Carl Friedrich von Weizsäcker. Ino Weber

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Carl Friedrich von Weizsäcker - Ino Weber


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      Seine Liste von Veröffentlichungen in wissenschaftlichen Zeitschriften ist außerordentlich lang. Sie beginnt 1931, als Weizsäcker noch Student war, mit dem Thema „Ortsbestimmung eines Elektrons durch ein Mikroskop“ (Zeitschrift für Physik). Weizsäcker arbeitete nur bis 1957 offiziell als Physiker und war dann als Philosophie-Professor tätig. 1937 und 1938, in den Jahren nach der Habilitation, beschäftigte er sich mit der Höhenstrahlung, neuen Modellvorstellungen vom Bau der Atomkerne und „Elementumwandlungen im Innern der Sterne“ (Physikalische Zeitschrift). Nach dem Krieg wird die Entstehung des Planetensystems, also Astrophysik, Weizsäckers großes Thema. Herausragend ist jedoch eine Arbeit des Jahres 1939 mit dem Thema „Kernumwandlungen als Quelle der Sternenergie“.

      Etwas lapidar, aber nicht ohne Stolz bemerkte er in seiner „Selbstdarstellung“: „Ich dachte mir den Kohlenstoffzyklus aus, den Bethe gleichzeitig fand und gründlicher ausarbeitete.“ 17 Eine gewisse Tragik ist darin zu sehen, dass Hans Bethe, der während des Krieges in die USA auswanderte, allein die wissenschaftlichen Lorbeeren erntete.

      Bethe erhielt den Nobelpreis zwar erst im Jahr 1967, aber genau für jenes Thema des Jahres 1938, womit auch Weizsäcker befasst gewesen war. Immerhin blieb Weizsäcker der relativ schwache Trost, als Mitentdecker des Bethe-Weizsäcker-Zyklus in den Lehrbüchern genannt zu werden.

      Was den verwehrten Ruhm anbelangt, könnte man die Entscheidung des Nobelpreis-Komitees als ungerecht empfinden, doch im Jahr 1967 war nur Bethe noch voll als Physiker tätig, während Weizsäcker sich längst völlig anderen Aufgaben widmete. Auch die Frage der „Gleichzeitigkeit“ von Entdeckungen ist eine diffizile Sache. Die Frage, wer denn wirklich der Erste war, der den entscheidenden Schritt unternahm, musste in der Geschichte der Wissenschaften immer wieder gestellt werden. Im Fall Weizsäckers scheint klar zu sein, dass er tatsächlich als Erster, nämlich schon 1935, die Grundformel zur Berechnung der Bindungsenergie im Atomkern präsentierte, nur wurde sie dann durch Hans Bethe und Enrico Fermi weiter verfeinert und schließlich als „Bethe-Weizsäcker-Formel“ bezeichnet.

      Die erwähnte Formel ist nicht zu verwechseln mit dem sogenannten „Bethe-Weizsäcker-Zyklus“. Er beschreibt eine mehrstufige, kreisförmige Reaktion, die vor allem eins liefert: Energie! Bei dieser Reaktion entstehen verschiedene Isotope von Kohlenstoff, Stickstoff und Sauerstoff. Im ersten Schritt reagiert Kohlenstoff, C-12 (also das bei Weitem häufigste Isotop dieses Elements), mit Wasserstoff zu Stickstoff N-13. Die Grafik verdeutlicht die einzelnen Reaktionen, die sich in den Atomkernen abspielen, wobei vier Fusionen auftreten und zwei Zerfälle. Jeder Atomkern enthält Protonen und Neutronen, nur beim Element Wasserstoff enthält der Kern lediglich ein Proton. An den Reaktionen des Bethe-Weizsäcker-Zyklus sind ausschließlich Atomkerne und einige Elementarteilchen beteiligt. Wasserstoff liegt hier in Form des bloßen Atomkerns, ohne Elektron, also als sogenanntes Proton vor. N-13 zerfällt wieder zu C-13 und einem Positron. Jetzt reagiert C-13 mit Wasserstoff zu N-14. Bei den nächsten beiden Schritten entsteht Sauerstoff, der wieder zerfällt, so dass N-15 übrig bleibt. Eine erneute Fusion des N-15 mit Wasserstoff ergibt nun im letzten Schritt neben C-12 auch etwas völlig Neues, nämlich Helium. Da hier wieder das Kohlenstoffisotop C-12 freigesetzt wird, das am Anfang die Reaktionen eingeleitet hat, ist der Zyklus somit komplett. Als Endergebnis aller genannten Zwischenschritte des Bethe-Weizsäcker-Zyklus wurde durch Kernfusion ein neues Element erzeugt. Was diesen Vorgang so besonders macht: Es wird ein ungeheurer Überschuss an Energie freigesetzt. Das ist, grob gesagt, der maßgebende atomphysikalische Prozess, der im Inneren der Sonne abläuft und diejenige Energie liefert, von der wir auf der Erde profitieren, die hier das Leben erst ermöglicht. Damit ist das alte Rätsel um die Entstehung der Sonnenenergie gelöst. Die materielle Grundlage dieser Energie ist letztlich die Kernfusion.

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      Grafik: Bethe-Weizsäcker-Zyklus.

       In sechs Reaktionsschritten entsteht Helium aus Wasserstoff.

       Bei jedem Schritt wird sehr viel Energie frei. N-13 und O-15 sind instabil,

       die übrigen Isotope sind sehr stabil.

      In die Gesamtbilanz des Zyklus geht viermal Wasserstoff ein, zweimal wird ein Positron freigesetzt. Dies ist in der Grafik leicht zu erkennen. Insgesamt geht Masse verloren, die in Energie verwandelt wird. Positronen haben eine extrem geringe Masse, sie beträgt nur etwa ein Zweitausendstel von der Masse eines Protons oder Neutrons. Als entscheidendes Ergebnis aller sechs Reaktionsschritte entsteht Helium, das leichter ist als die vier Protonen, woraus es letztlich hervorging. Jeder der einzelnen Schritte liefert einen sehr hohen Überschuss an Energie.

      Wichtig ist auch, dass unter dem Strich Masse verlorengeht, was man als „Massendefekt“ bezeichnet. Diese Masse kann man nach der berühmten Einstein-Formel E = m x c² mit einem bestimmten Betrag an Energie gleichsetzen. Der Wasserstoff stellt gewissermaßen das Brennmaterial zur Kernfusion dar, er wird im Prozess immer mehr verbraucht; denn er wird einerseits zu Helium andererseits auch in Energie verwandelt. Man spricht deshalb auf lange Sicht vom Ausbrennen der Sterne. Es ist dies ein kosmisches Schicksal, das nach Kenntnis der modernen Physik und Astronomie auch unsere Sonne in sehr ferner Zukunft einmal erleiden wird.

      Wer die Einstein-Formel zu „lesen“ versteht und weiß, dass c das physikalische Symbol für Lichtgeschwindigkeit darstellt, die rund 300.000 Kilometer pro Sekunde beträgt, der kann erahnen wie groß die Energiebeträge sein müssen, um die es hier geht. Denn c steht „im Quadrat“, und c mit sich selbst multipliziert macht bereits 9 x 1010 oder neunzig Milliarden. Selbst bei sehr geringer Masse eines einzelnen atomaren Teilchens ist der Endbetrag enorm; denn wir haben auf der Sonne auch eine riesige Zahl von Teilchen, die an der energieerzeugenden Reaktion teilnehmen.

      Alle diese Erklärungen, die heute bereits zum allgemeinen Wissensschatz gehören und oft in populärwissenschaftlichen TV-Sendungen zum Besten gegeben werden, gehen im Prinzip auf Weizsäckers außerordentliche wissenschaftliche Entdeckung zurück.

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