Energiequelle Ayurveda. Balvinder Sidhu

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Energiequelle Ayurveda - Balvinder Sidhu


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wie Gerald Hüther halten dagegen, dass Langeweile für die Entwicklung des Gehirns weit wichtiger ist, als Frühförderung. Denn durch das Nichtstun entsteht ein Freiraum, in dem Kreativität und Neues entstehen können. Wer nicht mehr zur Ruhe kommen kann, fühlt sich über kurz oder lang vollkommen erschöpft – selbst wenn das Arbeitspensum vielleicht gar nicht so groß ist. Und nur durch den regelmäßigen Wechsel von Anspannung und Entspannung, wie er etwa im Yoga gelehrt wird, kann die Gesundheit erhalten bleiben.

      Perfektionismus

      Statt in der Freizeit einmal wirklich nichts zu tun, verstricken wir uns in ein Netz aus Aktivitäten und legen einen Perfektionismus an den Tag, der uns nicht entspannen lässt. So können auch Methoden, die aus Indien kommen, und ausgleichend auf Körper, Geist und Seele wirken sollen, nicht mehr wirken. Jeder Lehrer, der Yoga im Sinn der indischen Weisen lehrt, wird seinen Schülern vermitteln, dass dieser wichtige Zweig des Ayurveda sich nicht in der perfekten Ausübung der Asanas (Körperübungen) erschöpft, sondern dass im Gegenteil Loslassen und Vertrauen zentrale Lehren des Yoga sind. Sollten die Grundprinzipien unseres Lebens nicht Freude und Glück sein? Dann haben wir das Leben gründlich verlernt.

      Neben der Gegenwärtigkeit ist eines der größten Geschenke meiner Kindheit in Indien tiefes Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten. Ich möchte Ihnen dazu eine kleine Geschichte erzählen: Als ich etwa vier Jahre alt war, schenkte mir mein Vater ein Fahrrad und sagte: »Das ist für dich, fahre damit, du kannst es.« Ich fragte ihn: »Wie soll ich damit fahren? Ich habe es doch noch nie gemacht.« Mein Vater entgegnete: »Probiere es einfach aus.« Er ging zur Seite, beobachtete mich aus der Distanz, gab mir aber keinerlei weitere Vorgabe. Natürlich fiel ich einige Male vom Rad, hatte einige Abschürfungen und weinte einige Tränen. Bald hatte ich aber den Dreh raus und war ungemein stolz. Daraus und aus vielen anderen ähnlichen Erlebnissen speist sich heute ein tiefes Vertrauen in meine Fähigkeiten.

      Dem Ausprobieren Raum geben

      Der westliche Vater zeigt der Tochter in bester Absicht ganz genau, was sie zu tun hat, wie sie den Lenker halten und die Bremse betätigen muss. Auch seine Tochter wird ein paar Mal hinfallen und wahrscheinlich weinen. Diese kleinen Rückschläge gehören dazu, wenn man etwas Neues lernt. Aber sie machen uns stark, wenn wir das Gefühl haben, dass wir uns die Fähigkeiten selbst erworben haben.

      Wir neigen dazu, dem Ausprobieren zu wenig Raum zu geben, zu viel zu reglementieren und zu wenig zu vertrauen. Wir versuchen häufig, die Kinder vor allen Gefahren zu behüten. Und übersehen dabei, dass wir die eigenen Erfahrungen und Ängste projizieren und es den Kindern so erschweren, Vertrauen zu entwickeln.

      Es ist nicht einfach, sich von diesen Prägungen ganz zu lösen – aber sich solche Muster bewusst zu machen ist ein wichtiger Schritt zur Befreiung. Denken Sie darüber nach, ob Sie einen Fuß vor den anderen setzen und gehen können? Nein. Denn wenn Sie es täten, würden Sie ins Straucheln kommen. Sie wissen, dass Sie es können – und deshalb tun Sie es! Wenn wir Vertrauen haben, ist kein Raum für Angst.

      Meine Eltern und die meisten Erwachsenen, mit denen ich in Indien zu tun hatte, lebten mir dieses tiefe Vertrauen vor. Eine seiner Wurzeln ist das Bewusstsein, dass wir als Menschen in die Natur eingebunden und Teile des Universums sind. Dies gehört zu den wichtigsten Prinzipien des Ayurveda.

      Probleme, so sie denn auftauchen, sind in diesem Sinn Herausforderungen, denen wir uns stellen sollen, die wir lösen und an denen wir wachsen können. Aus der starken Naturverbundenheit resultieren auch eine große Flexibilität und innere Stärke.

      Als ich in einem langen Winter fast täglich die gleiche Strecke an einem Waldrand entlanglief, beobachtete ich fasziniert, wie sich eine vor der Zeit blühende Blume gegen oder vielmehr mit der Natur behauptete. Jeden Tag hatte es eine komplett andere Witterung, und während ich selbst mich täglich neu kleiden konnte, mal mit Mütze und Schal, mal ohne, war diese zarte Blume ganz auf sich, ihre eigene Stärke, zurückgeworfen. Bei Sonnenschein blühte sie auf, am nächsten Tag bei Regen schloss sie sich. Als die nächsten Tage ein schwerer Sturm über das Land fegte, war ich gespannt, ob sie das überlebt. Und siehe da: Der zarte grüne Stängel bog sich im Wind, hielt ihm aber stand – gerade weil er sich nicht gegen ihn stellte, sondern sich ihm flexibel hingab.

      Eine ganz zentrale Rolle im indischen Alltag spielt zudem die Religion. Der tiefe Glaube an einen Gott, an mehrere Götter, ein höheres Selbst oder irgendeine Art der Energie ist zweifellos eine starke Kraft. Er gibt dem Leben einen Sinn und einen starken Halt. An jeder Ecke finden sich kleine Altäre und Tempel, an denen die Menschen Blumen niederlegen und Räucherkerzen entzünden.

      In Indien beginnt der Tag mit einer Dankbezeugung und mindestens zwei bis drei Mal täglich gibt es kleine Rituale, mit denen den Göttern gehuldigt wird. Auch Tempelbesuche gehören in Indien zum normalen Wochenablauf. Durch diese Rituale kommen die Menschen mehrmals am Tag mit ihrer geistigen und seelischen Ebene in Kontakt. Das Aufgehobensein in der Natur und der Glaube an ein höheres Wesen sind die Quelle einer starken Gelassenheit, die den indischen Alltag prägt.

      Om - Das göttliche Zeichen.

      Warum aufregen, wenn man es nicht ändern kann?

      Die Verspätung des Busses, das Wetter, das größere Haus des Nachbarn – darüber regt sich hier niemand auf, weil es sich schlicht nicht lohnt. Es ist einfach so, wie es ist. In den Behörden in Indien gibt es stets lange Wartezeiten. Was tun die Inder? Sie stellen sich nicht selbst in die Schlange, sondern hinterlassen ihre Schuhe als Markierung und setzen sich auf die Wartebänke.

      Nein – die Unpünktlichkeit und das Chaos, die das öffentliche Leben in Indien vielerorts prägen, halte ich keineswegs für erstrebenswert. Aber die Leichtigkeit im Umgang mit den Dingen, die wir nicht ändern können, die Leichtigkeit auch im Umgang mit sich selbst, ist eine Quelle großer Zufriedenheit.

      Wie oft stehen wir im Stau und vergeuden wertvolle Energie, weil wir uns fürchterlich ärgern? Wie oft vergleichen wir uns mit anderen, statt uns auf die eigenen Stärken zu fokussieren?

      Wir können viel von der indischen und anderen asiatischen Kulturen lernen. Nicht, indem wir sie eins zu eins nachahmen, sondern unseren eigenen Maßstab finden.

      Natürlich können und sollen Sie sich keinen Glauben erzwingen. Möglicherweise kommt eines Tages die Erkenntnis zu Ihnen, dass es doch »mehr« gibt – vielleicht auch nicht. Es spielt letztlich für Ihr persönliches Glück, Ihre Ausgeglichenheit keine Rolle. Wichtig ist nur, dass Sie Ihren eigenen Maßstab finden. Auch wer nicht glaubt, kann von den Gesellschaften, in denen der Glaube eine große Rolle spielt, vieles lernen. Unser Leben ist so stark am Äußeren, am Materiellen orientiert, dass die beiden Ebenen Geist und Seele dabei meist zu kurz kommen.

      Ich selbst habe verschiedene Gewohnheiten aus Indien in meinen Alltag übernommen: Morgens und abends entzünde ich eine Kerze und ein Räucherstäbchen, komme einige Minuten zur Ruhe und bin ganz bei mir. Solche Rituale sind sehr hilfreich, um sich weg von der reinen Körperebene, hin zu Geist und Seele zu wenden.

      Rituale, um zu sich zu kommen

      Sie müssen keinen Altar haben und keine Kerzen entzünden, wenn Sie mit diesen Dingen nichts anfangen können. Schaffen Sie sich Ihre eigenen Inseln im Alltag.

      Momente, in denen Sie zur Ruhe kommen und den Blick nach innen richten. Morgens und abends einige Minuten sind schon ausreichend. Vielleicht gelingt Ihnen das persönlich besonders gut, wenn Sie eine bestimmte Art von Musik hören oder sich in der Natur aufhalten. Indem Sie sich immer wieder zentrieren und die Gedankenkreisel beenden, verhindern Sie, dass die Anforderungen der äußeren Welt Sie »auffressen«.

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