvarianten angeboten?Wie viele Pluralmarker sind in den einzelnen Übungen gleichzeitig zu berücksichtigen?Tragen die Übungen (aus Ihrer Sicht) zum besseren Verständnis und zum Erwerb des Pluralsystems bei?

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