Der Erwerb des Deutschen im Kontext von Mehrsprachigkeit. Tanja Rinker

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Der Erwerb des Deutschen im Kontext von Mehrsprachigkeit - Tanja Rinker


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(19) a. [seiner Sache]Gen sicher
b. [ihrem Mann]Dat treu
c. [einen Meter]Akk lang
(20) a. [Lisas]Gen Mütze; [Omas]Gen Brille
b. das Auto [unseres Nachbarn]Gen
c. [Timos]Gen Erklärung [der Situation]Gen

      Der Genitiv bereitet sowohl im Erstspracherwerb als auch im Zweitspracherwerb die meisten Schwierigkeiten – ausgenommen hiervon sind Genitivformen von Eigennamen und Verwandtschaftbezeichnungen, vgl. (20a). Es ist daher zu empfehlen, die anderen Kontexte erst auf etwas fortgeschrittenem Niveau (im Rahmen bildungssprachlicher Förderung) systematisch in Angriff zu nehmen. Zunächst sollten die Formen der anderen drei Kasus Vorrang haben. Genitivattribute wie in (20b) lassen sich ohne Bedeutungsverlust gut ersetzen durch von-Phrasen (das Auto von unserem Nachbarn), die den Dativ erfordern.

      Für recht große Unsicherheit und Verwirrung (z.T. auch bei erwachsenen deutschen MuttersprachlerInnen) sorgen genitivregierende Präpositionen, die zunehmend (insbesondere in der gesprochenen Sprache) auch mit dem Dativ verwendet werden. Von den Kasusschwankungen betroffen sind u.a. die Präpositionen trotz, statt, fern, während, wegen, inklusive. Es lassen sich bestimmte Kontexte identifizieren (u.a. DUDEN 2016: 624 oder Duden-Online), in denen besonders häufig der Dativ gebraucht wird, z. B. wenn dem präpositionsregierten Nomen noch ein Genitivattribut folgt (21) oder wenn der Artikel fehlt (22). Als Lehrkraft kann man diese SprachwandelSprachwandelerscheinungen nicht aufhalten. Sprache verändert sich beständig – in einigen Bereichen eher zu spüren als in anderen. Auf fortgeschrittenem Sprachniveau (sowie im Fachunterricht Deutsch) lassen sich zu den Kasusschwankungen genitivregierender Präpositionen spannende, den Wandel aufspürende Unterrichtsstunden gestalten.

(21) trotz dem Einspruch des Pfarrers vs. trotz des Einspruchs des Pfarrers
(22) trotz heftigem Regen vs. trotz heftigen Regens

      Typischerweise regieren Präpositionen nur einen Kasus. Das eben beschriebene Phänomen konkurrierender Kasus ist dem Sprachwandel geschuldet und nicht zu verwechseln mit Präpositionen, die tatsächlich zwei Kasus regieren – gemeint sind die sogenannten Wechselpräpositionen. Wir wenden uns diesem herausfordernden Lerngegenstand am Ende des Kapitels in mehr Ausführlichkeit zu.

      Kommen wir, um den Überblick über Kasuszuweisungsmöglichkeiten abzuschließen, nun aber erst einmal zur Kongruenz – neben der Rektion eine weitere Art der Kasuszuweisung.

       Kasuszuweisung durch KongruenzKasuszuweisung durch Kongruenz

      Hierbei übernehmen Nominalphrasen in bestimmten Konstruktionen das Kasusmerkmal einer anderen NominalphraseNominalphrase. Besonders relevant für SprachanfängerInnen sind prädikative Konstruktionen, vgl. (23), bei denen eine Nominalphrase (NP) als Ergänzung eines Kopulaverbs (sein, werden, bleiben) fungiert. Diese NP bildet zusammen mit dem Kopulaverb den prädikativen Ausdruck und übernimmt den Kasus des Subjekts – also den Nominativ.4 Ein weiteres Kongruenzbeispiel sehen wir in den Vergleichskonstruktionen von (24).5 Da die Konstruktionen von (23) und (24) auch im Sprachvergleich recht einfach sind, bietet es sich an, sie bereits auf frühen Sprachniveaustufen gezielt einzubinden, um Nominativformen zu üben.

      Beispiele für Kasuskongruenz

(23) a. [Er]Nom ist [ein guter Lehrer]Nom.
b. [Sie]Nom bleibt [unsere Klassenlehrerin]Nom.
(24) a. [Er]Nom trampelt wie [ein Elefant]Nom.
b. [Sie]Nom rennt schneller als [meine Schwester]Nom.

      Die Konjunktionen als und wie können sich auch in anderen Kontexten mit einer NominalphraseNominalphrase verbinden, die dann den Kasus der Bezugsphrase übernimmt, vgl. (25) und (26). Für ein leichteres Erkennen sind die Konjunktionalphrasen farblich hinterlegt. In den Beispielen von (25) wird das Bezugsnomen durch die Konjunktionalphrase näher charakterisiert, während in den Beispielen von (26) ein Vergleich ausgedrückt wird (DUDEN 2016: 855). Diese eher bildungssprachlichen Konstruktionen sind für Lernende deutlich anspruchsvoller als die einfachen (auf den Nominativ beschränkten) Vergleichskonstruktionen in (24) und setzen eine gewisse Sicherheit mit den Formen des Kasusparadigmas bereits voraus.

      Weitere Beispiele für Kasuskongruenz

(25) a. [Er]Nom wird als [gute Führungskraft]Nom geschätzt.
b. Man wollte [Herrn Schmidt]Akk als [kompetenten Sachverständigen]Akk gewinnen.
c. Als [guter Menschenkennerin]Dat fiel [ihr]Dat sein Verhalten sofort auf.
(26) a. Wie [viele andere Viren]Nom breitet sich [das Coronavirus]Nom über Tröpfcheninfektion aus.
b. Er begrüßte [seinen stärksten Konkurenten]Akk wie [einen guten Freund]Akk.
c. Wie [jedem anderen]Dat ist auch [mir]Dat bewusst, dass es so nicht weiter gehen kann.

      Der Vollständigkeit halber seien zwei weitere Beispiele für Kasuskongruenz aufgeführt – relevant für Fortgeschrittene und das schriftsprachliche Register. Es handelt sich um sogenanne Appositionen – um Nominalphrasen (NP), die einer anderen NP folgen, die sie näher modifizieren und mit deren Kasus sie übereinstimmen:

(27) a. [Herr Erhard]Nom, [der neue Direktor]Nom, hielt eine kurze Rede.
b. Ich hätte [Herrn Erhard]Akk, [unseren früheren Nachbarn]Akk, fast nicht wiedererkannt.

       WechselpräpositionenWechselpräpositionen

      Wechselpräpositionen gehören zur Domäne der Lokalisierungsausdrücke (oder auch Raumausdrücke),


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